Funkstille

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 „Du hast Augenringe des Todes." Es war früher morgen, die Zeit vor der ersten Stunde, in der die Schule quasi Niemandsland war. „Hast du geschlafen?"

„Ich habe geschlafen.", murmelte Nero und nahm einen weiteren Zug, während er Quinns Blick auf sich spüren konnte. Der Himmel war ein wenig trüb, aber die Stille, die sie umgab, so entspannend, dass ein Teil von ihm wünschte, sie würde niemals weichen.

„Echt? Wie viele Stunden hast du geschlafen?" Seine Mundwinkel zuckten einen Moment lang.

„Ich habe geschlafen, und das ist das einzige, das zählt." Sein Frühstück aus Kaffee und Energy Drinks sollte spätestens bis zur dritten oder vierten Stunde halten, und dann konnte er ja immer noch entscheiden, ob er den Rest des Tages hier verbringen wollte. An guten Tagen wurde die Anwesenheitsliste ohnehin nur morgens genommen, und danach vertrauten die Lehrer darauf, dass die Smartpads die Schüleranwesenheit korrekt aufzeichneten, was sich sehr einfach umgehen ließ. Sobald die Software draußen war, hatten findige Schüler Server aufgesetzt, auf denen man seine Anwesenheit von Bots emulieren ließ, und komplette Apps dafür entwickelt. Nero, der dafür sorgte, in der Hinsicht auf dem Laufenden zu bleiben, hatte sich die Scripte heruntergeladen, zwei, drei Anpassungen vorgenommen und dann seinen eigenen Bekanntenkreis versorgt, mit allen idiotensicheren Erklärungen, die diese Leute bisweilen benötigten. Sowas wie Anwesenheitspflicht war seiner Meinung nach etwas, das nur für Leute zu gelten hatte, die nicht auf ihrer Stufe der Nahrungskette standen.


„Jaa... du weißt, dass das so nicht funktioniert." Quinn fuhr sich durch die Haare, um aus den windzerzausten Strähnen wieder eine Frisur zu formen, und zog die Stirn kraus. Ihre Eltern wohnten so weit außerhalb der Stadt, dass sie gezwungen war, für den Schulbesuch ganze zwei Stunden früher aufzustehen, und entsprechend war ihre Laune am Morgen. Das Herumstehen in der Raucherecke mit Nero hatte sie sich zu einem Ritual entwickelt, mit dem man sich die restlichen Schrecken des kommenden Tages vorbereitete.

„Genauso funktioniert das.", murmelte er, noch in gespielter Empörung, ehe er sich wieder zurückfallen ließ und Rauchkringel in den Himmel blies. „Wie hat Angel dich gestern eigentlich überredet, beim Training dabei zu sein? Ich dachte, das ist dir zu doof?"

„Ist es auch... aber sie hat ein ausschlaggebendes Argument gebracht." Quinn klimperte treuherzig mit den Wimpern. „Da gibt's hübsche Jungs." Im Gegensatz zu den anderen Mädchen aus Angels Freundesgruppe tat sie nicht einmal so, als wäre sie nennenswert an Football interessiert. Wer den Fehler machte, sich trotzdem neben sie zu setzen und erläuternde Konversationsversuche zu beginnen, wurde mit Gähnen belohnt, und bisweilen der Frage, welcher der Jungshintern in den Sporthosen denn eigentlich am Hübschesten war. Letzeres hielt Nero für reine Provokation – nach allem, was Umkleiden ihn gelehrt hatten, waren die meisten Jungenhintern so einiges, aber nicht ansehlich.

„Was denn, an unserer Schule? Halte ich jetzt für ein Gerücht."

Quinn grinste nur, und ihre Augen huschten verstohlen zu Nero, ehe sie gleich wieder wegsah, als würde ihm so etwas nicht auffallen. „Hm... du kennst Angel. Die wird ohnehin nicht so schnell aufhören zu versuchen, mich für diesen Kram zu begeistern. Prestigesache, alles für den Schulzusammenhalt und so."

„Ja, kann ich mir vorstellen... redet sie dir auch immer noch wegen dem Cheerleading ins Gewissen?"

„Sie versucht es zumindest." Quinn seufzte. „Ich habe bedauerlicherweise ganz viele andere wichtige Dinge zu tun und kann ihr da nicht weiterhelfen."

„Klar. Du und wichtige Dinge." Er grinste schwach, während die Autogeräusche von der Straße herüberdrangen und sich mit verhaltenem Geschnatter mischten, vermutlich aus dem nächsten Bus.

The Games We Play (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt