Epilog

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Sie drehte sich ein weiteres Mal vor dem Spiegel. Das weiße Kleid bauschte sich auf und flog ein wenig in die Luft. Sie lachte. Das Kleid war wunderschön. Es war seinen Preis wert!

"Nun ist aber mal gut hier!" lächelte Josy ihr im Spiegel entgegen. Sie probierte Marry gerade die Haare zu machen, doch diese war viel zu sehr von ihrem Kleid hingerissen.

Das bodenlange, schlichte, weiße Kleid hatte keine Träger. Es lag eng am Oberkörper, aber ab der Hüfte fiel es weit nach unten. Unten war es mit Hilfe eines Reifrockes schön rund gemacht. Eine kleine Schleppe rundete das Ganze ab.

Nach der Ermahnung ihrer besten Freundin und Trauzeugin stand Marry still und ließ sich Locken von Josy machen.

Schließlich wollte sie heute schön aussehen. Schön für Eric. Es war ihre Hochzeit!

Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ Josy von ihr ab und lächelte sie warm an.

"Noch ein paar Spangen und du bist die schönste Braut, die es je gab!"

"Du erzählst Quatsch!" Genau so, wie noch vor fast 6 Jahren konnte Marry noch nicht wirklich mit Komplimenten umgehen.

"Doch! Das bist du!" widersprach Josy ihrer Freundin und nahm die Spangen mit den kleinen weißen Perlen vom Tisch neben dem Spiegel. Damit steckte sie die vorderen Haarsträhnen nach hinten. Schnell war sie fertig und betrachtete ihr Werk im Spiegel.

"Also, ich möchte ja nicht komisch klingen, aber ich finde, dass ich das toll hinbekommen habe!" grinste Josy. Marry war der gleichen Meinung, nickte aber nur. Vor ihrem ihneren Augen ließ sie gerade die Geschehnissen der letzten Monate und Jahre Revue passieren:

Nachdem Eric und Marry sich vor allen geküsst hatten und Alina, die vor kurzem übrigens Ben geheiratet hatte und schon einen kleinen Sohn, namens Justin Jason, hatte, aus dem Klassenraum gelaufen war, wurde irgendwie bekannt, was Alina getan hatte. Danach war sie bei allen unten durch. Eben nur bei Ben nicht, der schon, als er noch mit Josy zusammen gewesen war, ein Augen auf sie geworfen hatte. Er hatte sich ziemlich schnell von Cindy getrennt, die sich auch von Alina abgewendet hatte und sie waren gute Freunde geworden. Ein Wunder, dass Alina sowas konnte. Also mit einem Jungen nur befreundet sein. Das ging auch ziemlich lange gut. Doch irgendwann drangen halt doch die alten Neigungen von Alina durch und sie schienen während des Studiums zusammen im Bett gewesen zu sein. Bald darauf waren sie offiziell zusammen gewesen. Und dann, drei Monate später, ging das Gerücht auf den Campus rum, dass sie schwanger war. Und ein halbes Jahr später war der kleine Justin Jason zur Welt gekommen.

Marry und Eric waren natürlich die ganze Zeit zusammen und auch irgendwie verlobt gewesen und als Eric ihr an ihrem fünften Jahrestag dann noch einmal, ganz offiziell in dieser Welt, einen Heiratsantrag machte, hatte sie mit Tränen der Glückseligkeit in den Augen 'Ja' gesagt.

Doch noch bevor sie heiraten konnten, musste Marry Trauzeugin bei Josy und Julian stehen. Auch Josy erwartete ein Kind und da ihre Eltern eher konservativ waren, wollten sie vorher heiraten, weshalb das ganze etwas überstürzt von statten ging.

Und nun war Marry's großer Tag gekommen. Noch kaum fünf Stunden und sie würde mit Eric verheiratet sein! Und das alles hatten sie nur einer Dame zu verdanken: Marilyn. Sie war eigentlich als Ehrengast mit auf der Hochzeit eingeladen, doch anscheinend war ihr sehnlichster Wunsch doch endlich erfüllt worden und sie war vor sechs Wochen gestorben. Marry und Eric waren zwar beide sehr traurig gewesen, da die alte Frau ihnen beiden in manch schwieriger Situation beigestanden hatte, doch freuten sie sich für Marilyn. Sehr oft hatte sie von der Schattenseite der Gabe, ein Weltenwanderer zu sein, erzählt. Sie selbst erinnerte sich an über zehn Welten, in den sie gewesen war. Und nun war sie müde vom Leben. Da sie wusste, dass sie ihre Mission erfüllt hatte, wollte sie nun nichts sehnlicher, als diese Welt zu verlassen, um in eine Ewige zu gelangen. Deswegen müssten sie die Hochzeit ohne Marilyn feiern, was die Stimmung und Vorfreude auf die Hochzeit aber kaum dämpfte.

Plötzlich klopfte es an der Tür und eine männliche Stimme drang hindurch.

"Marry ist da irgendwo meine Fliege?" hörten sie Eric's Stimme. Marry schaute sich kurz um und entdeckte die schwarze Fliege.

"Ja. Aber denk bloß nicht dran, reinzukommen!" Auch wenn es albern war, hatten sie an der alten Tradition, dass der Bräutigam das Brautkleid erst in der Kirche sehen darf, festgehalten. Also war Marry alleine mit Josy und ein paar Freunden und ihrer Mutter losgezogen und hatten nach einem passenden Kleid gesucht.

"Ich brauch aber die Fliege! In einer Viertel Stunde werde ich abgeholt!" rief Eric durch die Tür.

"Ich bring sie dir gleich raus. Geh schon mal wieder in die Küche!" sagte Josy ruhig, die es verstand, Ruhe zu bewahren. Als sie die Schritte Eric's hörten, schnappte Josy sich die Fliege und verließ das Zimmer für einen Moment. Kurz darauf betrat Clara, Marry's Mutter, das Zimmer.

"Du siehst soo wunderschön aus! Wo ist nur meine kleine Marry geblieben?" sagte sie mit zittriger Stimme.

"Mama, bitte nicht weinen! Sonst muss ich auch! Und ich bin schon fertig geschminkt und alles!" lächelte Marry ihre Mutter an.

"Ja, du hast Recht." Nun lächelte auch Clara. "Komm, ich hab noch was." Mit diesen Worten ging sie auf ihre Tochter zu und setzte ihr den mitgebrachten Schleier auf. Er war, genau wie das Kleid schlicht.

"Danke Mama!" flüsterte Marry.

"Kein Problem, meine Maus!" antwortete Clara. Draußen hörte man das Hupen eines Autos. Dann hörte Marry die Stimme von Eric, die leicht ungeduldig 'Jaja' murmelte und dann das Zuschlagen der Wohnungstür, in der Eric und Marry seit einem Monat zusammen wohnten.

Eric war nun schon auf dem Weg zur Kirche. Sie würde in ein paar Minuten folgen. Marry merkte, dass sie immer aufgeregter wurde. Und konnte kaum noch still stehen.

Sie stellte sich vor, wie sie, an der Seite ihres Vaters, durch das Kirchenportal Schritt und wie sie Eric am anderen Ende sah, der ihr sehnsüchtig entgegensah. Dann stellte sie sich vor, wie Eric ihr den Ehering an den Finger schob. Es war ein einfacher, goldener Ring. Doch im Innenring waren die gleichen Schriftzeichen, wie in den Verlobungsringen eingraviert: Bis zum Schluss. Und genau das versprachen sie sich am heutigen Tag. Sie wollten bis zum Schluss zusammen sein.

"Marry?" wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, "Wir wollen los." Ihre Mutter stand an der Tür und sah sie erwartungsvoll an. Marry stand von dem Stuhl auf, auf den sie sich gesetzt hatte und folgte ihrer Mutter hinaus auf die Straße. Dort wartete ein schwarzer Oldtimer, der sie zur Kirche bringen würde.

Die Fahrt war nicht lang, die Kirche nicht weit entfernt. Sie warteten, bis die letzten Gäste das Gotteshaus betreten hatten, dann stieg Marry mit ihren Eltern aus. Clara ging schon vor in die Kirche, während Marry und Justus noch draußen stehen blieben.

Der Tag war schöner als erwartet. Es war zwar kein wolkenlos, blauer Himmel, doch es schien die Sonne und es regnete nicht.

Marry und ihr Vater lächelten sich an und folgten Clara, die schon längst im Innern der Kirche verschwunden war. Sie betraten den Vorraum und warteten darauf, dass die Orgelmusik begann. Und als die ersten Töne der Hochzeitshymne erklangen, hakte Marry sich bei ihrem Vater unter. Dieser lächelte auf sie hinab, da sie immer noch kleiner war als er.

"Bereit?" fragte Justus. Marry nickte.

"Bereit." antwortete sie fest.

Déjà-VuTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang