»47« Die Prüfung

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𝕃 𝔸 ℝ 𝔸

Ich habe Angst.

Große, brennende Angst, die mich zu verschlingen droht. Genau jetzt, wo jeden Moment mein Name aufgerufen werden kann. Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn, mein Herz rast vor Aufregung, ich bin unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, stehe wie unter Strom und habe das Gefühl alles Gelernte wieder zu vergessen. Was war nochmal der Single Whip? Wie setze ich es um? Und was war nochmal der Right heel kick? Verdammt, verdammt, verdammt! Mit jedem weiteren Gedanken nimmt die Angst zu versagen zu. Ich werde völlig die Nerven verlieren! Genau dann, wenn ich vor meinem Gegner stehe. Ich werde Blut und Wasser schwitzen und ich werde verlieren.

Jemand geht vor mir in die Hocke und reißt mich aus meinen Gedanken der Panik.

Sobald ich es wage aufzusehen, erstarre ich.

Danny.

Seine große, aufrechte Figur wirkt bedrohlich und wirft einen Schatten auf mich, obwohl er sich hingehockt hat um mit mir auf Augenhöhe zu sein. Seine kalten, distanzierten giftgrünen Augen zeigen keine Emotionen, blinzeln nicht einmal. Er sagt nichts und ich tue ebenso nichts, als ihn still anzustarren. Dunkle Schatten befinden sich unter seinen Augen, sein Gesicht wirkt müde und dadurch umso härter, wenn er die Augenbrauen zusammenzieht - wie jetzt gerade.

Mein Herzschlag beruhigt sich, meine Atmung reguliert sich, die Bauchschmerzen finden ein Ende und so unglaublich warm ist mir plötzlich auch nicht mehr. Er ist ruhig und diese Ruhe färbt auf mich ab. Danny sieht von meinen Augen zu meiner Nase, zu meinen Lippen und bleibt an meinem Hals stehen, betrachtet seine Kette, die er Aurela und mir gekauft hat. Ich zucke zusammen, als ich plötzlich seine Finger an meinem Handgelenk spüre. Verwirrte folge ich seinem Blick und blinzle perplex.

Er legt mir ein Armband um, sieht mir ein letztes Mal in die Augen und steht sodann auf, ehe er wortlos wieder geht.

Konfus sehe ich ihm nach, bis er aus meinem Blickfeld verschwindet. Dann sehe ich wieder auf das Armband. Sein Armband! Ich bin mir sicher, dass es seins ist. Er trägt ein silbernes Armband von Armani gleich über seine Uhr und dieses hier trug er dazwischen, da bin ich mir sicher! Alle Trainer tragen es. Das hat mir doch Susi einmal erzählt... Oder?

Es ist das chinesische Armband, bestehend aus edlem Sterling-Silber, schimmernd polierter Jade und tiefschwarzem Obsidian. Und die sechs glücksbringende chinesische Schriftzeichen aus Sterling-Silber verleihen diesem Armband seinen besonderen, geheimnisvollen Charme. Sie stehen für Glück - Fu -, Erfolg - Lu -, langes Leben - Shou -, Ruhe - An -, Gesundheit - Kang -, und Friede und Harmonie - Ning -. Die Farben der sechs Steinglieder sind genauso bedacht kombiniert, wie auch im Taiji Symbol symbolisieren Schwarz und Weiss die Harmonie von Himmel und Erde. Und die Zahl Sechs - Liu - ist in China eine Glückszahl! Sie bedeutet problemloses Gelingen. Natürlich ist es seins und irgendwo habe ich auch davon gehört! Entweder von Susi oder vielleicht im Unterricht, als unser Lehrer davon erzählte.

Und er hat es mir gegeben...

Er wünscht dir nicht nur Glück, er gibt dir seines gleich mit...

Zittrig atme ich aus. Eine tiefe Trauer macht sich in mir breit. Ich wünschte, ich könnte ihn umarmen und in seinen Armen versinken, mich dort verstecken. Ich wünschte, es wäre alles nicht so schwer und dass ich einfach die Augen schließen könnte, einfach alles vergessen könnte.

Oh Gott, füllen sich meine Augen gerade mit Tränen?

Jetzt reiß dich mal zusammen!

„Lara Marino - bitte trete vor!", ertönt es plötzlich aus der Sprechanlage und sorgt für einen kompletten Herzstillstand. Oh, mein Gott! Oh nein! Wieso so schnell? Ich bin noch nicht bereit! Ich bin noch nicht bereit!

Agonía SilenciosaWhere stories live. Discover now