15. Studentenwohnheim

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Zwei Wochen. Mehr blieb mir nicht, um entweder die uns noch verbleibende Zeit zu genießen oder um Jimin irgendwie zu zeigen, dass ich derjenige sein konnte, den er brauchte.

Ich ließ meinen Charme spielen, zog alle Regiester und scheute weder Kosten noch Mühen. Wir gingen zum Bowling, zum Abend- und Mittagessen und ins Kino. Wir verbrachten auch so viel Zeit wie möglich in meiner Wohnung: liehen uns Filme aus, bestellten Essen, alles, um mit ihm allein zu sein. Es gab nicht eine einzige Auseinandersetzung.

Jackson rief ein paarmal an. Und obwohl ich gut performte, störte es ihn, wie kurz die Kämpfe nur dauerten. Geld war die eine Sache, aber ich wollte einfach keine Zeit vergeuden und nicht ohne Kitten sein.
Er war glücklicher, als ich ihn je erlebt hatte. Und zum ersten Mal fühlte ich mich wie ein normaler, heiler Mensch und nicht wie ein gebrochener, wütender Mann.

Abends legten wir uns immer wie ein altes Ehepaar zum kuscheln ins Bett. Doch je näher seine letzte Nacht rückte, desto schwerer fiel es mir, fröhlich zu bleiben und so zu tun, als sei ich nicht verzweifelt darum bemüht, dass alles so bleibt, wie es im Moment war.

Am Abend vor seiner letzten Übernachtung wünschte Jimin sich ein Abendessen bei Pizza Shack. Krümel auf dem roten Teppichboden, der Geruck nach Öl und Gewürzen, aber ohne die fiese Fußballmanschaft - es war einfach perfekt.
Perfekt, aber traurig. Das erste Lokal, in dem wir je zusammen zu Abend gegessen hatten. Jimin lachte viel, aber er gab nichts von sich preis. Nicht einmal erwähnte er unsere gemeinsame Zeit. Er befand sich immer noch in seiner Blase. Immer noch blind für alles. Dass meine Bemühungen dermaßen ignoriert wurden, war manchmal zum Verrücktwerden. Andererseits war es die einzige Möglichkeit für mich, zu versuchen, doch noch ans Ziel zu kommen - indem ich geduldig war und ihn bei Laune hielt.

An jenem Abend schlief er ziemlich schnell ein. Wie er so nur ein paar Zentimeter von mir entfernt lag, beobachtete ich ihn und versuchte, sein Bild in mein Gedächnis zu brennen. Wie seine Wimpern die Haut berührten, wie seine Haare zerzaust aussahen, der fruchtige, saubere Geruch seines eingecremten Körpers, das kaum hörbare Geräusch seiner Nase beim ausatmen. Er war so friedlich und fühlte sich inzwischen so sichtlich wohl dabei, in meinem Bett zu schlafen.
Die Wände rundherum waren bedeckt mit Fotos aus Jimins Zeit in dieser Wohnung. Es war dunkel, aber ich hatte jedes einzelne sowieso im Kopf. Jetzt, da ich endlich ein Gefühl von Zuhause hatte, ging er wieder.

•••

Am Morgen von Jimins letztem Tag fühlte ich mich, als würde ich von Trauer verschlungen, weil ich wusste, wir würden am nächsten Morgen alles für das Studentenwohnheim zusammenpacken. Kitten würde zwar da sein, vielleicht auch gelegentlich zu Besuch kommen, wahrscheinlich mit Taehyung, aber  dann wäre er mit Taemin zusammen. Ich stand kurz davor, ihn zu verlieren.

Der Sessel knarzt ein bisschen, während ich drin hin und her schaukelte und darauf wartete, dass er aufwachte. Die Wohnung war ansonsten still. Zu still. Diese Stille lastete schwer auf mir.

Yoongis Tür knarrte ein bisschen, als sie geöffnet und wieder geschlossen wurde. Barfuß kam mein Cousin dahergeschlurft.
Seine Haare standen stellenweise zu Berge, seine Augen waren noch verquollen. Er tappte zur Couch und musterte mich eine Weile unter der Kapuze seines Sweatshirts hervor.
Vielleicht war es kalt. Ich spürte nichts.

»Kook? Du wirst ihn wiedersehen.«
»Weiß ich.«
»Wenn ich mir dein Gesicht so ansehe, könnte ich daran zweifeln.«
»Es wird nicht dasselbe sein, Yoongs. Wir werden jeder unser Leben führen. Uns entfremden. Er wird mit Taemin zusammen sein.«
»Das weißt du doch gar nicht. Taemin wird sein wahres Gesicht zeigen. Jimin wird ihn durschschauen.«
»Dann eben mit jemand anderem, jemandem wie Taemin.«
Yoongi seufzte, zog ein Bein auf die Couch und umfasste es. »Was kann ich tun?«
»Ich habe mich seit Moms Tod nicht mehr so gefühlt. Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll«, stieß ich hervor. »Ich werde ihn verlieren.«
Yoongi runzelte die Stirn. »Dann wirst du also nicht mehr kämpfen, was?«
»Ich habe alles versucht. Ich kann einfach nich zu ihm durchdringen. Vielleicht empfindet er nicht so für mich wie ich für ihn.«
»Oder vielleicht versucht er einfach nur, es nicht zu tun. Hör zu, Taehyung und ich werden uns vom Acker machen. Du hast noch den heutigen Abend. Mach was Besonderes. Kauf eine Flasche Wein. Koch ihm irgendwelche Pasta. Du machst verdammt gute Pasta.«
Ich zog einen Mundwinkel hoch. »Pasta wird seine Meinung nicht ändern.«
Yoongi grinste. »Das kann man nicht wissen. Wegen deiner Kochkünste habe ich beschlossen, zu verdrängen, wie total durchgeknallt du bist, und bin hier eingezogen.«
Ich nickte. »Ich werd's versuchen. Ich werde alles versuchen.«
»Sorg einfach dafür, dass es unvergesslich ist, Kook«, sagte Yoongi und zuckte mit den Achseln. »Vielleicht sieht er es doch noch ein.«

Loving Disaster | JikookWhere stories live. Discover now