Kapitel 5: Die Flucht

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Scorpius Sicht:
Narzissa stand auf, nahm mich fest an der Hand, als wöllte sie damit zeigen, dass ich keine Angst haben musste, dass sie auf mich aufpassen würde. Sie ging mit mir in die Küche, zeigte mit dem Finger auf den Stuhl am Tisch, sagte aber kein Wort.  Sie ließ meine Hand los und ich setzte mich auf den Stuhl, auf den sie gezeigt hat.
Sie holte ein Glas aus dem Schrank und schüttete etwas Kürbissaft hinein. Sie stellte es wortlos vor mir auf den Tisch und schaute besorgt aus dem Fenster. Jetzt kam auch Dad in die Küche und hockte sich vor mich. Er legte seine Hände auf meine beiden Knie und sah traurig auf den Boden. Als er fast in Zeitlupen-Geschwindigkeit seinen Kopf hob und mir in die Augen blickte, konnte ich sehen, wie sich seine Augen mit schweren Tränen gefüllt hatten. Sein Atem war ungleichmäßig, woran ich erkannte, dass er beängstigt war. Auch mir stiegen zunehmend die Tränen in die Augen, denn mir war klar, wenn Dad, und vor allem Oma sich so verhielt wie jetzt gerade, musste etwas schlimmes passiert sein. Oder eben noch nicht passiert sein.

Oma kam auf uns zu und stellte sich hinter Dad. Sie legte ihre Hand auf die Schulter meines Vaters. Er schaute sie erschrocken an, da er nicht bemerkt hatte, dass sie sich hinter ihn gestellt hatte. Nun legte ich eine Hand auf die meines Vaters und mit der anderen Hand umfasste ich die freie Hand von Narzissa. Für einen Moment war es still und wir spürten untereinander eine solche starke innerliche Verbindung, wie ich sie noch nie zwischen uns dreien erlebt habe.
Es war ein so starkes Band, was uns in diesem Moment zusammenhielt. Ein Moment, in dem wir alles um uns herum vergaßen und nur uns, als Familie wahrnahmen. Nur eine Person der Familie fehlte mir jetzt.
Was hätte ich darum gegeben, jetzt, in diesem Moment das Band unserer Verbundenheit, mit Mum zu vervollständigen. Das hier, war einer dieser Momente, in denen ich Mum so unfassbar vermisste. Und ich war mir sicher, Dad ging es genauso wie mir.

Dad sah mir wieder in die Augen und ich konnte eine kleine, glasige Träne sehen, die gerade aus seinem Auge, über seine Wange kullerte. Er versuchte etwas zu sagen, hatte aber große Mühe, den Kloß in seinem Hals herunterzuschlucken.
„Was gäbe ich - jetzt darum - Astoria hier zu haben. Sie würde alles vervollständigen", schluchzte er, mit einen solch durchdringenden Blick, wie es nur mein Vater konnte. Bei den Worten kam es mir so vor, als hätte sein Mundwinkel leicht gezuckt und ein Schimmer eines Lächelns tauchte auf seinen Lippen auf.

Wir verweilten noch einige Minuten in dieser Position, als es an der Tür klopfte. Oma löste ihre Hand aus meiner und ließ die andere, die immernoch auf Dad's Schulter lag, sinken. Langsam ging sie zum Fenster, um zu sehen, wer vor der Tür war und klopfte. Es waren zwei Auroren, die sich wahrscheinlich selbst davon überzeugen wollten, dass Großvater nicht bei uns Zuflucht suchte.
Narzissa ging langsam zur Haustür, um den beiden Auroren Einlass zu gewähren.

Dad und ich, waren immernoch in der Küche und verharrten in der Position, die wir vor einigen Minuten eingenommen hatten. Als die beiden Auroren in die die Küche traten, richtete sich mein Vater langsam auf. Einer der beiden Auroren war damals in derselben Stufe gewesen wie er, ein Ravenclaw.

„Guten Tag - wie können wir Ihnen helfen? Ich denke, es geht um die Flucht meines Vaters?", fragte er, mit einer so festen und sicheren Stimme, dass es fast bewundernswert war. Wie schaffte er es, nachdem er noch vor wenigen Augenblicken Tränen in den Augen hatte, ein so sicheres und selbstbewusstes Auftreten an den Tag zu legen. In seiner Stimme war kein Funken davon zu merken, dass er im Moment am liebsten losgeheult hätte. Aber so war mein Vater nun mal. Er konnte sich, wenn es nötig war, von einem auf den anderen Moment komplett verstellen und ein bewundernswertes Schauspiel abgeben.

„Ja. Genau deswegen sind wir hier. Wie Sie ja bereits wissen, ist es fast unmöglich, ohne die Hilfe eines anderen, aus Askaban zu fliehen. Und da Sie mit Lucius Malfoy verwandt sind, beziehungsweise sein Sohn sind, liegt es nahe, dass Sie etwas mit dem Verschwinden zu tun haben", sagte einer der Auroren.
„Malfoy, dein Vater ist geflohen und da liegt es sehr nahe, dass er hier ist. Wir müssen das gesamte Haus durchsuchen, das Ministerium hat uns die Erlaubnis dazu gegeben. Aber vorher müssen wir euch noch einige Fragen stellen", erklärte jetzt der Auror aus Ravenclaw.

„Scorpius, geh bitte auf dein Zimmer. Du hast bestimmt noch was zu tun, vor deiner Abreise", sagte mein Vater mit solch einer Ruhe, dass es fast unheimlich war.
Ich tat, was er mir befohlen hatte und verließ die Küche, um in mein Zimmer zu gehen. Auch wenn ich gerne gehört hätte, was diese Auroren meinen Vater fragen wollten. Ich ging langsam die Treppe hinauf, um noch so viel wie möglich mitzubekommen, aber mein Vater kannte mich einfach zu gut. Er wusste ganz genau, dass ich versuchte irgendetwas aufzuschnappen.

„Scorpius, jetzt aber hopp. Ich weiß ganz genau, dass du noch in Reichweite bist. Das Gespräch hier geht dich nichts an, also geh schon. Es bringt nichts, wenn du die Treppe so hinaufschleichst. Ich werde erst hier anfangen, wenn du weg bist", sagte mein Vater. Und auch ich kannte meinen Vater nur zu gut, um zu merken, dass in seiner Stimme ein wenig Trauer und Angst wiederhallte.

Scorbus | Father And Son - Erbe der VergangenheitWhere stories live. Discover now