Kapitel 26

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Eric... Was hatte der denn damit zu tun? Und warum ausgerechnet er? Warum sie?

Marry schwieg. Sie musste ihre Gedanken ordnen, bevor sie wieder mit Marilyn reden konnte.

"Marry?" fragte diese nun.

"Hm...?"

"Wer ist Eric?" fragte Marilyn. Natürlich. Sie kannte ihn ja noch gar nicht.

"Nun ja, er, ähm... wie soll ich das am Besten beschreiben. Er ist ein Klassenkamerad und guter Freund von mir. Wir waren letztens zusammen auf einer Party."

"Na das ist doch schön!"

"Naja, nicht wirklich. Auf dieser Party hat er eine andere geküsst. Ich mag sie nicht. Und das weiß er auch, aber er hat sie geküsst."

"Oh..."

"Naja, ist ja auch egal."

"Nein, nein. Ist es nicht. Wie hast du dich gefühlt, als er das getan hat?"

"Ich denke er hat mich verraten. Ich meine, er weiß, dass ich sie nicht mag. Und ich habe ihn auch gewarnt, aber er hat es trotzdem getan."

"Gut... das hast du gedacht. Und was hast du gefühlt?"

Traurigkeit. Wut. Leere.

"Ähm, darauf habe ich nicht geachtet." versuchte Marry sich herauszureden. Sie wollte diese drei Wörter nicht sagen. Sie wollte nicht, dass Marylin es wusste.

"Du kannst es mir sagen."

Wollte sie das nicht? Jemandem ihre Gefühle anvertrauten. Jemand, der diese Geschichte neutral beurteilen könnte?

Ja, das wollte sie. Aber welche Gefühle? Welche Gefühle wollten sie ihr anvertrauen?

"Ich glaube, ich habe mich traurig, wütend und leer gefühlt."

"Und wieso?"

Ja, wieso? Wieso hatte sie das gefühlt? Wieso hatten sie genau das gefühlt, in einem Moment, der so schrecklich für sie war?

Sie musste schlucken: "Ich glaube... Ich glaube, weil ich ihn liebe."

***

"Fräulein Engel? Sie haben einen Gast!" Marry schaute von ihrem Buch auf. Die blondhaarige Schwester sah sie freundlich lächelnd an. Sie runzelte die Stirn. Wer sollte kommen? Ihr Eltern waren vor einer Stunde gegangen und Josy hatte heute tanzen.

"Wer ist es?" fragte sie neugierig.

"Herr Razúl." antwortete die Schwester.

Marry hätte fast gefragt, wer das war, als ein ihr sehr vertrautes Gesicht durch die Tür geschoben wurde. Hilflos schaute sie zu Marilyn. Sie teilten sich nun ein Zimmer, da beide nicht mehr unter ständiger Beobachtung sein mussten, aber keiner sie alleine lassen wollte. Aus Zufall wurden sie in einen Raum verlegt. Dies war nun schon zwei Tage her und Marry hatte ihrer neuen Freundin fast alles erzählt, was passiert war, seit Eric in ihre Klasse gekommen war. Selbstverständlich hatte sie auch erzählt, wie Eric aussah. Und dies anscheinend ziemlich genau, den Marilyn nickte ihr nur zu und stand auf. Im Vorbeigehen raunte sie ihr zu:

"Ich lass euch mal alleine. Ich glaube, dass habt ihr nötig!" und verließ den Raum mit einem an Eric gerichtetes Lächeln. Auch die Schwester verließ den Raum nachdem sie Eric eingetreten war.

Nachdem die Tür geschlossen worden war, herrschte eine unangenehme Stille. Eric trat unsicher zu Marry's Bett, neben dem ein Stuhl stand. Er setzte sich und betrachtete sie. Nun war Marry froh, dass Marilyn sie gezwungen hatte, etwas richtiges anzuziehen. Sonst würde sie hier nur in ihrem dünnen Schlanfanzug sitzen. Nach einigen Minuten der Stille, holte Eric Luft und Marry hoffte irgendwie, dass er nun was sagte, doch er entschied sich doch dagegen. Marry konnte diese Stille nicht mehr ertragen.

"Hi." begann sie.

"Hi, Marry." Eric schaute sie kurz an, dann sah er wieder auf seine Hände hinunter und fing an diese zu kneten. Auch Marry wusste nicht mehr was sie sagen sollte.

"Danke." sagte sie dann aber doch. Wieder nach einer längeren Pause. Eric sah überrascht auf.

"Wofür?" Marry schluckte.

"Vielleicht, weil du mir das Leben gerettest hast..."

"Was hätte ich denn anderes machen sollen? Ich habs doch schließlich verbockt!"

"Ja, das hast du."

Wieder schwiegen sie.

"Aber eins verstehe ich nicht."

Eric sah auf: "Was meinst du?"

"Warum? Warum hast du sie geküsst und bist mir dann doch hinterher gelaufen?"

"Ich... ich habe sie nicht geküsst."

"Achso? Ja? Und warum habe ich euch beide dann gesehen? Wie ihr euch geküsst habt?!" fuhr Marry auf.

„Ich habe sie trotzdem nicht geküsst! Ich wollte ja etwas zu trinken holen, habe aber die Bar nicht gefunden. Und dann habe ich Alina gesehen und wollte sie fragen, wo es denn etwas zu trinken gibt. Aber anstatt mir zu antworten, hat sie mich geküsst. Ich wusste nicht was los ist, hab mich umgeschaut und dich dann da stehen sehen. Und dann bist du weggerannt. Ich wusste erst nicht was ich tun sollte, aber danach bin ich dir hinterhergerannt."

„Aber warum? Warum hast du das getan?" Marry sah Eric in die Augen. Trotz der Verzweiflung, die darin zu lesen war, konnte Marry auch Hoffnung sehen.

Und als sie in diese Augen sah, war ihr die Antwort, warum er das alles getan hatte, schon bewusst.

Eric hob seine Hand und legte sie an Marry's Wange. Er kam mit seinem Gesicht immer näher. Marry hob ebenfalls ihre Hand und legte sie in seinen Nacken. Kurz bevor sich ihre Lippen berührten, stoppte Eric und flüsterte die Worte, die Marry tief in ihrem Inneren schon die ganze Zeit von ihm hatte hören wollen: „Weil ich dich liebe."

Und dann berührten sich ihre Lippen und die beiden sahen die schönsten Bilder, die sie je gesehen hatten.

Déjà-VuWhere stories live. Discover now