Das etwas andere Date

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Ich habe den ganzen Abend mit Bryan geschrieben, bis mir fast die Augen zufielen. Ich warnte ihn vor, dass es sein könnte, dass ich gleich einschlafe und er fragte mich nach einem Date, bevor er keine Antwort mehr erhalten würde. Erst zuckte ich zusammen bei dem Gedanken, mich mit ihm zu treffen, obwohl ich mich gar nicht mehr an ihn erinnere, doch dann hallten Stephs Worte in meinem Kopf nach. "Ablenkung wird dir gut tun." - also willigte ich ein. Wir würden uns kommenden Samstag in einer Bar treffen und etwas trinken gehen - natürlich wesentlich gesitteter als bei unserer ersten Begegnung.

Steph hielt ihr Wort natürlich nicht und ich musste mich alleine auf Jobsuche begegnen. Ich sollte mir selbst eine Notiz als Erinnerung daran schreiben, dass sie solche Versprechen nie einhält. Ich lief nach der Schule also allein durch die Stadt an verschienden Restaurants und Cafés vorbei, doch niemand suchte eine Aushilfe. Als es zusätzlich zu der Dunkelheit und Kälte noch ein Regenschauer kam, gab ich fürs Erste auf. Ich schlenderte die Hauptstraße entlang zu mir nach Hause. Die grellen Lichter der Autos, die alle zum Feierabend aus der Stadt heraus fuhren, leuchteten mir den Weg.

Samstagabend

Ich tanze mich gerade in meine enge, dunkle Jeans hinein, als mein Handy klingelt. "Shit.", murmle ich überfordert und springe in Richtung Schreibtisch. Ich greife mir das Handy und stelle es auf laut. "Hallo?", frage ich schwer atmend. "Du klingst aber fertig.", stellt Steph auf der anderen Seite der Leitung fest. "Ich quetsche mich gerade in meine Jeans. Ich muss in einer halben Stunde los.", erkläre ich. "Schon gut, ich wollte dich auch nicht lange stören. Ich wünsche dir viel Spaß heute Abend und schreib mir, wie es gelaufen ist." Ich grinse das Telefon an, während ich den Reißverschluss hochziehe. "Danke. Ich melde mich bei dir, sobald ich zu Hause bin.", versichere ich ihr und lege wieder auf.

Nachdem ich Kajal und Wimperntusche aufgetragen habe, mache ich mich auf den Weg. Die Bar ist in unserem Viertel und es sind nur wenige Minuten von mir bis dahin. Trotzdem setze ich mir meine Kopfhörer auf und höre meine Lieblingslieder, um mich zu beruhigen. Ich bin ziemlich aufgeregt, was ich sonst nicht von mir kenne. Das hängt alles nur mit dem Abend zusammen, an den ich mich nicht mehr erinnere. Ich meine - hallo? Ich habe anscheinend bereits mit Bryan rumgemacht und weiß rein gar nichts mehr davon. Ich schüttle den Kopf, um meine Gedanken zu vertreiben. Tröstlich ist, dass ich nicht so peinlich betrunken gewesen sein kann, schließlich wollte er mich wiedersehen.

Als ich die Bar betrete, kommt mir der Geruch von altem Fett und Whiskey entgegen. Sie ist klein und ziemlich urig eingerichtet. Das Licht ist gedimmt und ich brauche einen Moment, bis sich meine Augen daran gewöhnt haben. Hier hin lädt Mr. Brown Eyes also zu einem ersten Date ein. Ich sehe mich fragend um, bis ich einen Arm weiter hinten entdecke, der mich zu sich winkt. Und tatsächlich, da in der hintersten Ecke sitzt Bryan und lächelt mich an. "Hey.", sage ich, als ich auf ihn zukomme. Er steht auf und umarmt mich. "Schön, dass es so schnell geklappt hat.", sagt er, während er sich wieder hinsetzt. "Finde ich auch.", antworte ich schüchtern.

"War ein ziemlich verrückter Abend neulich.", grinst er. Ich versuche aus seinem Grinsen herauszufiltern, was wohl passiert sein könnte. "Ja, allerdings.", gluckse ich. Es hat keinen Sinn, ich muss ihm gestehen, dass ich nichts mehr weiß, dieser Abend wird sonst die reinste Katastrophe. "Also...", beginne ich, doch Bryan unterbricht mich. "Du weißt nichts mehr, habe ich recht?" Ich schaue ihn zwei Sekunden stumm an, dann brechen wir in Gelächter aus. Schuldig schüttle ich den Kopf und hebe meine Hände. "Es tut mir so Leid, aber ich habe keinen blassen Schimmer, was passiert ist.", gestehe ich. "Schon okay, ich bin froh, dass du mir trotzdem geantwortet hast.", lacht er. "Ich hoffe nur, ich habe mich nicht blamiert.", murmle ich und starre auf die Getränkekarte vor mir. "Nein, mach dir keine Sorgen.", winkt Bryan ab. "Es war sehr lustig mit dir und wir haben viel getanzt. Ich hätte allerdings wissen müssen, dass du vorher noch nie eine Pille geschluckt hast." Bei seinen Worten verschlucke ich mich und muss laut husten, um wieder Luft zu bekommen. "Pille?", krächze ich. Er sieht mich mit großen Augen an, als hätte er das gar nicht sagen wollen.

"Naja...", sagt er und streicht sich mit der Hand über seinen Nacken. "Du hast meine gesehen und wolltest unbedingt auch eine probieren. Ich wollte dir ehrlich keine geben, aber du hast so darauf beharrt und immer wieder gesagt, du hättest schon mehrmals eine genommen." Was zur Hölle labere ich für eine scheiße, wenn ich betrunken bin?!  "Und das hast du mir geglaubt?!", frage ich und meine Stimme hebt sich. "Wie konntest du mir nur deine beschissenen Drogen geben und dich jetzt hier mit mir treffen, als wäre nie etwas gewesen?" Ich greife nach meiner Tasche und will gerade die Flucht antreten, als er mein Handgelenk festhält.

"Julie, es tut mir wahnsinnig Leid.", sagt er und schaut mich mit seinen großen, braunen Augen an. "Das war unfassbar dumm von mir, doch auch ich war alles andere als nüchtern. Du hast vorher irgendwie traurig gewirkt und immer wieder zwei Namen erwähnt: Etienne und Mat. Ich habe keine Ahnung, wer die beiden sind, aber danach warst du so viel lockerer und hast richtig viel Spaß gehabt." Sein Griff lockert sich und ich lege seufzend meine Tasche beiseite. Ich massiere meinen Nasenrücken und versuche wieder, mich an irgendetwas zu erinnern. "So eine scheiße.", fluche ich, als ich kläglich versage.

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Onde as histórias ganham vida. Descobre agora