Verletzlichkeit (Mat POV)

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Mat (POV)

Wir schweigen uns eine Weile an und schweben in unseren eigenen Gedanken. "Hassen die anderen mich?", fragt sie verletzt. Sie macht sich ernsthaft Gedanken um die anderen? "Nein.", sage ich wenig überzeugend. "Naja, Milo ist vielleicht nicht gerade begeistert von dir, aber die anderen sind relativ neutral." Das klingt so kläglich. Sie nickt, als wenn sie die Wahrheit kennen würde. "Ich glaube, ich sollte dich jetzt besser in Ruhe lassen und trainieren gehen.", sie lächelt matt und greift nach ihrer Tasche. "Julie", sage ich, als sie die Tür öffnet. Sie dreht ihren Kopf hoffnungsvoll in meine Richtung und ich tue etwas absolut dummes. 

Ich lege meine Hand an ihren Kopf und ziehe sie zu mir. Ich lege meine Lippen auf die ihren und sie gewährt meiner Zunge einlass. Wir küssen uns intensiv, aber nicht leidenschaftlich. Der Kuss ist voller Verletzlichkeit und Sehnsucht und ich merke erst jetzt, wie sehr mir das gefehlt hat. Als wir uns loslassen, läuft ihr eine Träne über die Wange, die ich mit meinem Zeigefinger abfange. Sie schaut mich nicht an, sondern runter und diese demütige Haltung macht mich fertig. Ich lege zwei Finger unter ihr Kinn und schiebe es hoch, sodass sie mir in die Augen schaut. "Was sollen wir nur machen?", frage ich sie verzweifelt. "Ich weiß es nicht.", flüstert sie. 

Dann steigt sie aus und lässt mich mit meinem Gefühlschaos allein. Das Boxen wird ihr gut tun und ich sollte mich zu Hause auch ohne Umwege in den Keller begeben. Immer wieder schaue ich auf den Beifahrersitz, wo sie eben noch saß. Ihre offenen, ängstlichen Augen, ihre Schuldgefühle, ihre wunderschönen Lippen... Bin ich überhaupt noch sauer auf sie?

Nein, das bin ich nicht. Aber ich bin verletzt und weiß nicht, wie ich ihr jemals wieder vertrauen soll. Es fiel mir ohnehin schon schwer, weil ich ein besitzergreifendes Arschloch bin, aber dass sie mein Vertrauen wirklich ausgenutzt hat - aus welchem Grund auch immer - lässt mich nicht los. Ich habe ihr vertraut, sie allein im Haus rumlaufen lassen und sie immer wieder ein Stück mehr in unser Leben eingeweiht. Sie hat mir immer zugehört, mich ausreden lassen und so viele Fragen gestellt. Meistens war sie einfach nur besorgt, mir könnte etwas passieren, doch ich konnte genau erkennen, dass sie es ebenso aufregend fand. Nach der Sache im Club war ich fest davon überzeugt, dass sie das alles bloß gespielt hat, doch von Tag zu Tag wurde ich immer unsicherer deswegen. Gerade hat sie es geschafft, diesen Zweifel endgültig verschwinden zu lassen.

Nachdem ich zu Hause eine Stunde trainiert und überlegt habe, ob ich den Schritt wirklich gehen soll, gehe ich schnurstracks auf mein Handy zu und tippe auf den Chat mit Julie. Ironischerweise war ihre letzte Nachricht an mich, dass sie mir niemals Ärger machen würde, nachdem ich schrieb, sie solle heute Abend auf sich aufpassen und keinen Quatsch machen. Ich schüttle den Kopf. Das soll mich nicht davon abbringen, ihr nun zu schreiben. Ich frage sie, ob ich sie abholen soll und ob sie vielleicht bei mir schlafen möchte. Das ist ein verdammt großer Schritt, aber ich muss das tun. Seit dem wir uns geküsst haben, fühle ich mich noch mehr wie auf Entzug. 

Ich möchte wissen, wie es sich anfühlt, wenn sie nach all dem neben mir liegt. Ob ihre Berührungen immer noch auf meiner Haut brennen und ob ich Glück empfinde, wenn sie ihren Kopf an meine Halsbeuge schmiegt. Zum Glück sind die anderen heute nicht da, sondern bei Killian zum Fußball gucken und feiern. Parker konnte sich schon denken, wieso ich das absage und hat mich vielsagend angegrinst. So ein Arschloch. 

Als ich aus der Dusche steige, leuchtet mein Handy auf. Ich habe eine neue Nachricht von Julie, in der sie einwilligt. Sofort mache ich mich auf den Weg. 

Angespannt sitzen wir im Auto auf dem Weg zu mir. Wir sind beide nervös und wollen nichts falsches sagen. "Danke.", sagt sie irgendwann. "Wofür?", frage ich. "Dass du das hier machst." Ich nicke und schaue dabei auf die Straße. "Es ist bloß ein Versuch.", stelle ich klar. Doch wem will ich eigentlich etwas vormachen?

Als wir bei mir sind gebe ich ihr eine Boxershorts und ein T-Shirt. Sie nimmt die Sachen dankend an und überlegt kurz, ob sie sich vor mir umziehen soll oder im Badezimmer. Wir fangen wirklich komplett von vorne an. "Julie, ich habe dich schon nackt gesehen.", schmunzle ich und sie wird rot. "Ich weiß, aber..." doch mehr fällt ihr nicht ein. Dann zieht sie vorsichtig ihren Pullover aus. Sie trägt einen roten BH, der neu sein muss. Er pusht ihre Brüste ein wenig und das sieht verdammt heiß aus. Sie erregt mich auf jeden Fall immer noch, doch ich muss mich zusammen reißen. Schnell zieht sie sich mein Shirt über den Kopf und zieht dann ihre Hose aus. Ich muss aufhören sie zu beobachten, bevor ich die Kontrolle verliere, und schaue deshalb auf mein Handy. 

Sie kommt langsam zu mir und setzt sich aufs Bett. "Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.", gibt sie zu. "Ich würde mir wünschen, dass du dich einfach ganz normal verhältst.", sage ich ruhig. "Also kann ich mich an dich kuscheln?", fragt sie und ich nicke. Ich öffne die Arme und sie legt sich hinein. Ich habe keine Worte dafür, wie schön es sich anfühlt, ihre Wärme zu spüren. Ihre weiche Haut und ihr Shampoo Vanille Geruch haben mir gefehlt. Ich ziehe sie an mich und wir liegen eine Weile einfach so da. Ihr Atem wird von Minuten zu Minute ruhiger und ihr Puls verlangsamt sich. Ich streiche ihr vorsichtig eine Strähne aus dem Gesicht und sie lächelt kurz auf. Mir war vor dem ganzen gar nicht bewusst, wie zärtlich wir eigentlich miteinander umgehen. Dieses freche Ding, dass mit ihren Freunden kifft und gegen etliche Schulregeln verstößt, liegt schutzuschend in meinem Arm und genießt meine Berührungen. Während ich, der Ganganführer, nichts lieber möchte, als ihre liebevolle Art zu spüren und jede Stelle ihres Körpers zu küssen. Ich will ihr Beschützer sein, bei dem sie einfach sie selbst ist und dem sie blind vertraut - doch dafür muss auch ich ihr vertrauen können.  

Als sie ihren Arm leicht hebt und unter ihren Kopf schieben will, berührt sie meine Erregung versehentlich. Sie zieht die Luft scharf ein und ich muss schmunzeln. Was soll ich sagen? Ich habe seit einer Ewigkeit nicht mehr mit einer Frau geschlafen. Wir sind nie so weit gekommen und auch als wir keinen Kontakt hatten, wollte ich keine andere. Ihre Brüste, die gegen meinen Oberkörper drücken, sind da keine große Hilfe. Sie versucht die Situation zu überspielen, doch dann müssen wir beide lachen. Sie vergräbt ihren Kopf in meinem Arm und ich ziehe sie zu mir hoch. Ich kann gar nicht aufhören zu grinsen. Wie konnte ich darauf nur so lange verzichten? 

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt