Begleitschutz

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Mühsam versuche ich seit zehn Minuten die Bestellung zusammen zu kriegen.  Ich weiß selbst, dass das keine schwierige war, aber die Blicke, die Atmosphäre und der Zusatz, dass mir die ganze Zeit im Kopf herumschwirrte, dass diese Typen verdammt gefährlich sind, haben ihr Übriges getan. „So eine scheiße.", fluche ich. Nicht umsonst werden diese Typen von allen Seiten als unberechenbar tituliert. Als ich einfach nicht mehr weiter weiß, gebe ich auf, schreibe die Bestellung zusammen und leite mein Todesurteil an die Küche weiter. 

Nach und nach bringe ich die Getränke und die Burger. Es gab bisher noch keine Einwände, vielleicht kann ich mich ja doch auf mein Gehirn verlassen. „Julie.", höre ich plötzlich meinen Namen. Verdammt! Ich beiße mir auf die Lippe und drehe mich um. „Ja?", frage ich zögerlich. „Weißt du, was du falsch gemacht hast?", beginnt er sein Spielchen. Ich schüttle den Kopf. „Antworte mir richtig.", sagt er schroff. Er wird mich umbringen! „Nein, ich weiß es nicht.", antworte ich kleinlaut. „Da ist ein Double Cheese Burger zu wenig und ein Bacon Burger zu viel, was bedeutet, dass ich heute Bacon anstatt Double Cheese essen muss." Seine Stimme ist tief, aber ruhig. Er ist wie eine Raubkatze, die sich gleich auf ihr Opfer stürzt. „Tut mir Leid. Ich kann einen neuen holen.", sage ich mit zitternder Stimme. „Damit alle anderen auf mich warten müssen? Nein. Ich werde den hier essen, aber zufrieden bin ich damit nicht." Oh Gott, was ist das für ein Psycho? „Wie lang arbeitest du schon hier?", fragt ein anderer. „Seit vier Stunden." Ich hätte ihm sogar Minute und Sekunde aufzählen können. „Sowas passiert nie wieder, habe ich recht?", mischt er sich wieder ein. „Nein." Und als sie den Blick von mir abwenden, kann ich endlich gehen.

Hinter dem Tresen schreibe ich mir die Bestellung heimlich auf und klemme sie hinter meine Handyhülle. Es fühlt sich an, als würde mein Leben daran hängen.

„Du hast dich gar nicht mal so schlecht angestellt.", sagt Sabine, die Chefin am Ende der Schicht. „Hier ist dein Gehalt für heute. Du kannst Montag, Freitag und Sonntag arbeiten." Überrascht sehe ich sie an. „Heißt das, ich habe den Job?" Sie lacht und nickt. Wow, sie kann lachen. „Danke, danke, danke.", sage ich erleichtert und würde sie am liebsten umarmen. Wir werden nicht auf der Straße landen!

20 neue Nachrichten warten auf mich, als ich das Diner verlasse. Alle sind von Steph, Jasper, Lenny und Vito. Sie bilden meinen engsten Freundeskreis, auch wenn sie mir manchmal ganz schön auf die Nerven gehen. Sie wollen mich unbedingt überreden, noch zu der Party zu kommen. Es ist erst Mitternacht und ich bin noch nicht müde, also schreibe ich ihnen, dass ich auf dem Weg bin. Von Steph kommen drei Herzen, von Jasper eine Aubergine und von Vito ein Kussmund. Dass die aber auch immer übertreiben müssen mit ihren Emojis.

Als ich in eine Seitenstraße einbiege, die hoffentlich eine Abkürzung ist, bemerke ich, wie still und unheimlich es hier in der Gegend ist. Ich befinde mich zwar noch in meinem Viertel, aber trotzdem in einem ziemlich abgelegen Teil davon. Ich schrecke kurz hoch, als von irgendwo Katzengejaule ertönt. „Scheiß Viecher.", schimpfe ich. „Magst du etwa keine Katzen?", fragt plötzlich eine dunkel Stimme.

Vor mir stehen sechs Typen, deren Gesichter ich nicht erkennen kann. Oh, heilige Scheiße! Wieso habe ich die nicht kommen sehen? "Was machst du hier so allein im Dunkeln?", fragt die Stimme wieder und ich habe das Gefühl, sie zu kennen. „Ich...", wieso antwortete ich überhaupt darauf? Ich sollte verdammt nochmal um mein Leben rennen! „Hey Mat, ist das nicht die Kleine aus dem Diner?", ruft plötzlich einer von denen, die weiter hinten stehen. Der vordere, der wohl Mat heißt, tritt er einen Schritt vor unter die Laterne und ich kann sein Gesicht erkennen. „Du hast recht. Julia, oder?", fragt er. Was für eine unnötige Provokation, vor zwei Stunden wusste er meinen Namen noch ganz genau. „Julie.", verbessere ich ihn. „Wie auch immer. Was machst du hier? Wohnst du hier?", fragt er. Was geht ihn das überhaupt an? „Nein, ich bin auf dem Weg zu einer Party.", antworte ich und schaue zu Boden. Diese Typen machen mir eine scheiß Angst, doch ich habe nicht das Gefühl, dass sie sich gleich auf mich stürzen würden. „Wessen Party?" Der ist aber neugierig. „Lenny Miller.", sage ich in der Hoffnung, dass sie seinen großen Bruder kennen. Lenny's Bruder ist genauso schwierig wie meiner. Dauernd verschwunden, auf die schiefe Bahn geraten. „Wir bringen dich hin, es ist gefährlich hier, ganz besonders heute.", sagt er und nickt seinen Freunden zu. Vom Gangster zum Pfadfinder oder was?

„Danke, das braucht ihr nicht.", sage ich, doch er kommt noch einen Schritt auf mich zu und ich erkenne das erste mal seine leuchten grünen Augen. Sie haben eine so stechende Farbe, dass er noch gefährlicher erscheint. „Wir begleiten dich jetzt." Mit diesen Worten werde ich von sechs großen Muskelprotzen umzingelt, die mich tatsächlich in die richtige Richtung bringen. „Woher bist du eigentlich?", fragt Mat mich. „West Street", sage ich knapp. Ich will gar nicht, dass diese Typen wissen, wo ich wohne, aber gar nicht antworten kann ich auch nicht. „Wie kommt es, dass wir dich noch nie gesehen haben? Wir kennen jeden hier." Mich auch, ihr Idioten. Aber so nah waren wir uns noch nie. „Ich habe mal gesehen, wie ihr auf dem Marktplatz auf einen Typen losgegangen seid. Ihr habt mich fast umgerannt, als die Polizei kam." Ein raunen war zu hören, wahrscheinlich amüsiert sie die Erinnerung daran. „Na wenn das so ist, tut es mir sehr leid, Julie.", sagt er belustigt.

„Da wären wir.", sagt einer von ihnen. „Jap." antworte ich. Ehe ich mich versehe, sind sie verschwunden. Was war das bitte für eine merkwürdige Aktion?

Matthew - My Guardian and Guilt / Abgeschlossen.Where stories live. Discover now