20. Wie gewonnen, so zerronnen

2.5K 146 83
                                    

Jimin sprach kaum ein Wort, während wir packten, und noch weniger auf dem Weg zum Flughafen. Er starrte nur vor sich hin, außer jemand von uns stellte ihm eine Frage. Ich war mir nicht sicher, ob er einfach in Verzweiflung versank oder sich nur auf die vor ihm liege de Herausforderung konzentrierte.

Beim Einchecken ins Hotel übernahm Taehyung das Reden und Vorzeigen der gefälschten Ausweise, als habe er das schon tausend Mal getan.
Da wurde mir klar, dass er das wahrscheinlich in der Tat schon mehrfach getan hatte. In Vegas hatten sich sich diese makellosen Ausweise beschafft. Und das war auch wohl der Grund, warum Teahyung sich nie Sorgen darum zu machen schien, was Jimin aushalten konnte. Sie hatten das alles schon erlebt, in den Abgründen von Sin City.

Yoongi war ein unverkennbarer Tourist. Mit zurückgelegtem Kopf bestaunte er die prunkvolle Decke. Wir bugsierten unser Gepäck in den Lift, und ich zog Jimin an mich.
»Bist du okay?«, fragte ich und berührte mit den Lippen seine Schläfe.
»Ich will hier nicht sein«, stieß er hervor.

Die Türen öffneten sich und gaben den Blick auf das komplizierte Muster des Teppichs auf dem Flur frei. Taehyung und Yoongi gingen in die eine Richtung, Jimin und ich in die andere. Unser Zimmer lag am Ende des Ganges.
Jimin steckte die Schlüsselkarte ins Schloss und stieß die Tür auf. Das Zimmer war geräumig und ließ das King-Size-Bett in der Mitte klein wirken.
Ich stellte die Koffer ab und drückte alle Knöpfe, bis der dicke Vorhang sich öffnete und den geschäftigen, blinkenden Strip von Las Vegad freigab. Ein anderer Knopf zog auch noch die durchsichtigen Gardinen beiseite.

Jimin achtete nicht auf die Aussicht. Er schaute nicht einmal hoch. Der Glamour und Glitzer hatten für ihn schon vor Jahren den Reiz verloren.

Ich ließ auch noch das Handgepäck auf den Boden fallen und schaute mich im Zimmer um. »Sieht doch ganz nett aus, oder?«
Jimin funkelte mich an.
»Was denn?«
Mit einer einzigen Bewegung riss er seinen Koffer auf und schüttelte den Kopf. »Das sind keine Ferien. Du solltest eigentlich nicht hier sein, Jungkook.«
Mit zwei Schritten war ich hinter ihm und schlang meine Arme um seine Taille. Er war hier anders, ich nicht. Ich war immer noch imstande, jemand zu sein, auf den er zählen konnte, jemand, der ihn vor den Gespenstern seiner Vergangenheit beschützte.

»Ich gehe da hin, wo du bist.«
Er lehnte den Kopf an meine Brust und seufzte. »Ich muss aufs Parkett. Du kannst hierbleiben oder dir den Strip ansehen. Wir treffen uns später wieder, okay?«
»Ich begleite dich.«
Er drehte sich zu mir um. »Nein, lieber nicht, Jungkook.«
Das hätte ich nicht von ihm erwartet, vor allem nicht den kaltem Ton in seiner Stimme.

Jimin berührte mich am Arm. »Wenn ich vierundzwanzigtausend Dollar an einem Wochenende gewinnen will, muss ich mich konzentrieren. Ich mag es nicht, wie ich an den Spieltischen bin, und ich mag nicht, dass du mich so siehst, klar?«
Ich strich ihm das Haar aus den Augen und küsste ihn auf die Wange. »Okay, Kitten.« Ich brauchte gar nicht so zu tun, als ob ich verstünde, was er meinte, aber ich würde es respektieren.

Taehyung klopfte und kam mit demselben Outfit hereinspaziert, das er auch auf der Date Party getragen hatte. Ich sah, dass er seine Augen betont haben musste.
Ich winkte Taehyung zu und schnappte mir die zweite Schlüsselkarte vom Tisch. Er machte sich sofort dran, Jimin aufzustylen. Dabei erinnerte er mich an einen Boxtrainer, der seinem Schützling vor einem großen Kampf gut zuredet.

Yoongi stand auf dem Flur und starrte auf drei Tabletts mit halb aufgegessenen Portionen, die Gläser aus einem anderen Zimmer einfach dort stehen gelassen hatten.
»Was willst du als Erstes machen?«, fragte ich.
»Ich werde dich definitiv nicht heiraten.«
»Du bist ja so was von witzig. Lass uns runterfahren.«
Kaum hatte sich die Aufzugtür wieder geöffnet, schien das Hotel zum Leben erwacht. Mir kam es vor, als seien die Flure die Adern und die Menschen das Blut darin. Grüppchen von Frauen, die wie Pornostars angezogen waren, Familien, Ausländer und die eine oder andere Junggesellenabschiedsorganisiertes Chaos.

Loving Disaster | JikookWhere stories live. Discover now