Rückfahrt

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Der letzte Morgen, das letzte Frühstück und das letzte Mal aufräumen sind viel zu schnell vergangen. Ich wünschte, wir müssten hier nicht weg und könnten genau so weitermachen, wie in den vergangenen 36 Stunden. "Hast du alles?", fragt Mat und ich sehe mich nach meinen beiden Taschen um. "Ja.", stelle ich fest und wir verlassen die Wohnung. "Wie oft kommst du hier her?", frage ich, während wir die Sachen im Kofferraum verstauen. "Das war das erste Mal.", gesteht er.

Sein Telefon klingelt zum dritten Mal. Ob sein Alltag immer so voll von Telefonaten und Nachrichten ist? "Willst du nicht rangehen?", frage ich. "Nein.", ist alles, was er antwortet. "Weil ich das Gespräch nicht hören soll?", frage ich und er nickt. Na wenigstens ist er ehrlich. „Dann halte doch da vorne kurz an. Es scheint jedenfalls wichtig zu sein. Wenn es unbedingt sein muss, kann ich auch aussteigen." Er sieht mich prüfend an. "Okay... Aber ich steige aus."

Er telefoniert seit zehn Minuten mit jemandem und sein Gesichtsausdruck lässt nichts gutes verheißen. Ich beschließe auch meine Nachrichten zu checken und schreibe Steph kurz eine Nachricht. "Wem schreibst du?", fragt er als ich mein Handy gerade wieder sperre. "Steph.", antworte ich. "Ist alles in Ordnung?", frage ich vorsichtig. "Nein, aber das klärt sich später sicher noch." Dann setzen wir die Fahrt fort.

Mat (POV)

Ich habe Julie vor wenigen Minuten abgesetzt und fühle mich jetzt schon wieder wie ein ganz anderer Mensch. Das Wochenende war ein Test. Ich wollte sehen, wie viel Mühe sie sich gibt und wie ich mich fühle, wenn sie bei mir ist. Ich hatte keine Ahnung, wie gut es wirklich laufen würde.

Wie egoistisch ist es ihre Art zu genießen, wenn sie ein schlechtes Gewissen hat? Sie hört auf mich und stellt keine Fragen. Sobald sie weiß, dass ich ihr viel zu verfallen bin, wird sie wieder frech und stur, sie wird mich kurzum wieder in den Wahnsinn treiben. Ich will die Ruhe vor dem Sturm noch ein bisschen genießen...

Ich öffne die Tür und höre bereits sämtliche Stimmen aus der Küche. Milo lugt mit dem Kopf hervor, als er die Haustür hört. "Da ist er ja, der verlorene Hurensohn.", lacht er auf und ich frage mich, wie es dazu gekommen ist, dass ich sowas wie ihn als Freund bezeichne. Sein Auge ist blau-grün unterlaufen und ich lege den Kopf schief. "Was hast du denn gemacht?", frage ich. Er kommt zu mir mit einer Bierflasche in der Hand, gefolgt von Parker und Emre, die mich begrüßen. "Das war Parker.", grinst Emre und prostet ihm zu. Ich schaue von einem zum anderen. "Aha."

"Parker meint, ich soll endlich mal meine Fresse halten.", gesteht Milo. "Scheint nicht funktioniert zu haben.", lache ich trocken auf. Parker nimmt grinsend einen Schluck aus seiner Flasche und insgeheim bin ich im dankbar, Milo endlich mal einen Dämpfer verpasst zu haben. "Nicht allgemein, wegen Julie und so...", murmelt er. Ich nicke einfach, greife nach meiner Tasche und will meine Sachen hochbringen. Ich brauche Parker nicht dafür, mein Liebesleben in Schutz zu nehmen, aber das werde ich ihm ein anderes Mal klarmachen. „Liebst du sie?", fragt er dann und ich versuche abzuschätzen, ob er diese Frage ernst meint. „Sie hat mich hintergangen und ich habe gerade ein Wochenende mit ihr in meiner Wohnung verbracht. Was denkst du?"

Dann gehe ich weiter und als ich ein paar Treppenstufen entfernt bin, höre ich seine Stimme erneut. „Aber warum? Ich kapiere es nicht." Ich schließe kurz die Augen, um mich zu sammeln und drehe mich um. „Ich hab ihr erzählt, dass die Gang über allem steht, dass ich alles für euch tun würde und ihr für mich auch über ihr steht. Tja, und Lenny gehört zu ihrer Gang." nachdenklich nickt er.

Zu gerne würde ich jetzt boxen, schlafen oder ebenfalls ein Bier trinken, doch das geht erst, nachdem ich mir die Zahlen nochmal angesehen habe. Irgendwas stimmt nicht, denn wir haben einen Betrag von 5.000 €, der nirgendwo mehr aufzufinden ist. Ich habe das Geld, was ich Julie gegeben habe, aus meiner eigenen Tasche wieder in die Kasse gelegt, das kann es also nicht sein. Wir haben keine neuen Mitglieder, die man im Auge behalten müsste und auch sonst lief alles seinen gewohnten Gang. Ich muss etwas übersehen, doch ich weiß verdammt nochmal nicht was.

Parker betritt mein Büro. Seine Augen sind glasig und gerötet, die anderen scheinen unten ordentlich zu feiern, während ich hier versuche, unseren scheiß zu klären. So schnell kann die Erholung wieder verschwinden. "Was gibts?", fragt er und stellt sein Bier auf dem Glastisch ab. "Ich komme hier nicht weiter. Schau dir mal die Zahlen an und sag mir, was du davon hälst.", sage ich und mache ihm Platz.

Es vergehen einige Minuten, in denen er auf den Bildschirm starrt. „Die Differenz ist unauffindbar.", stellt er fest. „Jemand muss Geld gestohlen haben." Er spricht das aus, was ich mir auch schon gedacht habe. „Aber wer?", murmle ich vor mich hin. „Sag das nicht den anderen." Verwirrt sehe ich zu Parker rüber. „Warum nicht?"

Er steht von dem Stuhl auf und fährt sich mit der Hand über den Nasenrücken. „Sie werden denken, dass Julie es gestohlen hat." Shit, auf den Gedanken bin ich noch gar nicht gekommen. „Hat sie aber nicht.", verteidige ich sie sofort. „Das weiß ich."

„Achja? Woher willst du das wissen?", blaffe ich ihn an. Er ist zwar nicht der Grund für meine schlechte Laune, aber sein ständiges Verständnis wenn es um Julie geht, nervt mich. „Weil sie nicht dumm ist.", sagt er trocken und geht in Richtung Tür. „Warum verteidigst du sie immer wieder? Haust Milo sogar eine rein? Ich brauche dich nicht, ich kann mich selbst verteidigen."

Er bleibt mit dem Rücken zu mir stehen und kurz ist es still um uns. Dann dreht er sich mit einem Gesichtsausdruck um, den ich noch nie zuvor an ihm gesehen habe.

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Where stories live. Discover now