Boxring

7K 222 5
                                    

Wir gehen schweigend die Treppen hinunter, bis wir im Keller stehen. Ein kleiner Flur von dem drei Türen abgehen. "Dahinter ist unser Fitnessstudio, hier ist ein Umkleideraum und dort ist das Boxstudio.", erklärt er.

Das Boxstudio ist größer, als ich erwartet habe. Es ist ein Raum ohne Fenster, aber eine moderne Klimaanlage ist eingebaut. In der Mitte steht ein Boxring, außen herum liegen Matten, hängen Boxsäcke von der Decke und an den Wänden ist weiteres Zubehör angebracht. Ich sehe mich um, während Mat sein Handy an die Musikbox anschließt. "Es ist viel größer und professioneller, als ich es erwartet habe.", sage ich ehrlich. "Na klar, professionalität und legalität stehen bei uns an oberster Stelle." macht er sich über mich lustig.

Er stellt sich vor mich, hebt meine linke Hand und bandagiert sie ein. "Das ist nicht nötig.", sage ich. Er sieht mich überrascht an. "Doch, das ist es. Ich will nicht, dass du dich verletzt." Was für eine Ironie, nachdem er mir erzählt hat, dass ich morgen vielleicht entführt werde. Nachdem er auch die andere Hand bandagiert hat, gibt er mir die Boxhandschuhe und steigt in den Ring. Er hält die Seile auseinander, sodass auch ich eintreten kann und legt sich die Pratzen an. "Zeig mir, was du bei deinem Bruder gelernt hast."

Erst schlage ich unsicher ein paar Mal drauf, doch mit der Zeit werde ich warm und als Mat Stopp ruft, weiß ich gar nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Es fällt mir schwer mich zu erinnern, worüber ich gerade nachgedacht habe, doch in den letzten Wochen hat sich viel Wut angestaut. "Das tat gut.", stelle ich völlig außer Atem fest. "Das war nicht zu übersehen, Klitschko.", grinst er. "Du hast ein paar gute Schläge, besonders der Uppercut. Aber Boxen allein kann dir nicht immer helfen. Ich will dir etwas zeigen." Wir nehmen die Polster und Boxhandschuhe ab und stehen uns gegenüber. "Stell dich breitbeinig hin.", sagt er und ich fühle mich, als würde ich gleich einen Spagat machen. Er lacht los. "Genau. Weißt du, wie du jemanden, der viel größer und schwerer ist, zu fall bekommst?" Ich schüttle den Kopf. Er zeigt mir, wie ich jemanden oberhalb ablenke, während ich mein Bein zwischen seine Stelle, eine ruckartige Bewegung mache und ihn aus dem Gleichgewicht bringe. Er führt diesen Schritt langsam an mir vor und als er die Bewegung macht, komme ich aus dem Gleichgewicht. Schnell legt er seinen Arm um meine Taille und bremst mich ab. Ich muss laut lachen, weil ich mir so unbeholfen vorkomme und auch er grinst mich an.

Ich liege halb in seinem Arm und sein Kopf ist dicht über meinem. Wir sehen uns tief in die Augen, beide Atmen schwer. Dann lösen wir uns voneinander. "Und jetzt du.", sagt er und stellt sich mir gegenüber. Es dauert eine Weile, doch dann bringe ich ihn zu fall. "Ha.", sage ich, als er am Boden liegt. Er schaut mich frech an und versucht nach meinem Bein zu greifen. Ich renne davon, doch er springt auf und jagd mir hinterher. Es dauert nicht lange, da ist er direkt hinter mir und mit einem Ruck packt er mich und trägt mich zurück in den Ring. "Lass mich los.", lache ich. "Keine Chance.", antwortet er nur.

Er zeigt mir noch ein paar Schläge, mit denen ich jemandem ziemlich weh tun könnte, beispielsweise auf den Kehlkopf. "Hast du das schon mal bei jemandem gemacht? Also so richtig?", frage ich unsicher und neugierig zu gleich. "Ein paar Sachen Schläge schon, ja. Aber meine Gegner leben alle noch.", versucht er zu beschwichtigen. Ich nicke mit einem gequälten Lächeln und er schmunzelt. "Was?", fragt er mich. "Woher kannst du das alles?" Sein Blick wird nachdenklich und kurz habe ich Sorge, dass diese Frage zu persönlich ist. "Ich boxe schon seit meinem 10. Lebensjahr. Einiges aus dem Boxverein, einiges auf der Straße. Milo ist ein sehr guter Boxer, auch er hat mir einiges beigebracht, als wir uns kennengelernt haben." Zu gerne würde ich fragen, wie die beiden sich denn kennengelernt haben, aber erstmal reicht es mit der Fragerei für heute.

Wir sortieren die Sachen zurück in die Vorrichtungen und als ich das Boxstudio verlassen will, legt er seine Hand auf meine Schulter. Fragend drehe ich mich um. "Fühlst du dich besser?", fragt er mit großen Augen. "Ein bisschen.", antworte ich ehrlich. Ich hatte keine Ahnung, wie sehr ich das Boxen vermisste. Ich konnte so viel Wut und Frust herauslassen und hatte nun das Gefühl, durchatmen zu können. Es gab mir Mut, Morgen unbeschadet zu überstehen. "Vertraust du mir?", fragt er und kommt noch einen Schritt näher. "Ja.", antworte ich ehrlich. Wir sehen uns tief in die Augen und mein ganzer Körper reagiert auf seine Nähe. Mein Herz rast, mir wird heiß und mein Magen zieht sich zusammen. Er legt mir eine Hand in den Nacken und kommt vorsichtig mit seinem Kopf näher. Dann presst er seine Lippen auf meine. Erst kurz, doch dann noch einmal und unsere Zungen bahnen sich ihren Weg. Ich lege meine Hand auf seinen Arm und meine andere in seinen Nacken.

Als er von mir ablässt, sieht er mir tief in die Augen. Seine Lippen sind dunkelrot und in seinem Blick liegt die pure Lust. Ich muss knallrote Wangen haben und meine Lippen fühlen sich angeschwollen an. "Ich werde dich morgen beschützen.", haucht er und entfernt sich dann einen Schritt. Er atmet tief ein und wieder aus, um einen klaren Kopf zu kriegen. Ich hingegen schwebe gerade in einer ganz anderen Welt.

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.On viuen les histories. Descobreix ara