Kapitel 13

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„Guten Morgen. Mr. Malfoy, es ist an der Zeit aufzustehen. Ich hoffe, Sie konnten noch ein wenig schlafen“, raunte ein Stimme. Es war die Stimme von Madame Pomfrey.

Verschlafen und blinzelnd nahm ich war, dass sich inzwischen das halbe Lehrerkollegium um Scorpius und mich versammelt hatte. Ich hatte die ganze restliche Nacht auf dem Stuhl neben seinem Bett gesessen und meinen Kopf auf die Matratze gelegt, während ich durchgängig seine Hand hielt. Auf meinem Gesicht zeichneten sich Schlaffalten ab und mein Mund fühlte sich an, wie die Wüste Gobi, immerhin hatte ich seit Stunden nichts mehr zu trinken zu mir genommen, da ich über den ganzen gestrigen Tag kaum getrunken hatte.

„Wie geht es Ihnen heute?“, wollte nun eine andere Stimme wissen, Minerva.
Ich wollte etwas sagen, aber meine Lippen klebten vor Trockenheit aneinander. Neville kam mit einem Glas Wasser auf mich zu und reichte es mir. „Trink, Draco. Wir wollen ja nicht, dass du uns hier noch verdurstest“, entgegnete er mit einem andeutenden Lächeln. Daraufhin machte ich eine dankende Kopfbewegung und nahm das Glas in die freie Hand, setzte es an meine spröden, rissigen Lippen und trank das Glas in einem Atem leer. Das leere Glas stellte ich neben mich auf den Nachttisch. Durch das Hochschauen auf den Nachttisch, vergewisserte ich mich, ob Scorpius inzwischen aufgewacht war, aber da war nichts, was darauf hindeutete.

Ich drehte mich wieder zu der Masse von Lehrer und stellte fest, dass sie mich erwartungsvoll ansahen. Aber anstatt auf die mir gestellte Frage einzugehen, stellte ich selbst eine: „Wie geht es Scorpius? Madame Pomfrey, hat sich sein Zustand verbessert? Immerhin kennen Sie sich mit dem Wohlbefinden von anderen besser aus als ich und Sie können besser einschätzen, ob sich etwas geändert hat.“

Madame Pomfrey sah Minerva verunsichert an und blickte mich dann ernst an. „Nein, ich muss Sie leider enttäuschen, es hat sich nichts verbessert. Wenn man überhaupt von einer Veränderung sprechen kann, hat sich sein Zustand eher verschlechtert. Sein Körper ist vollkommen unterkühlt und ich bin mit meiner Weisheit am Ende. Ich weiß wirklich nicht mehr, wie man ihn noch erwärmen könnte. Das Blut von Scorpius zirkuliert nicht mehr richtig und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Blut vollkommen aufhört zu zirkulieren.“
„Und was heißt das? Soll das etwa heißen, dass mein Sohn in – Lebensgefahr ist?“, ich war entsetzt. Das konnte doch nicht wahr sein. „Aber man muss doch irgendetwas tun können.“
„Es tut mir Leid Draco, aber ich denke man kann da wirklich nichts gegen tun. Außer vielleicht…- Ja, das ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit. Vielleicht wird er durch deine Anwesenheit sein jetziger Zustand wieder stabilisiert. Aber ich will dir keine unnötigen und falschen Hoffnungen machen“, informierte mich Neville, der auch viel Sorge in seinen Augen zeigte.

Er hielt sich an dem Geländer am Bettrand fest und sah mich besorgt an. Zu meiner Schulzeit hatte ich keinerlei Zuwendung und Sympathie gegenüber Neville gezeigt, ganz im Gegenteil. Ich hab ihn so oft beleidigt und runtergemacht und jetzt, jetzt sahen wir uns fast als Freunde in die Augen. Er sah mich so besorgt und mitleidig an, obwohl ich ihn früher so unfair behandelt hatte. Das war mir unverständlich.
„Draco, aber sagen Sie uns doch mal, wie es Ihnen selbst geht? Immerhin ist auch ihr Wohlbefinden von Bedeutung. Äußerlich geht es Ihnen vielleicht gut, aber seelisch, sind sie stark angefressen. Es war für Sie gestern ein Schock, Ihren Sohn so zu sehen“, entgegnete jetzt auch Professor Sprout, die ebenfalls in dem Lehrerpulk stand.
„Es geht hier nicht um mich. Es geht einzig und allein um meinen Sohn“, erwiderte ich ruhig.

„Eben nicht. Es geht auch um Sie Mr. Malfoy, auch Sie sind in keinem guten Zustand. Und sollten Sie – wovon ich ausgehe – die nächste Zeit bei Ihrem Sohn bleiben wollen, empfehle ich Ihnen, es nicht zu übertreiben. Sie machen sich selbst kaputt. Ich denke, Sie sollten sich mit jemand anderem, der Scorpius sehr nahe steht, abwechseln – also was das betreuen von Ihrem Sohn angeht. Auch Sie müssen ab und an eine Pause machen. Vielleicht können Sie sich mit Ihrer Mutter, oder Mr. Potter abwechseln? Immerhin ist Albus, wie uns allen bekannt ist, ein sehr enger Freund Ihres Sohnes“, stellte Slughorn mit fester und ernster Stimme fest.

Ich seufzte hörbar auf und gab dann nach. „Ja, schon okay, ich weiß, was Sie meinen. Aber es geht mir wirklich gut, abgesehen davon, dass ich die letzte Nacht kaum ein Auge zubekommen habe und deshalb ziemlich erschöpft bin. Und ja, ich wäre ihnen echt verbunden, wenn Sie meine Mutter informieren würden. Normalerweise würde ich das ja selbst machen, aber ich will Scorpius nicht alleine lassen.“
„Das ist doch kein Problem. Natürlich können wir Mrs. Malfoy informieren, aber auch wenn Sie für einen Moment gehen würden, wäre Scorpius nicht allein. Albus ist ja auch noch da“, erklärte mir Minerva mit einen so herzlichen lächeln, dass es mir unmöglich machte, nicht selbst ein wenig zu lächeln. Die Tatsache, dass Scorpius immer jemanden um sich hatte, auch wenn ich es nicht war, war für mich zusätzlich sehr beruhigend. Ich war froh, dass wenigstens mein Sohn einen solchen engen Freund hatte, der immer für ihn da war, schließlich hatte ich so welche nicht. Ich hatte Pansy, Blaise, Crabbe und Goyle, die man nicht wirklich als solch enge Freunde bezeichnen konnte.

Jetzt bemerkte ich auch, dass sich Albus in der Menge versteckte. Er stand hinter einem weiteren Lehrer, der mir unbekannt war. Er streckte seinen Kopf an ihm vorbei und zwängte sich langsam nach vorne, um Scorpius besser zu sehen. Scheinbar war er gerade erst gekommen, denn Professor Slughorn wirkte etwas überrascht, als er Albus sah. „Mr. Potter, da sind Sie ja. Ich denke, es ist für Sie in Ordnung, wenn Sie ebenfalls ein Auge auf Ihren Freund werfen. Sie können sich mit Mr. Malfoy abwechseln. Natürlich müssen Sie sich die Zeit so einteilen, dass Sie regelmäßig den Unterricht besuchen.“

Albus nickte zustimmend und lächelte mir dann freundlich aber besorgt zu. Er kam näher an das Bett und setzte sich dann vorsichtig auf den Rand des Bettes. Dabei versuchte er so wenig Platz einzunehmen, wie es ihm möglich war, um Scorpius nicht zu bedrängen und auch einen gewissen respektvollen Abstand zu mir aufzubauen. Jedoch hatte er es zu gut gemeint und etwas zu wenig Platz für sich eingeplant, so dass er vom Bettrand rutschte und mit dem Hintern auf den kalten Boden klatschte. Dabei versuchte er sich krampfhaft an dem nächstbesten festzuhalten, was er greifen konnte, nämlich – Scorpius Bettdecke. Mit aller Kraft versuchte ich dagegenzuhalten und die Bettdecke festzuhalten, was mir allerdings missling, da ich nicht schnell genug reagieren konnte. Also passierte, was passieren musste, er riss die Decke runter. Es war ja nicht schon so, dass Scorpius sowieso schon unterkühlt war – nein – er musste ihm auch noch die wärmende Decke wegziehen. Ich konnte mir ein krampfhaftes auflachen nicht verkneifen und auch die anderen mussten lachen, da der Gesichtsausdruck von Albus wirklich lächerlich komisch aussah. Einige Sekunden verweilte er am Boden, immernoch mit der weißen Bettdecke in seinen Händen und richtete sich langsam am Bett auf. Gemeinsam mit Albus legte ich Scorpius wieder behutsam die Decke über.

Kurz danach kam Minerva von der Eingangstür des Krankenflügels auf uns zu, wobei ich sagen muss, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, dass sie den Raum überhaupt verlassen hatte. „Ich habe jetzt Ihre Mutter informiert. Sie wird wohl in der nächsten Zeit hier eintreffen“, informierte sie mich. Dann zwinkerte sie mir mit dem rechten Auge kaum merklich zu. „Alles wird sich zum Guten wenden, Draco. Bestimmt. Mir scheint, als wäre Scorpius jetzt in guten Händen und deshalb denke ich, dass wir Sie beide getrost alleine lassen können. Madame Pomfrey wird sich Ihren Sohn aber nochmal genau anschauen. Ich bestehe darauf.“
Daraufhin drehte sie sich um, sah mich aber vorher nochmal zuversichtlich an und verließ zügig den Krankenflügel, die anderen Lehrer hinterher.

Scorbus | Father And Son - Erbe der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt