Einundzwanzig

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„Was darf ich dann? Ich kann nicht tanzen und nicht trinken, aber rumsitzen und nichts tun will ich nicht", meckerte ich, Aydan trank bloß und sah mich unbeeindruckt an.

„Du kannst gerne Tanzen", sagte Aydan und lehnte sich zu mir runter, „nur für mich".

„Vergiss es!", zischte ich ihn an und schubste ihn weg, was mich hinterher zog, seine Hände hielten mich an meinen Schultern fest, damit ich uns nicht noch auf den Boden riss.

„Na schön", lachte er und bewegte seinen Kopf mit Schwung, um seine Haare aus seinem Gesicht zu machen. „Gib mir die Flasche hinter dir und nach dem Drink, können wir tanzen", meinte er und legte seinen Daumen an Mundwinkel.

„Habe ich da tanzen gehört?", Alex kam mit Sam unter seinem Arm durch die Küchentür und schlug Aydan auf die Schulter als sie bei uns standen.

„Ja, aber nur wenn der feine Herr hier angetrunken ist", seufzte ich und drückte Aydan die Flasche in die Hand, die er haben wollte. Er grinste mich an und kippte sich etwas ein.

„Anders bekommt man diesen Typen auch nicht von der Couch weg", seufzte Alex. Sein Blick schweifte durch den Raum und seine Miene veränderte sich schlagartig, „Oh oh".

„Claire, kann ich kurz mit dir reden? Allein?", ich drehte mich zu der Person, die Alex ansah und Kim stand etwas angespannt im Türrahmen.

„Geht schlecht", meinte ich und hob meine Hand, Sam kicherte und nahm sich wie Aydan noch einen Becher.

Sam flüsterte, „Das könnte noch lustig werden", was Aydan mit einem Nicken bestätigte. Kim hatte ihre Augen aufgerissen und kam um die Theke herum, ihr Blick auf die Handschellen gerichtet.

Als sie sich etwas gefangen hatte sah sie mich an, dann verdunkelte sich ihre Miene als sie zu Aydan rüber sah.

„Was habt ihr gemacht? Wozu zwingt ihr sie?", fing Kim an, doch ich legte meine freie Hand auf ihre Schulter und zog sie etwas von Aydan weg.

„Sie zwingen mich zu nichts, Kim. Wir haben Wahrheit oder Pflicht gespielt", versuchte ich zu erklären, doch nuschelte Aydan ein ‚mehr oder weniger' in seinen Becher, was Kim zum Rasen brachte.

„Du, Cousin, kannst jetzt wirklich ruhig sein!", meckerte sie Aydan an, der sie bloß angrinste.

„Du, Cousine, kannst der Kleinen auch ein bisschen mehr Freiraum gönnen", meinte dieser entspannt und trank den Rest seines Drinks in einem Schwung.

„Seit wann kannst du über Freiraum urteilen? Dir werden doch nie irgendwelche grenzen gesetzt", zischte Kim und funkelte Aydan böse an. Er atmete belustigt aus und nahm Kims Handgelenk, als sie mit einem Finger auf ihn zeigte.

„Du weißt nicht, was für Grenzen für mich gesetzt sind, das heißt aber noch lange nicht, dass ich keine habe", Aydan blieb ruhig, mein Blick ging hinter ihn zu Alex und Sam, die mich genauso verwirrt ansahen wie ich mich fühlte. „Also, Königin, komm von deinem hohen Ross runter und guck dir an was du mit deinen Worten für Leid zufügen kannst".

„Was ich für Leid zufüge?", fragte Kim ungläubig, „Hast du dich schon einmal reden hören? Bekommst du überhaupt mit was du anderen mit Taten antust?".

„Wovon redest du bitte? Ich habe noch nie jemanden ohne Grund verletzt", meinte Aydan verwirrt und schüttele seinen Kopf, als würde er sich wirklich nicht an keine gerechtfertigte Verletzung erinnern.

„Ach wirklich nicht", schrie Kim, „Was war, als du mir meine Freundin ausgespannt hast?".

Aydan zog seine Augenbrauen zusammen, „Deswegen bist du immer noch sauer? Ich kann doch nichts dafür, dass Hannah sich nicht sicher war auf was sie steht. Außerdem, du bist doch jetzt mit Shawn zusammen, also solltest du nicht so langsam darüber hinweg sein?".

Kim schnaufte, schloss ihre Augen und kurz bevor sie ihren Mund wieder öffnete meinte ich laut, „Ich denke, das sollten wir später klären, wer hier wen warum ausgespannt hat. Wir beruhigen uns jetzt".

Aydan guckte zu mir herüber und musterte mein Gesicht, als würde er eine Antwort finden auf eine ungefragte Frage.

Kim knirschte mit den Zähnen und nickte, ehe sie abzog.

