»29« ernste Gespräche

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„Du musst verstehen, dass ich es so nicht lernen werde." Ich setze mich auf einen Stuhl gleich gegenüber von Danny, während er das Abendessen für unsere Gäste zubereitet. Er hebt den Kopf und wirft mir einen fragenden Blick zu.

„Das heute Morgen. Und gestern Morgen. Und vorgestern...", füge ich hinzu. Er nickt diesmal verstehend, ehe er weiterhin in der Schüssel rumrührt.

„Ich denke, du wirst es schon lernen. Du musst nur eine Sache verstehen, dann wirst du auch nicht mehr so ängstlich sein, aber wir dürfen es eben nicht übertreiben sonst bekommst du noch wirklich eine Panikattacke, so wie du heute kurz davor gewesen bist."

„Und was muss ich verstehen?", grummle ich verwirrt. Seit drei Tagen zieht er die selbe Kacke mit mir ab und drängt mich während des Trainings immer an den Abgrund, bis mir vor Angst die Augen tränen. Kämpfen tun wir dabei zum Glück nicht viel, weil ich ihm gesagt habe, dass ich meine Periode habe und bei allen schnellen Bewegungen ein Schwall Blut aus mir raus kommt. Wenn ich den Sicherheitsgrad überschreite, kann ich zu viel Blut verlieren und sterben, was der Trottel natürlich nicht geglaubt, jedoch dennoch akzeptiert hat. Er war sogar so nett mir am zweiten Abend, als ich Unterleibschmerzen hatte, eine Wärmflasche und Schokolade zu besorgen.

Nur sind sie heute Abend bereits so gut wie weg, was ich zum ersten Mal bedauere.

Danny seufzt lautlos und legt den Löffel hin, ehe er sich an den Tisch lehnt und mir tief in die Augen sieht.

„Dass dich jemand festhält. Du musst nicht dabei unbedingt an mich denken, du kannst mich nicht leiden und deswegen passt es sich dem sicheren Gefühl nicht an, aber du darfst ruhig daran denken, dass dich jemand festhält und nicht fallen lässt. Schau, es ist ganz einfach. Als Kind hat man mich einmal für eine lange Zeit allein in ein dunkles Zimmer eingesperrt, sodass ich lange Angst hatte alleine einzuschlafen. Doch vor allem, wenn die Tür geschlossen war. Ich hatte das Gefühl, dass der Raum plötzlich immer kleiner wurde... Der Arzt nannte es Klaustrophobie. Meine Mutter hat so oft bei mir im Bett geschlafen, bis ich verstanden habe, dass ich weder das Licht noch die Kuscheltiere noch die offene Tür als Sicherheit benötige. Es reicht zu wissen, dass da jemand ist, der mich hält und mir das Gefühl von Sicherheit gibt. Kurz bevor ich acht Jahre alt wurde konnte ich ganz stolz alleine einschlafen, ohne Licht, ohne Kuscheltiere und vor allem mit geschlossener Tür. Unsere Ängste kommen meistens nicht einfach so. Wir erleben etwas, dass uns so tief in den Knochen sitzt und uns so sehr erschüttert hat, dass wir es einfach nie wieder fühlen wollen, nie wieder herausfordern. Weil niemand da gewesen ist, um uns zu beschützen. Was ich dir sagen will ist einfach, dass ich dich nicht loslassen werde. Vielleicht gab es mal einen Tag, als du hingefallen bist, egal, ob es von der Schaukel oder einem Berg war - was ich bei dir irgendwie sogar glaube - und weder hat man nach dir rechtzeitig gegriffen noch im Nachhinein aufgeholfen, doch jetzt zeige ich dir, dass da jemand doch ist. Und wenn du doch fällst, dann springe ich hinterher, denn da unten ist nur Wasser. Es wird weder dich noch mich töten. Einverstanden?"

Für einen Moment finde ich keine Worte. Ich bin so gerührt, dass ich einfach nicht weiß, was ich sagen soll. Mein Herz ist so voller Wärme, dass ich mich konzentrieren muss, um ihn nicht einfach in den Arm zu nehmen. Das wäre komisch...

„Danke. Das bedeutet mir wirklich viel", bringe ich leise über die Lippen. Danny nickt bloß leicht.

„Du... wurdest als Kind eingesperrt?", wispere ich. Danny hält in der Bewegung inne, versucht diesen Moment jedoch rasch zu überspielen und rührt weiter in der Schüssel rum, ehe er schulterzuckend nickt.

„Von deinen Eltern? Also... deinen leiblichen Eltern?", hake ich näher nach. Ich bin plötzlich so unglaublich neugierig, möchte ihm jedoch wiederum auch nicht zu nahe treten.

Agonía SilenciosaWhere stories live. Discover now