Kapitel 4:

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Als Scorpius am nächsten Morgen aufwachte, sah er, mit noch halb geschlossenen Augen auf seinen Wecker.
„Noch nicht mal halb sieben. Na toll!", grummelte er gähnend. Er schloss seine Augen, konnte aber einfach nicht mehr einschlafen und entschied sich, eins von seinen neuen Schulbüchern durchzulesen. Er kramte in seiner Tasche und zog ein dickes Buch heraus.

'Zaubertränke für Fortbeschrittene' stand mit grüner Schnörkelschrift darauf. Scorpius blätterte in dem Buch umher und schlug die Seite mit dem Trank auf, den er gestern von seinem Vater vor die Nase gesetzt bekommen hatte.
„Der Amortentia. Er verursacht eine starke Verliebtheit oder Besessenheit, kann aber keine echte Liebe erzeugen. Er gilt als gefährlicher Zaubertrank", las Scorpius leise vor sich hin. Je länger er darüber nachdachte, desto eher wurde ihm bewusst, dass dieser Liebestrank nur Schaden zufügen würde. Mit dem Amortentia würde er sowieso nicht erreichen, dass er wirklich geliebt wird. Des Weiteren würde es nur zu Problemen mit seinem Großvater kommen.
Er schlug das Buch zu, steckte es wütend zurück in seine Tasche und machte sich auf den Weg, runter in die Küche.
Wahrscheinlich war sowieso noch niemand außer ihm wach, dann konnte er in Ruhe und ohne Störungen frischen Kürbissaft trinken, den Narzissa gestern zum Pudding dazu gemacht hatte. Doch als er auf der letzten Treppenstufe ankam, war auch diese Hoffnung getilgt.

Er hörte wie sich sein Vater mit Narzissa unterhielt. Sie saßen im Wohnzimmer auf dem neuen braunen Sofa, das Draco vor wenigen Tagen gekauft hatte. Scorpius wurde schnell klar, worüber sie sich unterhielten. Es ging um ihn. Es ging darum, was er gestern mit seinem Vater besprochen hatte, aber er bekam nicht viel mit, denn Draco wechselte gerade das Thema.
Jetzt erzählte er auch Narzissa, das er bald erneut Vater werden würde. Narzissa war außer sich vor Freude: „Oh, mein Junge. Das ich das noch miterleben darf. Ich hab eigentlich schon mit dem Gedanken abgeschlossen, dass ich nochmal Oma werde. Wann ist es endlich soweit?"
Draco war etwas überrumpelt von der Reaktion seiner Mutter.
„In sieben Monaten. Ach und da ist noch was. Das weiß Scorp auch noch nicht - Scorp bekommt nicht einfach nur ein Geschwisterchen - genauso wenig wie du einfach nur so Oma wirst. Nein..." er schnaubte lachend auf: „Inklusive Scorp wirst du in sieben Monaten sogar drei Enkelkinder haben. Arirma bekommt Zwillinge!"
Jetzt hatte Draco wieder dieses unglaublich breite Grinsen auf den Lippen, wie gestern, als er in die Küche kam. Scorpius stieß die Wohnzimmertür auf und sah seinem Vater fassungslos in die Augen.
„Zwillinge?", fragte er überrascht nach. Ihm war die Freude ins Gesicht geschrieben.

„Scorpius, wo kommst du denn her?", riefen Narzissa und Draco wie aus einem Mund. Sie sahen sich beide entsetzt in die Augen.
Narzissa wurde unruhig und man sah ihr an, dass irgendetwas nicht stimmte. „Mein Junge! Wie - wie lange stehst du schon hier? Was hast du alles gehört?", wollte Narzissa wissen, die mit leicht zittriger Stimme und unfassbar entsetztem, aber auch besorgtem Blick auf ihren Enkel hochsah, der inzwischen vor den beiden stand.
„Gibt es etwa irgendwas, das nicht für meine Ohren bestimmt sein sollte? Worüber habt ihr geredet? Ihr verheimlicht mir doch was!", erwiderte Scorpius, der nun auch unruhig wurde. Mit festem Blick sah er zu seiner Großmutter und blickte dann auf seine Vater.
„Scorpius", fing Draco mit genauso unsicherer Stimme wie seine Mutter an. „Es geht um deinen Opa. Wir haben gestern einen Brief aus Askaban bekommen.

„Was ist mit Opa? Ist er – ist er etwa – tot?“, fragt Scorpius vorsichtig aber entsetzt nach.
Draco und Narzissa rissen die Augen auf.
„Bei Salazar, nein! Das hab ich damit nicht gemeint. Er ist nicht tot. Dein Opa ist geflohen, aus Askaban. Und du kannst mir glauben, dass es fast unmöglich ist, da alleine und ohne Hilfe rauszukommen.“
„Und deswegen befürchtet das Zaubereiministerium, dass wir irgendetwas mit dem Verschwinden zu tun haben“, warf Narzissa mit bebender Stimme ein.

„Aus dem Grund werden wir jetzt rund um die Uhr beobachtet. Um unser Haus sind überall Dementoren, deshalb musst du vorsichtig sein, wenn du raus gehst“, fügte Draco mit einer festeren Stimme, als seine Mutter hinzu.
„Aber wir haben damit doch nichts zu tun – oder etwa doch?“, fragte Scorpius empört und mit weit auf gerissenen Augen sah er von seiner Großmutter zu seinem Vater.

„Nein, natürlich nicht. Dein Opa hat einen unschuldigen Menschen getötet, es ist für ihn schon richtig in Askaban zu sitzen“, beruhigte ihn Narzissa mit besänftigender Stimme. „Allerdings besteht auch das Gerücht, das es möglicherweise andere Gründe hat, weshalb er entkommen konnte.
Lucius ist nicht der einzige, der geflohen ist. Auch andere Todesser konnten fliehen. Und darunter waren auch die Carrows. Es könnte sein, dass…“ Narzissa blieben die Worte im Hals stecken.
„Dass der dunkle Lord wieder zurückkommt“, vervollständigte Draco den angefangen Satz mit großer Ehrfurcht. „Die Anzeichen häufen sich.“

Scorpius riss die Augen auf und starrte seinen Vater entsetzt an. Im Raum war für einen Moment eine drückende Stille. Scorpius wusste genau, was das heißen würde. Er hatte den dunklen Lord zwar nie miterlebt, aber er wusste, was Voldemort seiner Familie angetan hatten.
Er sah, wie Narzissa verkrampft nach der Hand von Draco fasste. „Und sollten diese Gerüchte wirklich stimmen, wird – der dunkle Lord sich furchtbar an uns rächen“, schluchzte Narzissa mit weinerlicher Stimme.

„Aber wie kann das sein? Wie kann es sein, das er zurück ist? Also ich meine – wie konnte er es schaffen?“, stammelte Scorpius, der sich inzwischen auf den Boden vor Narzissa und Draco gesetzt hatte.
„Oh Scorp“, lachte Draco gequält auf. „Er wird immer wieder Wege finden, um zurückzukommen – aber es steht ja noch gar nicht fest, ob an diesen Gerüchten etwas dran ist. Es kann auch andere Gründe haben, weshalb mehrere Todesser geflohen sind. Wir sollten uns besser ein anderes Mal darüber unterhalten. Sag mir lieber, warum du so früh aufgestanden bist. Schließlich hast du noch mehr als genug Zeit, bis du los musst.“
„Ich konnte nicht mehr einschlafen. Also bin ich runter gekommen, um mir in der Küche etwas Kürbissaft zu holen. Aber dann hab ich euch gehört und mitbekommen, dass ihr irgendetwas über mich gesagt habt. Und dann hast du das mit den Zwillingen gesagt. Was dann passiert ist, weißt du ja“, erklärte er, immernoch geschockt von der Tatsache, dass da draußen, vor seinem Haus Dementoren rumschwirrten und irgendwo Lord Voldemort rumlaufen könnte.

Scorbus | Father And Son - Erbe der VergangenheitWhere stories live. Discover now