„Hat sie dir davon erzählt?", fragte Alex und stellte sich neben Aydan.

Ich schüttelte meinen Kopf, „Nein. Sie hat mir so einiges nicht erzählt".

Kim hat mich angelogen, nein, sie hat mir etwas Wichtiges aus ihrem Leben verschwiegen. Niemals, wirklich nie im Leben hätte ich sie für ihre Sexualität oder sonst noch etwas verurteilt, das tue ich jetzt noch immer nicht. Wieso aber hatte sie mir nie von ihrer Freundin erzählt? Vertraute sie mir wirklich so wenig? Ich würde wohl noch einmal in Ruhe mit ihr reden müssen.

„Aydan meintest du nicht, du würdest nach dem Drink tanzen?", Alex klopfte seinem Freund auf die Schulter, der mich mit etwas wie Besorgnis musterte. „Claire sieht auch aus, als bräuchte sie eine Ablenkung".

Alex schlug sachte auf meine Schulter, Aydan nahm mein Handgelenk und lächelte mich an, versuchte es jedenfalls, weshalb ich ihnen ins Wohnzimmer folgte.

Aydans Daumen strich sanft über meinen Handrücken, als er mich etwas zu sich zog, während die anderen beiden sich unter die Leute mischten.

„Geht es dir nicht gut?", fragte Aydan und versuchte mich zur Couch zu ziehen, doch zog ich an seiner Hand.

„Mir geht es super", meinte ich und zwang mir ein Lächeln auf. Ich würde später über Kim und alles andere Nachdenken, „Ich will tanzen".

Damit zog ich ihn auf die Tanzfläche und für einen kurzen Moment sah ich über meine Schulter zu Aydan herüber und lächelte ihn wirklich an. Er grinste und schüttelte seinen Kopf.

Die Musik dröhnte und der Bass ließ den Boden beben. Es dauerte nicht lange bis ich mich zum Rhythmus der Musik bewegen konnte, auch Aydan schien etwas locker zu werden und tanzte mit ein paar der Mädchen, die sich an ihn ranmachten. Ihn, noch die Mädchen, schien die Handschellen, die ihn an mir banden, zu stören.

Ich schmunzelte und schloss meine Augen, um vollkommen loszulassen. Mein Leben fühlte sich an wie ein Film und ich genoss es in vollen Zügen. Aufatmend ließ ich mich, so gut es ging, in der Menge treiben, bewegte mich zur Musik, ließ vom Stress der Schule, der Gedanken ab, die mir durch den Kopf huschten.

Das Lied wechselte gerade und ein Mädchen lächelte mich an, ehe sie an mir vorbei ging. Im nächsten Moment spürte ich zwei Hände an meiner Taille. Kurz dachte ich, die Person würde gleich weiter gehen, würde sich nur festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, bei den vielen Menschen, die dicht aneinander standen nichts Undenkbares. Als ich aber den Atem auf meiner Schulter spürte war mir klar, dass die Person nicht weiter gehen würde.

„Was macht so ein hübsches Mädchen wie du hier allein?", die Stimme des Jungen hinter mir tief und kratzig. Seine Stimme fast nur ein einziges Knurren ließ einen Schauder über meinen Rücken fahren. Sein Gesicht immer noch dicht neben meinem Ohr, gesenkt zu meinem Hals.

"Kenn ich dich?", fragte ich scharf und legte eine Hand auf seine. Meine Worte lösten bloß ein tiefes Kichern aus, fast als würde er schnurren wie eine Katze, so als würde er sich über mich lustig machen.

"Du kannst michkennenlernen", meinte er leise in mein Ohr, drückte sich noch enger anmich. Ich schob seine Hände von mir und drehte mich um. Sein Mund war zu einemGrinsen gezogen, als er sagte, "Ich will meiner Heldin doch nurdanken".

Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken und ich schaute ihn mit geweiteten Augen an.

Ich wusste wer er war, nicht seinen Namen, aber sein Gesicht. Er war es, der unter Sams Auto gelegen hatte. Er war es, der weggelaufen ist, als er die Chance hatte, nicht so wie ich. Ich war auch noch extra dortgeblieben.

An diesem Tag war ich stolz, dass ich jemanden geholfen hatte, jedoch hatte ich auch Angst - Angst vor Aydan und den anderen drei.

Aber jetzt, wo der Junge vor mir stand, ich bereute es nicht, dass ich ihm geholfen hatte, aber die Wut auf Aydan, dass er einem Unschuldigen wehgetan hat, verflog. Dazu kam, dass ich jetzt wusste, dass er nicht unschuldig war und ich wusste was er getan hatte. Jetzt hatte ich Angst vor dem, den ich gerettet hatte.

„Hände weg von ihr, Ryder!"

Secrets | Aydan Oiama |slow updateWhere stories live. Discover now