Kapitel 20 - eine neue Diziplin

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Scarletts Sicht: Das Schwimmbad der FBI Academy unterschied sich nicht großartig von normalen Schwimmbädern. Es roch nach Hallenbad. Irgendwie abstoßend, diese Mischung aus Chlor, heißer Luft und undefinierbarem anderen fiesen Kram, Schweiß höchstwahrscheinlich.
„Ich hab das Gefühl, hier holt man sich Fußpilz", flüsterte ich Tanner angeekelt zu. „Ich hasse diese Schwimmbäder."
„Ich war noch nie in so einem", gab er zu und ich war überrascht. „Wie kommt's? Jeder kennt doch wohl Hallenbäder?"
„Nicht in Cedar Key. Sonnenschein 24/7, schon vergessen?" Er lachte.
„Oh unser Sunnyboy hat also sein erstes Hallenbaderlebnis heute? Was sagt man dazu."
„Du hast für öffentliche Schwimmbäder tatsächlich nie viel übrig gehabt, Scar", kommentierte V.
„Wozu auch, wir haben ja beide 'n eigenes. Du sogar zwei, eins außen und eins innen. Und das draußen habt ihr sowieso nur aus Bonzen-Gründen weil wann ist das Wetter in Washington schonmal warm genug dafür? Wobei ich zugeben muss, dass es immer noch ein klein wenig nützlicher war als unser Pool ohne Wasser."
Wir stellten uns neben den anderen Rekruten auf.
„Oh Scar, du bist noch dabei? Da bin ich ja froh, hast du doch noch bestanden?", fragte Annie interessiert. Ach ja, Annie, mein Rechercheprojekt. Was passierte damit eigentlich, jetzt wo ich entweder Analystin wurde oder mit freundlichen Grüßen den ganzen Laden verlassen würde?
Müsste ich meine bisherigen Recherche Notizen mit den ganzen Fragezeichen drauf rausrücken? Oder würde das ganze einfach im Sande verlaufen?
„Ja, hab's irgendwie hingekriegt, schätze ich", log ich, um die ganze Situation nicht erklären zu müssen.
„Oh, herzlichen Glückwunsch!" Annie lächelte mich an und ich nahm es ihr ab, dass sie sich wirklich freute.
„Ja, cool, dass du es geschafft hast", stimmte auch Sean zu.
„Scarlett Hawkins ist also noch im Rennen?", Hector tauchte neben ihm auf und lachte kurz über sein eigenes Wortspiel.
„Das sah echt knapp aus bei dem 1 1/2 Meilen Lauf."
„Du meinst es sah aus wie 'n lahmes Hühnchen, das noch versucht, die letzten paar Körner zu erreichen, bevor alle weg sind?", kicherte Tanner.
„Wow, netter Vergleich." V verdrehte die Augen.
„Chill, das war doch nur Spaß, oder, Scar?"
Ich wusste nicht genau, wie ich reagieren sollte, also nickte ich. Ich war nicht beleidigt von Tanners Hühnchen-Vergleich, aber V hatte recht damit, dass er ein wenig unerwartet bissig war.
„Weißt du, tatsächlich gleicht mein Rennstil mehr einer Gans", versuchte ich, die Stimmung nach der plötzlichen Spannung aufzulockern.
„Ja, das kommt hin", schaltete sich Hector ein, „aber wie 'ne süße Gans, weißt du, und nicht eine von diesen aggressiven, die angsteinflößend auf dich zu rennen." Irgendwie wirkten seine dunkelbraunen Augen immer ein wenig verschmitzt, auch wenn sie nicht zwinkerten. Halt so, als wäre er eine dieser Person, die es drauf hatten, zu grinsen und dabei zu zwinkern.
„Sollte das jetzt ein Kompliment sein im Gegensatz zu Tanners Kommentar?" ich zog die Augenbrauen ein paar Millimeter hoch, wie aus Reflex.
„Kann man so interpretieren."
Jetzt zwinkerte er tatsächlich.
Was sollte man davon nun halten?

„Trainees, wie ich sehe habt ihr euch alle hier versammelt für euren letzten Programmpunkt heute", erschallte die Stimme von einem Agent, den ich noch nicht kannte. Vermutlich war er der Schwimmcoach, jedenfalls hatte er ein breites Kreuz, war gebräunt und durchtrainiert und schien für das Schwimmprogramm verantwortlich also war es der offensichtliche Schluss.
„Ich weiß, ich weiß, ihr denkt euch gerade ‚Was hat schwimmen mit der Arbeit beim FBI zu tun?'"
Eigentlich dachte ich gerade darüber nach, wie irritierend es war, dass Gänse Zähne hatten, und darüber, wie sehr ich nicht über meine noch in der Schwebe hängende Zukunft nachdenken wollte, aber ja, klar, was hatte schwimmen mit der Arbeit beim FBI zu tun?
„Doch hierbei geht es um sehr viel mehr als nur schwimmen. Heute sollt ihr vor allem eins mitnehmen: Wie ihr in unerwarteten Situationen handelt, und wie ihr zusammenarbeitet."
Ich spähte rüber zu den bedrohlich hohen Sprungbrettern. Das ging bestimmt bis rauf zu 10 Meter. Ordneten die einen Sprung oder Fall von da oben etwa zu unerwarteten Situationen? Falls man mal von einer Superposse bestehend aus den besten Gesetzesvertretern des Wilden Westens gejagt wurde und von einer Klippe springen musste, wie Butch und Sundance? Falls ja wünschte ich mir einmal mehr, schon Analystin zu sein. Wobei wir ja vor hatten, die besten Gesetzesvertreter des Landes zu werden. Also kein perfekter Vergleich, aber so oder so schienen die hier gewisse Schwimm Skills vorauszusetzen.
„Also, beginnen wir mit dem Aufwärmen: 100 Meter schwimmen, wir werden eure Zeit stoppen."
Normales schwimmen? Das würde ich ja wohl hinkriegen. Wie alle anderen Rekruten auch, sah ich zu, dass ich ins Wasser kam, wo sich alle zunächst am Rand festhielten und auf das Startsignal warteten. „Voll gut, ich bin tatsächlich schnell im schwimmen, sogar schneller als V, macht euch gefasst!", konnte ich noch sagen, bevor eine Art Pfeifsignal ertönte und alles zu einem Chaos aus Wasser, Extremitäten, Luft holen, Augen auf und zu machen und sich so schnell wie möglich nach vorne stoßen verschwamm (verschwamm, ahaha.)
Auch hier merkte ich, wie ich nach einer Zeit schwächer wurde, aber anders als beim Rennen hatte ich die Kraft, das Wasser weiterhin zur Seite zu schieben und immer weiter vorzustoßen, denn ich war gut im Schwimmen, großen Zug um großen Zug katapultierte ich mich weiter, verlor ein bisschen Zeit beim Wenden, versuchte die Zeit danach wieder aufzuholen, ich war die schnellste hier, meine Atmung ging wieder schwer, aber das hier war die Disziplin, in der ich etwas beweisen konnte, ob ich nun eine Zukunft beim FBI hatte oder nicht.
Das Ende des Beckens von dem aus wir gestartet waren kam ein zweites Mal in Sicht, endlich, ich streckte meinen Arm aus, stieß das Wasser noch einmal stark mit den Beinen zurück, berührte den Kunststoff, konnte endlich ordentlich Luft holen.
„Na, auch angekommen?", hörte ich auf einmal von über mir, wo ich, als ich aufblickte, direkt in Tanners Paul Newman Augen blickte, die vom Schwimmen leicht gerötet waren. Er grinste selbstgefällig.
Neben mir tauchte V auf einmal auf (tauchte auf. Haha.) und holte ebenfalls zuallererst mal tief Luft.
„Wieso...? wie lange bist du schon draußen?", fragte ich Tanner irritiert. Ich dachte, ich wäre gut gewesen?
„Florida, Baby. Keine Sorge, du warst nicht schlecht - du auch nicht, V - schaut doch hinter euch, da kommen noch 'n paar Trainees, aber ich hab halt ein bisschen mehr Übung als ihr, schließlich war ich zuhause fast jeden Tag schwimmen."
Darüber konnte man wohl nicht diskutieren.
„Das selbe gilt für mich", brachte sich auf einmal Lacey ein, die (hatte man noch Töne?) auch bereits raus aus dem Schwimmbad, süffisant lächelnd zu uns rüber geschlendert kam.
„Wobei, jeden Tag zu schwimmen, da hatte ich dann doch keine Zeit zu..."
Ihre nassen Haare sahen aus wie aus einem dieser Werbebilder, die man in Zeitschriften sah, um Make-Up oder Parfüm oder sonst was anzupreisen, anstatt dass sie ihr unordentlich am Kopf klebten, und der einfache dunkelblaue FBI Badeanzug stand ihr sogar. In anderen Worten, wenn Hollywood jemanden für ein Live-Action-Remake von Ariel casten müsste, könnten sie zu Lacey gehen. Ich mochte keine Remakes.
Ich stemmte mich mit den Armen hoch und schwang mich aus dem Becken heraus, was V in gewisser Weise aufzurütteln schien, denn sie tat kurz darauf das selbe.
„So, von mir aus können wir weiter machen", kommentierte ich kurz angebunden, obwohl wir in Wahrheit von mir aus ganz und gar nicht weitermachen konnten. Mir war ein wenig schwummrig von der Anstrengung und ich wollte mich einfach nur hinsetzen und etwas trinken.

Bis sie stirbt I FBI Academy Where stories live. Discover now