Danke

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Nervös sehe ich auf meine Uhr. Es ist Freitagabend, 21 Uhr und jeden Moment könnten die sechs Typen wieder aufkreuzen. Hinter mir ertönt ein kurzes Klingeln und ich bringe die nächste Bestellung an den Tisch. Die Woche über hatte ich bereits zweimal hier gearbeitet und fühlte mich wesentlich schneller wohl, als ich dachte. Die Chefin Sabine wurde immer netter zu mir und Bruno war schon wie ein Freund für mich. "Hast du den neuen Kinofilm schon gesehen?", fragt er mich und zeigt mir die Werbung, die in unserem Diner ausliegt. "Nein, du?", frage ich. "Nein, aber ich würde gerne. Hast du Lust morgen mit mir dahinzugehen? Ich würde ja meine Freunde fragen, aber die finden, das ist ein Weiberfilm.", sagt er und betont das letzte Wort extra. Ich lache. "Bruno, das IST ein Mädchenfilm, aber das ist schon in Ordnung. Ich würde mich freuen, wenn wir morgen ins Kino gehen. Aber nur freundschaftlich, oder?", vergewissere ich mich. Ich mag Bruno sehr, aber er ist viel älter als ich und Zeit für einen Freund habe ich sowieso nicht. "Na klar! Ich bin so gut wie vergeben.", lächelt er mich an und erzählt mir, dass er sich seit einiger Zeit mit einem Mädchen trifft, dass er hier kennengelernt hat. "Also vielleicht triffst du ja hier auch deinen Zukünftigen.", sagt er und grinst mich an. In dem Moment öffnet sich die Tür zum Diner und ich weiß genau, wer den Laden betritt. 

Ich warte, bis sie sich hingesetzt haben und gebe die Bestellung durch. Ich habe sie mir zwar auf einen Zettel geschrieben und hinter meiner Hülle versteckt, doch seit dem kriege ich sie nicht mehr aus dem Kopf. Ehrlich, ich träume sogar davon. 

Ich bringe als erstes die Getränke an den Tisch und mit jedem Schritt rast mein Herz mehr. "Hey.", sage ich leise und hoffe, dass sie mich einfach ignorieren. "Da ist sie ja.", lächelt mich einer von ihnen an. "Schnauze, Milo.", herrscht Mat ihn an. "Du hast es dir also gemerkt. Schauen wir mal, was hier gleich noch so am Tisch ankommt.", sagt er und sieht mir tief in die Augen. Seine blonden Haare sind verwuschelt und diesmal trägt keiner von ihnen eine Cap. Ob sie sich da jedes Mal absprechen? Ich schüttle den Gedanken ab und merke, dass ich immer noch vor ihnen am Tisch stehe. Schnell drehe ich mich um und gehe wieder hinter den Tresen. "Kommst du mit diesen Kerlen zurecht?", fragt Bruno mich leise. "Ja, es geht schon.", sage ich. 

Als ich den letzten Burger abstelle, bemerke ich, wie dieser Milo mir in den Ausschnitt glotzt. Ich würde am liebsten etwas sagen, lasse es dann aber doch. Er grinst, als er merkt, dass ich seine Blicke bemerkt habe. Ekliger Typ. "Julie.", sagt Mat, als ich mich umdrehe. Warum kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen und seinen doofen Double Cheese Burger essen? "Ja?", sage ich und drehe mich um. "Wie war die Party?" Die anderen lachen und ich verstehe nicht, was daran so witzig sein soll. "Gut.", antworte ich und will mich gerade wieder umdrehen. "Du hast dich gar nicht bei uns bedankt.", sagt er schließlich. Wofür denn bedankt? Dass sie mir einen Schrecken eingejagt haben und ich dachte, sie würden mich gleich umbringen? "Danke?", frage ich mehr, als ich es sage. "Das nächste Mal solltest du dich direkt bedanken, wir sind nicht immer so nett.", sagt er und beißt in seinen Burger. "Es wird kein nächstes Mal geben.", flüstere ich, als ich mich von ihrem Tisch entferne. 

Die Freitagsschicht ist mit Abstand die härteste und innerhalb von einer Stunde hat sich der Laden komplett gefüllt. Ich zapfe gerade drei Bier, als sich ein dunkel gekleideter Mann an den Tresen setzt. "Ein Bier, bitte.", sagt er. "Kommt sofort.", bestätige ich seine Bestellung, ohne mich umzudrehen. Ich zapfe noch eines extra und in einer schwungvollen Drehung stelle ich es auf dem Tresen ab. Ich lächle ihm zu und will mich gerade wieder umdrehen, da packt er mein Handgelenk und zieht mich über den Tresen zu sich. "Du bleibst schön hier.", flüstert er mir zu. Sein Atem riecht nach Tabak und Frittenfett, es ist widerlich. "Lass mich los." Doch anstatt mich loszulassen, fängt er an zu lachen. "Julie, wir haben ein Problem.", beginnt er und packt mein Handgelenk noch fester. "Ich war auf der Suche nach deinem Bruder, als ich erfuhr, dass dieser kleine Wichser sich einfach aus dem Staub gemacht hat." Mit großen Augen sehe ich ihn an. Wer zur Hölle ist das und was will er von meinem Bruder? Ich versuche mich aus seinem Griff zu lösen, doch da packt er mich unsanft am Nacken. Wieso bemerkt das niemand?! 

"Etienne schuldet mit 10.000€ - und das bis gestern. Leider habe ich vergeblich auf ihn gewartet, was mich ganz schön sauer macht.", zischt er. "Ich bin mir sicher, dass du weißt, wo er ist, deswegen überbring ihm doch bitte eine Nachricht von mir." In dem Moment packt er fester zu und ein stechener Schmerz durchflutet meinen ganzen Körper. Er kneift direkt in einen Nerv, der anfängt zu brennen. Es fühlt sich unerträglich an und ich wimmere, dass er aufhören soll. 

Ind em Moment packt ihn jemand von hinten und reißt ihn von mir los. Ich fasse mir automatisch an den Nacken, mache einen Schritt nach hinten, um Abstand zu gewinnen und knalle gegen die drei Biere hinter mir. Ein lautes Scheppern ist zu hören, als Mat dem Typen in die Magengrube haut. Alle drehen sich zu uns um. Mat bemerkt die Blicke und lässt von dem Typen ab. Milo und einer der anderen greifen unter seine Arme und zerren ihn aus dem Diner. Sie schmeißen ihn regelrecht raus und Mat schaut mich schweratmend an. Ich schaue hin und her zwischen Tür und ihm. Ich zittere am ganzen Körper und das Bier läuft an mir herunter. "Danke.", sage ich und er nickt mir zu. Dann setzt er sich mit den anderen wieder an den Tisch, als wäre nichts gewesen. 

Sabine kommt aus ihrem Büro und ich erkläre ihr, dass mich ein Betrunkener belästigt hat und ein Kunde die Situation bemerkt hat. Ich kann ihr ja schlecht erklären, was mit meinem Bruder ist und dass dieser Typ genau wegen diesem hier im Diner Ärger provoziert hat. Sie schaut zwar kritisch, geht dann aber doch wieder zurück ins Büro. "Sieh zu, dass du das wieder sauber machst und die drei Bier servierst. Dann kannst du nach Hause und dich umziehen.", sind ihre letzten Worte. 

Während ich die Scherben aufsammle und das Bier wegwische, beobachtet Mat mich immer wieder. 




Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Where stories live. Discover now