Arschlochfreunde (1)

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So viel menschliche Interaktion an einem einzigen Tag war ungewohnt für Ace, selbst wenn die meiste davon nicht von Angesicht zu Angesicht stattfand. Sein Handy war jederzeit am Körper, und es war peinlich, wie oft er in aller Heimlichkeit draufschielte in der Hoffnung, dass Para weitergeschrieben hatte. Unglücklicherweise erforderte das gerade Geduld.

Sie hatten vor der ersten Stunde noch durchgetextet, aber was den Unterricht anging, schien es um Paras Disziplin besser zu stehen als Aces eigene. Zumindest hatte er ihn mit den Antworten warten lassen. Vielleicht wurde er ja auch mit anspruchsvolleren Dingen konfrontiert als eigenständiger Arbeit im Musikunterricht... Momentan bereiteten sie ein klassenübergreifendes Musikfest vor, bei dem jeder seinen Teil beizutragen hatte, und Ace wusste schon jetzt, er würde bestenfalls ein paar auswendig gelernte Noten auf dem Keyboard spielen und sich sein solides C abholen, weil er dabei dauernd ungewollt aus dem Rhythmus fiel. Ace und ‚Takt einhalten' waren nicht nur keine guten Freunde, sie waren kaum vage Bekannte.


Als er zur nächsten Stunde aufbrach und an sich halten musste, sein Handy zumindest beim Laufen in der Hosentasche zu behalten, erwartete er eigentlich, dass seine Umwelt sich in gewohnt geringem Maß für ihn interessieren würde. Entsprechend überrascht war Ace, als er sich vor dem geschlossenen Geschichtszimmer einfand und sich plötzlich jemand neben ihm an die Wand hockte, an der er sich mit ausgefahrenen sozialen Igelstacheln zusammengekugelt hatte.

„Hi." Katherine lächelte unsicher und ließ ihren Rucksack zwischen ihre Beine fallen. „...Ist alles okay? Du bist gestern so überhastet verschwunden."

„Ich hatte keine Lust mehr auf bestimmte Leute... aber ja, ich hätte vielleicht irgendwie Bescheid sagen sollen. Tut mir leid." Die Worte kamen ihm ohne jeden Groll über die Lippen. Als ob er sich noch an solchen unwichtigen Kleinigkeiten aufhängen konnte, nach allem, was passiert war! Selbst seine Müdigkeit hielt sich gerade in Grenzen, dazu waren Körper und Geist gleichermaßen viel zu sehr unter Strom. Am liebsten würde er schon wieder am Bildschirm hängen und mit klopfendem Herzen auf die nächste Antwort warten, aber Höflichkeit hielt ihn davon ab.

„Ach, dafür musst du dich doch nicht entschuldigen... vielleicht hab ich dir zuviel zugemutet. Ich wusste nicht, dass du und Nero – also, dass ihr wirklich so gar nicht miteinander könnt." Ace wurde für einige Sekunden aus seinen Tagträumereien gerissen und warf ihr einen schrägen Seitenblick zu. Katherine erwiderte ihn absolut unbedarft, aus großen Augen, die im Licht der Neonröhren vom braun ins olivgrün abwichen. Einen Moment fragte er sich, ob sie ihn veralbern wollte, aber möglicherweise wusste sie tatsächlich nichts. Oder zumindest nichts Handfestes. Das die Gerüchte an ihrer Schule mal zuverlässig und mal wild fantasiert waren, hatte Ace oft genug zu spüren bekommen

Sein gedankenverlorenes Schweigen musste Katherine verunsichert haben, denn noch während sie mit gerunzelter Stirn zu den üblichen Störenfrieden herübersah, versuchte sie, das Gespräch fortzuführen. „Und du siehst auch ein wenig erschöpft aus, von daher... naja, ich wusste nicht, ob ich dich da in irgendwas hineingezerrt habe, was dir unangenehm ist. Nero hat doch nichts gesagt, um das man sich Sorgen machen sollte, oder?" Nicht weit von ihnen standen Katherines andere Bekannte, aber allzu nahe wagten sie sich nicht. Vermutlich bestand immer noch die Angst, dass Unbeliebtheit ansteckend war, oder so.

„Nein, überhaupt nicht." Ganz kurz wollte sich das gestrige Gespräch aus dem Taco Bell in Aces Kopf drängen. Warum hat Zack dir dieses Material geschickt? Warum wollte er das Beste für sich behalten? Es kostete ihn diesmal keine Anstrengung, die Fragen zu verdrängen. In seinem Kopf tobte viel wichtigeres. Ace kaute auf dem Rand seiner Lippe, musterte Katherine aus den Augenwinkeln und starrte dann wieder auf ein leeres Stück Gang direkt vor ihm. Würde er es bereuen, seine momentane Schwärmerei mit ihr zu teilen? Andererseits war der Drang, sich jemandem mitzuteilen, stärker als seine Furcht. „Ich meine... ich habe nur..." Zweimal setzte Ace an, und zweimal erstarben ihm die Worte wieder auf der Lippe. Seine Augen huschten abwägend den Flur entlang, in dem sie sich vor dem Klassenzimmer sammelten, doch ihm und Katherine schien kaum Aufmerksamkeit zu gelten. Ihre Freundinnen steckten untereinander kichernd die Köpfe zusammen, die Sportler-Fraktion schien sich gerade wegen irgendwas in die Haare zu kriegen, und wer nicht versunken in der eigenen Welt plauderte, spielte Zuschauer. Zu den lauten, lachenden Stimmen konnte er sehen, wie Nero sich drohend vor Sean aufbaute, der mit irgendwas in der Luft fuchtelte. Ihm und Katherine galten höchstens Seitenblicke, wenn überhaupt.

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