Gefühlsgelaber (1)

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Luftblasen stoben um ihn herum, und Nero spürte den Druck, der stärker und stärker auf seinem Brustkorb lastete, während das Wasser an seinen Seiten vorbeirauschte. Zwei Schläge, dann war er an der gegenüberliegenden Wand angekommen, drehte sich und stieß sich mit beiden Füßen ab, ehe er umkehrte.

Über ihm, durch Chlorblau und die Wasseroberfläche hindurch, tanzten Flecken vom Neonlicht auf den Wellen. Er spürte das schwummrige Gefühl in seinem Kopf, die Schmerzen, die beginnen wollten, ihm die Luftröhre zuzuschnüren und beiseitegedrängt wurden, wie in einer Herausforderung gegen sich selbst.

Nero genoss den Aufenthalt im Wasser. Football und anderer Schulsport waren Dinge, die man einfach tat, um dazuzugehören, aber er verfolgte sie nicht mit dem Enthusiasmus, die Devon – oder meinetwegen auch nur Ethan – dort hineinlegen konnten. Aber das hier war etwas anderes. Ein bisschen Schwerelosigkeit, ein bisschen auf den eigenen Grenzen balancieren und sich immer neue Ziele stellen, ein ‚und nur noch die halbe Bahn, das schaffst du doch, und jetzt noch eine', bis sein ganzer Körper nach Atemluft schrie ... Bisweilen kam er tatsächlich an den Punkt, an dem er Adrenalin einsetzen spüren konnte, aber je weiter er sich trieb, desto seltener wurde das der Fall. Vor ein, zwei Jahren hatte er sich diesen Kick noch mit Fahrrad- oder Skateboardfahren verschaffen können, bis ihm beides verboten wurde, weil Neros halsbrecherische Ideen ihn bisweilen im Zwei-Wochen-Takt in die Notaufnahme brachten. Als er schließlich dazu kam, allein zu leben, hatte er die Hobbys nicht wieder aufgenommen – vor allem, weil der plötzliche pubertäre Wachstumsschub dafür sorgte, dass Dinge, die er vorher in traumwandlerischer Leichtigkeit konnte, plötzlich mehr Geschick erforderten, als sein Körper aufzubringen wusste. Es war eines, sich mal einen Wirbel zu verschieben, weil man ein Treppengeländer als Halfpipe missbraucht hatte, aber etwas anderes, wenn dieselbe Gefahr bestand, obwohl man nur versuchte, auf gerader Strecke zu fahren. Inzwischen schien sein Körper sich mit seiner Größe endgültig abgefunden zu haben, soweit, dass Nero zumindest wieder Gebieter sämtlicher ihm zugehöriger Gliedmaßen war, aber der Antrieb, in alte Interessen und die zugehörigen Freundeskreise zurückzukehren, hatte sich noch nicht eingestellt. Überhaupt fiel es schwer, sich lange mit denselben Dingen zu beschäftigen – man tauchte lieber kurz ein, kostete sie in den Extremen aus, und dann suchte man sich etwas anderes, das Zeit vertreiben konnte.

Erst, als er tatsächlich das Gefühl hatte, dass sein Blickfeld zu schwanken begann, schoss er nach kurzem Druckausgleich zur Oberfläche zurück. Von feinem Sprühregen begleitet brach Neros Kopf durchs Wasser, und er rieb sich die Augen, während sein Gehirn den einströmenden Sauerstoff euphorisch begrüßte. Die Halle um ihn verschwamm ein letztes Mal, ehe sich ihre Konturen wieder schärften und die Geräusche des Studiobetriebs auf ihn einbrachen.

„-rooo! Jetzt komm schon her!" Er blinzelte, als sich die Stimme darunter mischte, drehte sich und erblickte Ethans Begleitung, die ihm von anderen Ende des Beckens aus zuwinkte. Das Mädchen hatte vor etwa einem Monat begonnen, sich ihren Ausflügen ins Fitnessstudio anzuschließen, aber allzu viel Gelegenheit, sie kennenzulernen, hatte er noch nicht gehabt. Sie schien ein nettes Ding – eigentlich zu lieb für Leute wie Nero und Ethan – und nicht die Hellste, aber wenn es darauf ankam, konnte man sich mit ihr die Zeit vertreiben.

Mit raschen, gezielten Zügen schwamm er zu ihr herüber und verfluchte sein Namensgedächtnis, dass ihn wie üblich im Stich ließ, als es mit dem bekannten Gesicht konfrontiert wurde. In der Regel betitelte er sie nur als ‚Strähnchen', aufgrund der wasserstoffblonden Strähnen, die sich durch ihre braune Mähne zogen, und Strähnchen lachte darüber, als würde er Witze machen.

„Du warst so lange da unten, ich dachte schon, du verreckst.", begrüßte sie ihn nonchalant, während er sich aus dem Becken stemmte. „Nettes Tattoo."

The Games We Play (BoyxBoy)Where stories live. Discover now