Wie ich meine Ferien verbracht habe

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Sie waren von einem hellen stahlgrau, dass unter dem richtigen Licht in viele verschiedene Blau- und Goldtöne aufging. Sein Bruder hatte seinen Blick immer eindringlich genannt, seine Mutter beharrte darauf, was für ein hübscher, liebenswerter Junge er doch war, und von Hälfte der Middle School an hatte man ihm erklärt, er sei hässlicher, lebensunwerter Müll. Weil zwei Stimmen gegen einige hundert standen, hielt er es für realistischer, den hundert zu glauben.

„Ja, aber noch hänge ich hier fest." Sogar sein Gedanken-Ich klang angepisst. „Ich wünschte, ich wäre wieder in Florida. Oder überhaupt irgendwo. Hauptsache weg hier. Kalispell ist so kacke, ich weiß nicht, warum überhaupt irgendwer freiwillig hier lebt ... Wobei, eigentlich passt es gut zusammen, die Leute sind nämlich auch beschissen." Mrs. Anderson, die letzten Endes auch nur eine Ausgeburt seiner Fantasie war, schien darauf keine Antwort zu haben.


Seit er wieder zuhause war, gab es nicht viel zu tun für Ace. Er hatte sich die Piraten-Fantasy-Serie angesehen, die zurzeit in aller Munde war, und fand sie unterhaltsam, ohne dass viel davon hängen blieb.

Er hatte gezeichnet – unter anderem eine Skizze von einem supersüßen Jungen, den Ace in Florida auf einem der Jahrmärkte gesehen und viel zu lange mit klopfendem Herzen beobachtet hatte, bis er in einem unbeobachteten Moment ein Foto schoss. Als Zeichenreferenz, wie er sich immer wieder erklärte. Ace fühlte sich jetzt noch mies dafür.

Er hatte sich in seinen vier Wänden eingeschlossen und war einen ganzen Sommer lang nicht weiter als bis zur Veranda gekommen, ungeachtet der schönen Natur, die sich rund um ihre kleine Stadt erstreckte. Irgendwo in dieser Natur bewegten sich Menschen, und weil Ace ihnen nicht zu nahe kommen wollte, hatte er sich lieber zuhause versteckt.

Und er hatte gezockt. Natürlich. Ein bisschen Minecraft, ein bisschen Sims 6, und zuletzt mehr Stunden Mortal Realms, als irgendein Mensch für vernünftig halten würde. Carla hatte mehrmals versucht, ihn subtil zu erinnern, dass Spielesucht eine von der WHO anerkannte Krankheit war, und Ace hatte gelächelt, als hätte er keine Ahnung, worauf sie hinauswollte. Ihm war klar, dass er sich zu sehr in unechte Welten verliebt hatte, aber das änderte nichts daran, dass die Gebiete aus dem neuen Patch ihn zum Träumen einluden. Es war surreal, doch Ace fühlte sich in einer wilden Pixelwelt voller Monster sicherer, als er es jemals in der Realität getan hatte.

Seufzend senkte er den Kopf und spritzte sich Wasser ins Gesicht, um endgültig herunterkühlen zu können.

„Es gibt hier echt nicht viel zu tun. Mir war die meisten Zeit langweilig, und ich hab gemacht, was vermutlich jeder Kerl in meinem Alter macht, wenn ihm langweilig ist. Wenn ich ein bisschen selbstbewusster wäre, hätte ich auch Leute übers Internet angeschrieben... ‚Hi, 17m, unansehliches Stück Scheiße und große Nervensäge, suche Daddy. Herz-Emoji.' Aber ich fühl mich zu unsicher dabei, und das eine Mal, als ich mich auf eine dieser Dating-Apps getraut habe, wurde ich von lauter Typen angeschrieben, die dreimal so alt waren wie ich. Überhaupt würde sowas bedeuten, dass ich mit fremden Leuten über Dinge reden müsste, über die ich mit mir selbst nicht wirklich reden kann, und das... macht mir Angst." Mrs. Anderson, die zumindest in seiner Fantasie kein Problem damit sah, mit den Sorgen und Ängsten und Bedürfnissen hormongeplagter Jungen konfrontiert zu werden, lächelte verständnisvoll.

„Außerdem verstehe ich diese Sache mit dem Flirten nicht. Wie flirten normale Leute? Ich meine, wie lernt man das? Gibt's da irgendwie Kurse für? Denn meine Klassenkameraden scheinen das alle von Natur aus zu beherrschen, und das einzige, was ich kann, ist, mich mit nem ‚Ein Penis, bitte'-Schild in die Ecke zu stellen und zu hoffen, dass mich der richtige anspricht! Und der ist dann natürlich auch ganz geduldig, und liebevoll, und hat kein Problem damit, dass ich ne überforderte Jungfrau bin, die ihren ersten und einzigen Kuss in der siebten Klasse beim Flaschendrehen bekam! Von einem Mädchen, dass hinterher so tun musste, als würde sie sich den Finger in den Mund stecken, damit alle wussten, dass sie mich natürlich niemals freiwillig berühren würde ... Dieses ganze Zeug ist gruselig. Und ich bin zu feige für echte Menschen, also bin ich bei Videos und Blogs geblieben."

Ace drehte sich um, trottete zurück zum Wäschekorb und versuchte sein Bestes, die Tabs zu schließen, ohne dabei im ganzen Gesicht zu erröten. Jetzt, wo seine Gedanken nicht mehr komplett von Hormonen getrübt waren, spürte er die entsetzte, puritanisch-angeekelte Stimme im Kopf, die ihn fragte ‚Warum ziehst du dir solches Zeug rein?! Wenn das der Rest der Welt wüsste, dann hätte er sogar Grund, auf dir rumzuhacken!' Ace, der selbst viel lieber auf Rosenblüten, klassische Musik und Duftkerzen abgefahren wäre als auf Fesseln, Halsbänder und fiese dominante Kerle, schob die Stimme zur Seite und verdrehte die Augen über sich selbst.

Und ganz unabhängig von seinem wilden Suchverlauf fürchtete er, dass er real trotzdem ein prüder ‚Das Licht bleibt aus und die T-Shirts an!'-Typ war. Er traute sich ja nichtmal, auf seinen Main-Accounts eingeloggt zu sein, während er nach Porn suchte, weil die paranoide Idee in seinem Kopf festsaß, dass ein falscher Klick genügte und die Ergebnisse quer über seinen Yu.Space-Feed verteilt waren. Zu allem, was ihm seine Klassenkameraden sonst so an den Kopf warfen, brauchte es das nicht auch noch zusätzlich.

„Und das, Mrs. Anderson, war mein Sommer ... Glauben Sie, dass ich die Chance auf eine entspannte erste Schulwoche habe, wenn ich mir jetzt ein Bein breche?"

The Games We Play (BoyxBoy)Where stories live. Discover now