Kapitel 34

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Die Portaltür stand weit offen und wir betraten die festlich geschmückte und hell erleuchtete große Halle. Es waren noch viele Plätze frei und wir ließen uns am Slytherintisch relativ weit vorne
nieder. Ich hoffte, dass dann ein geringeres Risiko bestand, gesehen zu werden, weil dann nicht jeder an uns vorbei laufen musste.
Allerdings hatte ich nicht bedacht, dass wir dann auch wieder beim frühzeitigen Verlassen der großen Halle, an allen Schülern vorbei gehen mussten. Eigentlich wollten wir ziemlich schnell nach dem Festessen die Halle verlassen, um etwas Zweisamkeit zu verbringen, aber das unterließen wir aus diesem Grund. 

Glücklicherweise war die Ansprache von McGonnagal nicht  so lang wie gewöhnlich, denn sie merkte, dass viele Schüler ihre Aufmerksamkeit nicht der Ansprache seitens der Schulleitung schenkten. Ein Großteil der Schüler stand unmittelbar nach dem Essen auf um ihre Schlafsäle zu beziehen, oder sonstigen anderen Freuden nachzugehen. Vor allem der Slytherintisch leerte sich zu unser beider Freude erstaunlich schnell.
Am Gryffindortisch saßen noch James und Rose. Rose unterhielt sich sehr angeregt mit einem anderen Gryffindorschüler.

James sah immer wieder zu uns beiden hinüber, als wöllte er sich vergewissern, dass seinem kleinen Bruder niemand etwas antat. Es war schön irgendwie rührend, wie sich James um Albus kümmerte, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass es Albus etwas peinlich war. Manchmal hätte ich mir wirklich einen Bruder, oder zumindest eine Schwester gewünscht, auf die ich jetzt aufpassen konnte, aber dazu kam es ja leider nie.
„Willst du noch was essen, oder können wir aufstehen. Ich denke der Tisch ist inzwischen so leer, dass wir es wagen können aufzustehen“, flüsterte Albus mir ins Ohr. Sein warmer Atem, der gegen meinen Hals blies, verursachte mir eine Gänsehaut über den Nacken, bis zum Rücken.

„Von mir aus können wir gleich los. Aber wir gehen noch nicht direkt in den Gemeinschaftsraum. Die warten bestimmt schon wie die Schlangen
auf ihre Beute; auf uns. Inzwischen weiß es bestimmt jeder“, befürchtete ich.
„Wie die Schlangen, das trifft es wohl sehr genau. Sind ja schließlich alles Slytherins, genau wie wir. Aber es sind keine Kannibalen; Schlangen fressen keine Schlangen, will ich jedenfalls hoffen“, witzelte er und gab mir einen flüchtigen Kuss.
Erschrocken sah ich ihn an. „Albus, das hätte jemand sehen können!“, rief ich aufgebracht und sah mich hektisch um.
„Mach mal kein Drama draus. Die wissen doch sowieso alle Bescheid“, beruhigte mich Albus. „Und wenn doch wieder so ein Möchtegern kommt und denkt er kann nen blöden Spruch ablassen, haben wir ja immernoch meinen großen heldenhaften Bruder!“, wobei er die letzten vier Worte lautstark durch die Halle dröhnte, damit James es auf jedenfall mitbekommen musste.

Albus hatte sich nicht ein einziges Mal zu seinem Bruder umgedreht, aber er wusste scheinbar trotzdem, dass er noch am Gryffindortisch saß und ihn die ganze Zeit über immer wieder beobachtet hatte. Spürte man wirklich die Anwesenheit eines Geschwisterteils, oder kannte er James einfach so gut, um wissen zu können, dass er die ganze Zeit da war.

Jetzt erst dreht sich Albus zu seinem Bruder um und beide sahen sich grinsend ins Gesicht. Durch den lauten Ruf zu James hatten sich alle verbliebenen Schüler, egal welchem Hause sie angehörten, umgedreht und sahen zwischen James und Albus hin und her. Auch der Lehrertisch schien seine Aufmerksamkeit den beiden Potterjungen zu schenken. James stand auf und kam langsam auf uns zu. Er setzte sich neben Albus auf die Bank und legte seinen Arm über Albus' Schulter.

Es war vielleicht das erste Mal, dass ich die beiden so nah nebeneinander sitzen sah, denn mir war vorher nie bewusst gewesen, wie ähnlich sie sich sahen. Beide hatten diese schwarzen, ungezähmten, wilden Haare und beide hatten dieses herzhafte, warme Lächeln, welches ich vom ersten Augenblick bei Albus geliebt hatte.

„Und auf diesen großen, heldenhaften Bruder kannst du dich immer verlassen, denn diesem Bruder bedeutete sein kleiner Bruder unglaublich viel“, sagte James und stand wieder auf, wobei er Albus einen Kuss auf den Hinterkopf gab. James zwinkerte mir zu. „Ich hoffe das war okay für dich, dass das Recht des Küssens auch mir vorbehalten ist“, sagte James im Vorbeigehen.
„Solange es beim Hinterkopf bleibt ist es mir egal“, rief ich ihm hinterher. Auch wir standen auf und ich packte mutig Albus Hand. Mit stolzer Brust und einem Strahlen auf den Lippen schlenderten wir aus der großen Halle hinaus.

Scorbus | Father And Son - Erbe der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt