26. Panik

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Das Leben ging wieder seinen normalen Gang - vielleicht noch stärker für Jimin als für mich. Oberflächlich betrachtet waren wir glücklich, aber ich spürte, wie eine Mauer der Wachsamkeit um mich herum wuchs. Ich nahm keine Sekunde mit Jimin als selbstverständlich hin. Wenn ich zu ihm hinsah und ihn berühren wollte, dann tat ich es. Wenn er nicht in der Wohnung war und ich ihn vermisste, fuhr ich zum Wohnheim. Wenn wir in meiner Wohnung waren, hatte ich ihn im Arm.

Zum ersten Mal seit den Herbstferien wieder als Paar am College aufzukreuzen, hatte die zu erwartende Wirkung. Als wir zusammen herumliefen, Händchen hielten, lachten und uns gelegentlich - okay, es war öfter als gelegentlich - küssten, erreichten Klatsch und Tratsch ein noch nie dagewesenes Ausmaß. Wie immer auf dem Campus gab es Gerüchte und aufgeblasene Neuigkeiten, bis der nächste »Skandal« die Gemüter erhizte.

Zusätzlich zu der Unruhe, die ich wegen der Beziehung ziwschen Jimin und mir empfand, kam noch Yoongis wachsende Nervosität aufgrund des letzten Kampfes des Schuljahres. Ich stand ihm in dieser Hinsicht kaum nach. Schließlich waren wir beide auf die Gewinne aus diesem Kampf angewiesen, um unseren Lebensunterhalt den Sommer über ein Stück in den Herbst hinein zu finanzieren. Das war umso nötiger, da ich beschlossen hatte, der letzte Kampf des Jahres sollte auch insgesamt mein letzter sein.

Die Semesterferien rückten näher, aber immer noch keine Nachricht von Jackson. Über andere hatte Yoongi erfahren, dass Jackson sich nach den Verhaftungen im Anschluss an den letzten Kampf möglichst unauffällig verhielt.

Am Freitag vor den Ferien war die Stimmung auf dem Campus gelöst, trotz des späten Schnees, der über Nacht noch gefallen war. Auf unserem Weg in die Cafeteria zum Mittagessen entkamen Jimin und ich nur knapp einer Massenschneeballschlacht. Taehyung hatte weniger Glück.

Plaudernd und lachend warteten wir in der Schlange, um uns weiß Gott was auf unsere Teller laden zu lassen und nahmen dann unsere üblichen Plätze ein. Yoongi tröstete Taehyung, während ich Brazil mit der Anekdote unterhielt, wie Jimin meine Brüder bei der ersten Pokernacht im Haus meines Vaters abgezockt hatte. Mein Handy vibrierte, aber ich hätte es gar nicht bemerkt, wenn Jimin mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätte.

»Kook?«, sagte er.
Ich drehte mich halb zu ihm und blendete in der Sekunde, als er meinen Namen aussprach, alles andere aus.
»Vielleicht solltest du drangehen.«
Ich schaute auf mein Handy und seufzte. »Oder lieber nicht.« Einerseits brauchte ich diesen letzten Kampf, aber andererseits musste ich währenddessen von Jimin getrennt sein.
Nach dem Übergriff beim letzten Mal würde ich mich, wenn er diesmal mitkam und niemand ihn beschützte, nicht eine Sekunde konzentrieren können. - Und wenn er nicht dabei war, sähe es mit meiner Konzentration nicht besser aus. Der letzte Kampf im Schuljahr war immer der wichtigste, und ich konnte es mir nicht leisten, mit den Gedanken wo anders zu sein.

»Es könnte doch wichtig sein«, meinte Jimin.
Ich hielt das Handy an mein Ohr. »Was gibt's, Jackson?«
»Jeongguk! Du wirst begeistert sein. Es ist geschafft. Ich hab den verdammten John Savage bekommen! Der Plant nächstes Jahr, Profi zu werden! Das ist die Chance deines Leben, Mann! Fünfstellig. Danit hast du erst mal für eine Weile ausgesorgt.«
»Das ist mein letzter Kampf, Jackson.«
Er schwieg und ich konnte mir vorstellen, wie seine Kiefer mahlten. Mehr als einmal hatte er sich darüber beschwert, dass Jimin seinem Einkommen schadete und ich war mir sicher, dass er Jimin für meine Entscheidung verantwortlich machte.
»Bringst du ihn mit?«
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Wahrscheinlich solltest du ihn besser zu Hause lassen, Jungkook. Wenn das wirklich dein letzter Kampf sein soll, dann muss ich wissen, dass du hundertprozentig bei der Sache bist.«
»Ohne ihn gehe ich nicht und Yoongi verreist heute noch.«
»Kein Rumeiern diesmal. Und das meine ich so.«
»Ich weiß. Ja, ich habe dich verstanden.«
Jackson seufzte. »Wenn du wirklich nicht dran denkst, ihn zu Hause zu lassen, könntest du doch Kai anrufen. Dann wärst du wahrscheinlich beruhigt und könntest dich konzentrieren.«
»Hmm... Das ist gar keine schlechte Idee.«
»Denk darüber nach und sag mir Bescheid«, sagte Jackson, bevor er auflegte.

Loving Disaster | JikookWhere stories live. Discover now