»32« Gebrandmarkt

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𝕃 𝔸 ℝ 𝔸

Vielleicht habe ich auch ein wenig überreagiert.

Vielleicht hätte ich noch mehr toben sollen.

Doch jetzt - mehrere Stunden später - ist es bereits spät am Abend und Danny ist nicht wiedergekommen. Ich habe geweint. Nicht weil die Angst mir noch so sehr in den Knochen lag, sondern weil es mich wirklich verletzt hat. Wieso macht er alles immer wieder kaputt? Kaum habe ich mich bei ihm sicher gefühlt, rammt er mir einen Messer in den Rücken.

Ich hatte nur einmal in meinem Leben eine solche Angst. Als ich das brennende Haus vor meinen Augen hatte mit den Schreien meiner Familie in meinen Ohren. Doch ich glaube, dass es dieses mal etwas intensiver gewesen ist. Vielleicht weil ich damals erst sieben Jahren alt gewesen bin und viel zu traumatisiert war um überhaupt realisieren zu können, was geschieht? Ich weiß es nicht.

Zitternd umgreife ich die Tasse fester, ehe ich einen Schluck des beruhigenden Tees nehme. Die Sonne ist schon lange unter und nun leistet mir allein der Mond ein wenig Gesellschaft. Ich hasse es, dass ich mich die ganze Zeit frage, wo zum Teufel er abgeblieben ist. Verdammt, ich habe noch nicht einmal seine Nummer!

„Verflucht, Lara...", stöhne ich und fahre mir übers Gesicht. Er hat es nicht verdient, dass ich mir Sorgen um ihn mache.

Vielleicht sollte ich etwas zu essen kochen und mich ein wenig ablenken...

Obwohl ich gar nicht kochen kann...

... wird schon gut gehen.

Meine Augen finden wieder den Weg hinaus.

Doch vielleicht tut es gut, wenn ich für einige Minuten frische Luft schnappe.

Ich erhebe mich seufzend und massiere mir sanft den Nacken. Gott, was habe ich für schmerzen... Ich muss mir später auf alle Fälle einen Bad einlassen und meine Muskeln entspannen. Ich greife noch nach einem Taschentuch, um mir auf den Weg nach draußen die Nase zu putzen, da ich den Schnodder einfach nicht loswerde. Ich habe das Gefühl, dass meine Nase sich irgendwie an mir rächen will und das kann sie nur, wenn ich weine, denn dann sammelt sich da so viel Popel an, dass man glatt Angst bekommen müsste, wenn ich in jemandes Nähe niesen muss. Doch da ich wirklich selten weine, kann sie sich nicht oft an mir rächen.

Was auch immer sie überhaupt für ein Problem mit mir...-

„Wieso habe ich nur so einen Dachschaden?", murmle ich seufzend und öffne die Haustür, ehe ich die Villa verlasse. Die kühle Luft schlägt mir ins Gesicht und lässt mich zittrig ausatmen, während ich die Arme vor der Brust verschränke.

Ich setze mich auf die Stufen und beobachte die Natur. Der Wind pfeift mir in den Ohren und schlägt die Eichen auf der anderen Seite des Flusses. Einzig ein kleines Licht lässt mich nicht ganz im dunklen stehen.

Mein Blick fällt am Rand des Grundstücks weiter zurück am Rand des Abgrunds. Von hier sieht es aus wie eine Klippe. Kaum zu glauben, dass Danny mich dort wirklich runtergeschubst hat. Was ist, wenn er mich nicht rechtzeitig erwischt hätte? Wenn ich meine Hände in dem Moment nicht hoch gestreckt, sondern zurückfallen lassen hätte?

Dann wäre ich nicht nur gefallen sondern auch sicherlich gestorben.

Tief durchatmend erhebe ich mich und nähere mich meiner größten Angst. Ich beiße mir auf die Unterlippe, während der Wind mal wieder mit meinen Haaren spielt und sie mir ins Gesicht schleudert. Ich streiche sie mir hinter die Ohren und setze einen Schritt nach dem anderen vor mir.

Das Wasser schlägt mal wieder recht aggressiv gegen den Felsen und beschert mir eine eisige Gänsehaut, sodass ich mir über die Arme reiben muss. Mir wird kalt bei dem Gedanken, dass mein Körper vor wenigen Stunden dort unten hätte sein können. Wahrscheinlich sind tief verborgen auch noch Steine, an denen ich mich schrecklich verletzt und letztendlich gestorben wäre. Vielleicht hätte ich überlebt, aber dann würde ich mein Leben sicher nicht mehr so weiterführen können wie jetzt. Nein, dann würde ich im Rollstuhl sitzen oder aber so stark den Kopf verletzen, dass ich nicht mehr wiederzukennen wäre.

Agonía SilenciosaWhere stories live. Discover now