Morgen danach

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Quinn erwachte mit Kopfschmerzen, Mattigkeit und von sanftem Regen begleitet, der gegen das Fenster trommelte und ein wenig Ruhe in den halbdunklen Raum trug. Sie stöhnte leise, rollte sich auf dem Bett herum und brauchte einige Sekunden, sich zu orientieren, bis die Eindrücke um sie herum ganz zu ihr durchdrungen. Angeschrägte Holzwand auf halber Zimmerseite, der Geruch nach Blumen, schwerem drückenden Gewürz und betäubenden Räucherstäbchen in der Luft, bunte Wände und bequeme Möbel... Kellins Zuhause, teilte ihr ihr Gehirn wie durch Watte mit, und mit neuerlichem Stöhnen setzte sie sich auf und versuchte sich umzusehen. Abgesehen von ihr war das Zimmer leer, aber sie konnte zerwühlte Decken auf dem Sofa sehen, und das Kissen neben ihr trug unter der Alkohol-Note den Geruch nach Nero, was ihr half, den Abend zusammenzupuzzeln.

Sie mussten irgendwann um... vier, oder um fünf zurückgekehrt sein, mit einer Fahrgemeinschaft, die sie in Kalispell abgesetzt hatte, um dann weiter nach East Glacier Park zu fahren. Quinn war sich sicher, dass sie sich im Auto noch darüber unterhalten hatten, was das Pärchen dort ans Ende der Welt verschlagen haben mochte, aber die Konversation war genauso aus ihrer Erinnerung gelöscht wie der Entschluss, bei Kellin zu übernachten, statt einfach nach Hause zu gehen. Ein Teil von ihr war glücklich darüber – die Blicke und hämischen Bemerkungen ihrer Mutter, die sie sonst am nächsten Tag geerntet hätte, konnte Quinn sich durchaus sparen.

Schwerfällig rutschte sie aus dem Bett heraus, krächzte dem Home Assistant zu, dass er das Licht anschalten sollte, und stakste durch das Zimmer, bis sie auf einem der Stühle in wildem Haufen ihre Kleidung sehen konnte. Unwillkürlich rümpfte Quinn die Nase. Jetzt, bei dieser Mischung aus billigen Mixgetränken und Rauch, der den Klamotten anhaftete, wünschte ein Teil von ihr, sie hätte sich Wechselsachen mitgenommen.

Nach einem Abstecher ins Bad trottete sie in die Küche, wo ihr Kellins Popmusik entgegenschallte, die zu eingängigen Rhytmen vor allem davon handelte, Bitches abzuschleppen, in teuren Autos zu fahren und mit Drogen Geld zu machen... was Quinn hin und wieder amüsant fand angesichts der Tatsache, dass Kellin weder das eine noch das andere tat, aber dennoch aus vollem Herzen und mit aggressiv vorgeschobenem Kinn mitsang, wenn er in der Küche stand und hin- und hertänzelnd Gemüse schnitt.

Auf dem Küchentisch, der unter einem wahren Dschungel von Hängepflanzen stand, befand sich ein gut gefülltes Brownieblech, von dem bereits einige Ecken fehlten. Unter anderen Umständen hätte Quinn mit leuchtenden Augen zugegriffen, aber noch rumorte ihr Magen viel zu sehr. Stattdessen murmelte sie ein schwaches „Hey.", stakste zur Spüle und goss sich ein Glas Wasser ein, ehe sie sich wieder umdrehte und die verhaltenen Morgengrüße von beiden Seiten auf sich einwirken ließ.

Aufgrund der breiten Glasfassade , die sich an einer Seite des Raumes entlangzog, und der geflochtenen Korbsessel hatte der Raum in Verbindung mit all den Pflanzen immer ein wenig Wintergarten-Ästhetik. Die bunten Mandalas und der Holzschmuck, der Wände und Decke zierte, unterstrichen die exotische Note. In der Mitte von all dem stand der Esstisch, und auf zweien der Sessel hockten Nero und Kellin, die eifrig über irgendwas disputierten, was vom Tablet aus gerade wenige Zentimeter in den Raum hineinprojiziert wurde.

Kellin wirkte zerknautscht, und ein Hauch von Blässe lag rund um seine Nase, während sie Nero auf den ersten Blick nicht erkannt hätte – größtenteils aufgrund der Kapuze des blassrosa Hoodies, an der kleine Katzenohren in die Höhe ragten. Sah eher aus wie etwas, was Quinn Kellins Kleiderschrank zugeordnet hätte. Sie setzte das Glas einen Moment ab und räusperte sich. „Was wird das, Nero? Neuer Stil?"

Er verzog keine Miene. „Hm? Klar, morgen erstmal zur Schule damit... den willste nicht, der ist fett." Die letzten Worte galten Kellin, der die Stirn runzelte und auf irgendwelche Bilder innerhalb der Projektion zu starren schien.

The Games We Play (BoyxBoy)Where stories live. Discover now