»2« Der koreanische Inder

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Nach etlichen Stunden Flug, einen schmerzenden Nacken und Augenringe bis zum Mond und wieder zurück, verlasse ich endlich den Flughafen und stöhne leise auf, da es kein bisschen kühler hier draußen ist. Zu meinem Pech hat sich scheinbar auch der Fahrer der Tōshi Gakkō wohl verspätet. Seufzend sehe ich auf meine Armbanduhr; 17:15 Uhr. Müde, schwitzend und schlecht gelaunt lasse ich mich auf den Boden nieder, stelle meinen Kaffeebecher vor die Beine und lehne den Kopf an die Wand. Leise summe ich eine Melodie und warte, schließe die Augen, da die Sonne mich blendet. Was für Idioten ... Lassen mich hier warten.

Ich höre die Stimme einer Mutter, die ihre Tochter rumkommandiert, welche wohl die ganze Zeit nörgelt. „Du bleibst jetzt hier stehen!", sagt sie zu ihrer Tochter und hört sich viel zu nah an. „Aber Mom, hier sitzt ein Penner!", erwidert das Mädchen und ich öffne augenblicklich die Augen. „Sophie!", schimpft ihre Mutter, als ihr Blick auf mich fällt. Das heben meiner Braue verunsichert sie.

„Entschuldigung", sagt sie in meine Richtung, greift seufzend nach der Hand ihrer Tochter und zieht sie weg. Ich schüttle den Kopf und möchte gerade nach vorne sehen, als mein Blick auf einen Mann hängen bleibt, der gerade eine Münze in mein Kaffeebecher fallen lässt. Er schenkt mir ein Lächeln, während ich fassungslos in sein Gesicht sehe. Sobald er geht, erwache ich aus meiner Trance und stehe fluchend auf.

Nur weil ich eine kleine Pause gebraucht habe, heißt es nicht, dass ich ein Penner bin!

Ein hupendes Auto lässt mich zusammenzuckend herumfahren, sodass mir mein Kaffeebecher aus den Händen fällt. Den hätte ich noch trinken können! Murrend sehe ich auf den Fahrer, der das Fenster runterkurbelt und mich aus großen Augen betrachtet.

„Du wollen Tōshi Gakkō?", fragt er und ich werfe die Arme in die Luft.

„Da sind Sie ja endlich!", erwidere ich und öffne die Autotür. Der junge Mann sieht mich entschuldigend an.

„Viel Autos auf Straße", erklärt er, doch ich winke ab. Man sieht ihm bereits an wie sehr er unter Stress steht. Die beinahe pechschwarzen Haare fallen ihm etwas verschwitzt auf die Stirn und am Nacken glänzen die Schweißperlen. Er ist relativ jung, vielleicht Ende zwanzig.

„Jetzt sind Sie ja da", entgegne ich. Stöhnend lehne ich meinen verschwitzen Rücken an den kühlen Ledersitz. Das habe ich gebraucht. Aber ein kaltes Getränk wäre jetzt auch unglaublich. Stirnrunzelnd sehe ich mich in der Luxuskarre um, während der Fahrer meinen Koffer im Kofferraum verstaut.

„Haben Sie hier was zu trinken? Wasser oder so? Hauptsache kalt eigentlich", frage ich, sobald er wieder einsteigt und er nickt hastig, bevor er einen Arm nach hinten streckt, dabei jedoch - Gott sei Dank - auf die Straße sieht. Das Lenkrad wackelt gefährlich, doch schnell greift er nach der kalten Wasserflasche und drückt sie mir in die Hand, bevor er das Lenkrad fester umgreift.

Bevor ich hier noch sterbe, nur weil ich etwas zu trinken haben wollte...

Ich seufze laut als ich einen großen Schluck nehme und das kalte Wasser in Berührung mit meiner trockenen Kehle kommt.

„Schmecken?", fragt der Fahrer höflich und ich grinse.

„Jap, schmecken mir sehr", antworte ich und lehne den Kopf zurück.

„Sind Sie Koreaner?", frage ich ihn, während meine Augen ihn bereits betrachten. Der Fahrer lacht, schüttelt jedoch den Kopf.

Agonía SilenciosaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt