Kapitel 5

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Clara war nicht zu Hause, als Marry und Josy kamen, weshalb sie sich selbständig etwas zu essen machen mussten. Sie entschieden sich für Spaghetti mit Pesto, da dies schnell zu machen war.

Während des Kochens verlor keiner ein Wort über Eric. Erst als sie angefangen hatten zu Essen fing Josy damit an.

"Jetzt versteh ich, warum du Angst vor ihm hast. Es ist doch wohl nicht normal, dass er jeden Schritt, den du machst, verfolgt?!"

"Ich hab' ja nicht wirklich Angst, ich fühl mich halt bloß beobachtet! Aber das ist nicht das einzige Problem! Sein Gestarre zieht die Wut von Alina auf mich! Die hat mich vorhin im Matheunterricht total doof angemacht!" erzählte Marry.

"Was?! Warum hast du mir davon nichts erzählt?"

"Weil es nicht so wichtig ist! Außerdem ist es mir egal was sie sagt. Ich hab eh keinen Bock mit so einem psychisch Kranken irgendetwas anzufangen!" Marry ließ sich die Spaghetti auf der Zunge zergehen. Mmmh... So lecker. Schon blitzten wieder Bilder vor ihrem Inneren Auge.

Ein Restaurant.

Ein Tisch.

Ein Kellner.

Spaghetti mit Pesto.

Er saß ihr gegenüber.

Er lächelte sie an.

Er war glücklich.

Sie war glücklich.

Schon waren die Bilder wieder verschwunden. Was sollte das? Schon zum zweiten Mal hatte sie diese Bilder vor ihrem inneren Auge gesehen. Warum? Und warum immer dieses Gesicht? Das Gesicht von IHM?

"Marry? Ist alles gut? Du siehst so blass aus!" Marry überlegte. Sollte sie es ihr erzählen? Nein! Sie würde sie für verrückt erklären.

"Es ist nichts. Es ist alles okay." Marry lächelte Josy an. Misstrauisch wendete sich Josy wieder ihrem Essen zu. Sie glaubte Marry nicht. Marry hatte sich schon den ganzen Tag so komisch verhalten. Sie war so still gewesen. Eigentlich gar nicht ihre Art. Und dann, als Eric in die Klasse kam, war sie wie erstarrt gewesen. Von da an war sie die ganze Zeit in Gedanken versunken... Und wenn sie dann mal den Mund aufgemacht hatte, hat sie sich fast nur über Eric aufgeregt.

Eric...

Marry und Josy hatten aufgegessen und räumten das Geschirr in die Spülmaschine. Josy rief noch schnell zu Hause an, dass sie erst heute Abend nach Hause kommen würde, da sie noch einen "Vortrag" für die Schule vorbereiten mussten... Sie wollte einfach nur für Marry da sein. Gott weiß, was sie anstellen würde, wenn man sie gerade alleine ließ.

Josy und Marry gingen also in Marry's Zimmer. Es war groß und geräumig und mit Geschmack eingerichtet. Es hatte ein großes Bett, einen Schreibtisch, einen riesigen Schrank, und ein noch größeres Fenster. Man konnte dadurch auf den Garten sehen und durch eine Glastür auf einen kleinen Balkon gelangen.

"Marry, ich will, dass du mir die Wahrheit sagst!" meinte Josy, als sie in Marry's Zimmer angekommen waren. Marry setzte sich auf ihr Bett und strich über ihre rot-braune Decke. Ihr gesamtes Zimmer war in Herbsttönen gehalten.

"Es ist nichts. Außer das, was ich dir schon erzählt habe." Marry schaute Josy nicht an. Josy stand immer noch in der Tür und verschränkte die Arme.

"Warum kannst du mir nicht einfach glauben?" fragte Marry flehend.

"Weil du dich komisch verhältst, nicht so wie sonst. Du verhältst dich ruhig, anstatt wie sonst aufgeschlossen! Und immer wenn der Name 'Eric' fällt, bist du entweder geistig abwesend oder beschwerst dich! Das ist für dich nicht normal!" Bei jedem von Josy's Worten zuckte Marry ein bisschen mehr zusammen. Nun saß sie da, wie ein Häufchen Elend.

"Marry! Ich sehe darin keinen Sinn. Ich versuche dir zu helfen, aber du verschließt dich! Ich werde jetzt gehen. Vielleicht redest du ja morgen mit mir." Josy verließ das Zimmer. Kurz darauf hörte Marry die Haustür zuschlagen.

Marry war allein.

Ganz allein.

Déjà-VuWhere stories live. Discover now