Kapitel 23- Alleingang

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Scarletts Sicht:

Wie sich herausstellte lag meine Zeit letztendlich sogar im gesunden Mittelfeld, weshalb ich, nachdem wir uns alle abgetrocknet und umgezogen hatten ein Gefühl von Befreiung und Energie verspürte.
„Wir haben es geschaf ft, V! Wie Butch & Sundance in der Klippenszene! Wir sind wieder einen Schritt weiter Agents zu werden!"
Ich gab ihr ein High-Five, was sie lachend erwiderte, während ich vor ihr her auf den Gang lief.
„Dabei hoffe ich ja jetzt eigentlich darauf, dass ich stattdessen zu den Analysten reinkomme... das hört sich so cool an!"
Auf dem Flur wartete Tanner bereits auf uns, lässig an die Wand gelehnt.
„Ich weiß gar nicht warum ihr so einen Schiss hattet, dieser Sprung vom 10 Meter Brett war doch das lustigste was hier bisher passiert ist."
In diesem Moment fiel mir ein, wie sauer ich ja eigentlich noch auf Tanner war dafür, dass er mich einfach so ohne Vorwarnung vom Sprungbrett geschubst hatte.
Unvermittelt trat ich ihm gegen das Schienbein, woraufhin ihm ein überraschtes „Aua!" entfuhr.
„Du Arsch, ich hätte mich ernsthaft verletzen können! Wie konntest du mich einfach schubsen!"
Er grinste selbstgefällig. „Ich musste doch irgendwie deine FBI Karriere retten. Du hättest da noch Jahre gestanden."
Ich funkelte ihn an. „Das stimmt überhaupt nicht. Ich wünsche dir, dass du bei der nächsten Prüfung mal Probleme hast, mal sehen, was du dann machst!"
V machte einen Schritt zwischen uns. „Beruhigt euch doch mal, wir haben es doch alle geschafft. Ihr streitet euch ja mal wieder wie die kleinen Kinder!"
Genervt drehte ich mich weg von Tanner.

„Briggs!", schallte es auf einmal durch den Flur und ich erkannte sofort Eves befehlende Stimme.
Wie ein Schuljunge, der zum Direktor geschickt wurde, drehte Tanner sich um.
„Was ist los?"
Anstatt auf seine Frage zu antworten, erklärte sie nur „Folgen Sie mir bitte einen Moment in mein Büro."
Tanner warf uns einen irritierten Blick zu, bevor er Evelyn hinterher ging, als könnte er sich beim besten Willen nicht zusammenreimen, was er angestellt hatte, und ich konnte das genauso wenig - Tanner hatte doch alle Prüfungen sehr gut gemacht? Seine Punktzahlen lagen weit oben und das Kiffen hatte er auch aufgegeben, seit wir Florida verlassen hatten. Stirnrunzelnd sah V ihm hinterher.
„Vielleicht ist es was gutes", überlegte ich, „vielleicht hat er diese Schwimmprüfung so gut gemacht, dass sie ihm irgendwas besonderes anbietet. Kann ja sein."
V nickte langsam. „Ja, das ist wohl möglich."

Nachdem Agent Alquist und Tanner aus unserem Blickfeld verschwunden waren, machten wir uns wie eigentlich geplant auf den Weg zu unserem Zimmer.
„Ich bin echt so froh, dass der blöde Fitness Test jetzt endlich durch ist! Dann kommen hoffentlich endlich mal die interessanten Aspekte des FBI Training Programms dran! Wie glaubst du geht es weiter? Ich hätte so Bock, was in diesem Fake Tatort Haus zu machen!"
„Du meinst Hogans Alley?", kam V direkt mit dem Fachausdruck an.
„Genau. Das wäre cool. Oder wir besprechen irgendwelche Mordfälle und wie man Leute profilet um sie zu lösen oder sowas interessantes! Ach, ich bin echt gespannt!"
V lächelte. „Ich auch."

Zwei Stunden später packte ich meine Sachen zusammen.
V und ich waren nach einer verständlichen Ausruh-Zeit auf dem Zimmer auf dem Weg zum Abendessen gewesen, als mich Agent Cooper abgefangen hatte.
„Hawkins, ich muss mit Ihnen sprechen", hatte er ohne Emotion in der Stimme erklärt, „kommen Sie bitte mit."
„Warum, was ist los?", war natürlich meine Reaktion gewesen, aber das einzige, was er hinzugefügt hatte war, „in meinem Büro."
„Was wollen Sie mit ihr bereden?", hatte V gefragt, die die ganze Sache wahrscheinlich für eine Schikane von ihrem Vater hielt (jedenfalls war mir diese Idee in den Sinn gekommen) - erst sollte Tanner mitkommen und dann ich? Verhörten die hier jeden einzeln und das war ein großer Psychotest nachdem man für körperlich fit genug befunden worden war?
„Sterling, das ist nicht Ihre Sache." Der Agent sah sie streng an.
Und es war tatsächlich nicht Vs Sache. Es war meine.
Er marschierte mit großen Schritten voraus und ich trottete mit einem unguten Gefühl im Bauch hinterher. Es konnte wahrscheinlich nur einen Grund geben, warum er mich in seinem Büro sprechen wollte.
Agent Cooper ließ sich in seinem eleganten lederbesetzten Stuhl nieder und ich arrang ierte mich auf dem dunkelgrauen Stoffstuhl auf der anderen Seite seines Schreibtischs.
Konnte ich nicht lieber mit Eve reden?
„Scarlett Hawkins, Ihr Fall ist wirklich ein besonderer", begann er mit seiner tiefen Stimme, „Wir haben ihn eingehend besprochen, und obwohl ihre Schwimmprüfungen durchschnittlich gut waren, können wir Sie nicht Agent werden lassen. Es wäre einfach nicht fair jedem anderen gegenüber, der den Fitness Test ebenfalls nicht bestanden hat."
Ich nickte. Das war natürlich einleuchtend.
„Aber was ist mit den Analysten? Könnte ich nicht vielleicht dahin wechseln? Eve... also Agent Alquist hat so etwas angedeutet..."
„Miss Hawkins", seine dunklen Augen sahen mich kompromisslos an, „Sie sind bereits auf unkonventionelle Weise hierhin gekommen, immerhin sind sie erst 19, also würde ich Ihnen raten, sich einfach nächstes Jahr wieder zu bewerben. Vielleicht ja dann direkt für die Analysten."
Nächstes Jahr? Er konnte mich doch nicht einfach nach Hause schicken!
Ein warmes, unangenehmes Gefühl machte sich in meinem Magen breit, eine Mischung aus Bedauern, Wut auf das FBI und Wut auf mich selbst. Alles, was ich hätte tun müssen, um jetzt bei den Analysten zu sein, wäre gewesen, mich besser im Voraus zu informieren!
Warum hatte ich nicht einen einfachen Sommernachmittag opfern können, um mir Vs Broschüre durchzulesen? Im Internet zu recherchieren? Ich recherchierte dauernd Dinge, von Buckewalpopulationen über Astronomen aus dem 16. Jahrhundert bis zu der Etymologie des Wortes Palaver, einfach weil es mir gerade in den Sinn kam, aber auch nur einen Gedanken an meine Zukunft zu verschwenden, das hatte ich nicht überlegt? Ich wünschte mir, in der Zeit zurück reisen zu können um meinem Ich von vor ein paar Monaten ein bisschen gesunden Menschenverstand beizubringen, aber für mich gab es jetzt keine Möglichkeiten mehr. Ich hatte mich darauf verlassen, dass schon alles irgendwie hinkommen würde, hatte unzweifelhaft die völlig falsche Entscheidung getroffen, weil ich nicht überlegt hatte - und jetzt zahlte ich den Preis dafür.
Eve hatte gesagt ‚mach dir keine Hoffnungen', aber natürlich hatte ich mir trotzdem welche gemacht! Nur, damit sie jetzt endgültig zerschellten, wie eine umgestoßene Keramikvase.
„Dann werde ich wohl meine Sachen endgültig packen", erklärte ich ungewöhnlich leise.
Maxwell Cooper nickte und machte eine Geste zur Tür hin. Beschämt und ohne ihn anzusehen verließ ich sein Büro.

Bis sie stirbt I FBI Academy Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora