»55« Das Ende

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Einst war ich ein kleines Mädchen.

Ein Mädchen, das Schokoladenkuchen liebte. Ein Mädchen, dass Kinderfilme liebte. Ein Mädchen, dass es liebte, wenn die Sonnenstrahlen sie im Sommer küsste und sie barfuß im Garten rumrennen und tanzen durfte.

Einst war ich ein kleines Mädchen.

Ein Mädchen, dass es liebte von ihrem Papa huckepack getragen zu werden. Ein Mädchen, dass es liebte, von ihrer Mama umarmt zu werden. Ein Mädchen, dass es liebte mit ihrer Schwester gemeinsam zu lachen.

Einst war ich ein kleines Mädchen...

Ein Mädchen, dass gerne nacht länger aufblieb. Ein Mädchen, dass vor dem Schlafengehen sich noch schnell Süßigkeiten in den Mund stopfte, sobald ihre Mama nicht hinsah. Ein Mädchen, dessen größte Sorge war irgendwann alleine zu baden und sich danach auch noch die Zähne putzen zu müssen.

Jetzt bin ich eine Frau.

Eine Frau, die das Leben liebt, obwohl es so ungerecht zu ihr war. Eine Frau, die dennoch lacht, obwohl man ihre Gefühle verletzt. Eine Frau, die sich nicht unterkriegen lässt. Eine Frau, die verdammt stark ist.

Und ab heute bin ich sogar eine Mörderin.

Es fühlt sich komisch an.

Zu wissen, wobei ich gerade mitmache. Zu wissen, was geschehen wird und keine Einwände zu haben.

Doch vielleicht haben sie es sogar verdient.

Ist es falsch, wenn ich so denke?

Ist es falsch, dass ich der Meinung bin, Zach hat es irgendwo gar nicht anders verdient? Er hat mich belogen und hinters Licht geführt, obwohl er mich nicht kannte. Er hat es in Kauf genommen, dass Danny hätte wütend werden können und mir somit vielleicht sogar weh tun. Er weiß, dass es ungewollt ein Verrat an die Mafia war und ich dafür meinen Kopf hätte hinhalten müssen, wenn Danny und ich nicht etwas füreinander empfunden hätten. Mein Gefühl sagt mir, dass Zach zu allem fähig ist.

Schluckend lasse ich den Blick schweifen. Über meine Haare, die mir glatt über den Rücken fallen und über mein enganliegendes, schwarzes Kleid, das ich von Katrina bekommen habe. Die Augen habe ich zu Smokey-Eyes geschminkt und sogar braunen Lippenstift habe ich aufgetragen. Dafür, dass ich mich selten bis kaum schminke, habe ich es wirklich gut hingekriegt. Lautlos seufze ich und beiße mir auf die Unterlippe.

Ich wusste, wer Danny war. Ich wusste, dass er zur Mafia gehört und dennoch habe ich mich auf ihn eingelassen. Ich hätte damit rechnen müssen, dass ich da irgendwann muteinbezogen werde. Selbst Leroy sagte mir, dass man ja nun mein Gesicht kennt und ich mehr aufpassen muss.

„Gott...", seufze ich abermals und lasse die Schultern sacken.

Dennoch habe ich nicht damit gerechnet, dass ich Komplizin eines Mords werde.

„Es ist deine Schuld", ertönt ich Leroy's Stimme in meinem Kopf. Die Worte, die er zu Danny sagte, als dieser nicht verstand, wieso ich mit muss.

„Du allein bist schuld daran, denn du hast sie einfach mit nach Ohio genommen, wo du eine Aufgabe hattest. Du. Nicht sie. Und jetzt finde dich damit ab, dass du es zu verantworten hast, falls etwas mit ihr geschieht. Und deshalb denke gut nach. Für Streit gibt es heute keine Zeit."

Ich zucke zusammen, als Danny plötzlich im Spiegel neben mir erscheint. Dieser Moment erinnert mich ganz unangenehm an den Abend in Ohio, als ich zum ersten Mal sah, welche Seiten noch in den stummen Mann schlummern.

Agonía SilenciosaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt