Kapitel 23

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Immer wieder das Gleiche:

Flammen.

Dunkelheit.

Ein weit entferntes Husten.

Etwas, das ihr vor den Mund gehalten wurde.

Eine Sirene. Weit weg.

Dunkelheit.

Und die ganze Zeit dieser stumpf Schmerz in ihrer Brust.

Manchmal eine Stimme. Sie rief. Doch sie konnte nie verstehen, was. Und dann wurde sie wieder von der Dunkelheit umhüllt.

Langsam öffnete Marry die Augen. Doch sie wurde so sehr von den hellen Wänden des Raumes, in dem sie lag, geblendet, dass sie nicht ihre Mutter sah, die auf einem Stuhl neben dem Bett saß.

Erst, als sie sich wieder orientieren konnte, erkannte sie ihre Mutter.

"Wo bin ich?" krächzte sie. Ihr Rachen war wie ausgetrocknet. Dennoch wusste sie, dass der Raum, in dem sie lag, nicht ihr Zimmer zu Hause war.

"Du bist im Krankenhaus, mein Schatz." antwortete Clara und reichte ihrer Tochter ein Glas Wasser, das neben dem Bett bereit stand. Marry trank dankbar, überlegend, was passiert war. Sie erinnerte sich an die Party. Wie schön sie angefangen hatte. Josy und Julian. Und dann... Alina und Eric. Dann die Fabrik und die Flammen. Die Flammen! Das Déjà-vu!

"Ist was, Marry?" Clara hatte ihre Tochter beobachtet und wunderte sich, warum diese plötzlich mit weit aufgerissenen Augen im Bett lag. Marry schüttelte sich einmal, bevor sie antwortete.

"Nichts, nichts... Ich... ich frage mich grad bloß, ob ich in einem Feuer war oder so..." Marry brach ab und schaute ihre Mutter erwartungsvoll an. Diese nickte.

"Ja, als du von der Party nach Hause gegangen bist, scheinst du durch die alte Textilfabrik gegangen zu sein. Dort ist aus irgendeinem Grund, den die Polizei noch ermittelt, ein Feuer ausgebrochen. Wäre Eric nicht gewesen..." Clara ließ den Satz in der Luft hängen. Marry schluckte, was plötzlich höllisch weh tat. Sie verzog ihr Gesicht.

"Eric hat dich da raus geholt und dann Feuerwehr, Polizei und Krankenwagen gerufen. Du hast eine leichte Rauchvergiftung. Du wirst die nächsten Tage hier im Krankenhaus bleiben müssen."

"Wie lange habe ich geschlafen?" fragte Marry.

"Hier im Krankenhaus 10 Stunden." Sie nickte. Sie brauchte etwas Ruhe. In ihrem Kopf war gerade alles ziemlich wirr. Und als ob Clara spürte, dass Marry gerne alleine wäre, verabschiedete sie sich mit den Worten: "Du solltest dich noch ein bisschen ausruhen. Heute Abend kommt dein Vater auch mit und draußen warten Eric und Josy auf dich. Soll ich sie nach Hause schicken?"

Marry schüttelte den Kopf.

"Eric kannst du nach Hause schicken. Josy kann rein kommen." Clara nickte und bevor sie das Zimmer ihrer Tochter verließ, sagte diese noch leise:"Ich hab dich lieb, Mama!"

"Ich dich auch, mein Schatz!" erwiderte sie und verließ dann das Zimmer.

Marry ließ sich zurück in die Kissen sinken. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass sie sich aufgerichtet hatte. Dann schloss sie die Augen und entspannte sich.

"Willst du etwa schlafen und mich ignorieren?" fragte eine bekannte Stimme belustigt. Marry schlug die Augen auf und sah, dass Josy auf den Stuhl, auf dem vorher ihre Mutter gesessen hatte, saß. Als sie sah, dass sie Marry's Aufmerksamkeit hatte, legte sich Besorgnis über ihr Gesicht.

"Wie geht es dir?" fragte sie.

"Naja... Den Umständen entsprechend..." wich Marry der Frage aus. Körperlich ging es ihr auch ganz gut, solange sie lag. Wie es aber ihrem Herzen ging, wusste sie selbst nicht so genau. Josy sah sie prüfend an.

"Eric hat dich da raus geholt." sagte sie unvermittelt.

"Ich weiß."

"Du verdankst ihm dein Leben."

"Du machst es dramatischer, als es ist."

"Nein mach ich nicht." schüttelte Josy den Kopf. "Wäre er nicht da gewesen, wärst du verbrannt!" sagte sie bestimmt.

"Wäre er nicht da gewesen, wäre ich nie weggerannt!" Marry wollte lauter sprechen, aber ihre Stimme versagte.

Es klopfte an der Tür. An Stelle von Marry rief Josy "Herein" und die Tür wurde geöffnet. Es wurde ein brauner Schopf durch den Türrahmen gesteckt. Marry wusste schon, bevor er den Mund aufmachte, wer es war. Eric.

"Geh!" schnitt sie ihm das Wort ab, noch bevor er irgendetwas sagen konnte. Eric wechselte einen Blick mit Josy und diese schüttelte den Kopf. Er schlug die Augen nieder, ging wieder raus und schloss die Tür hinter sich. Ihm war klar, dass er es richtig verkackt hatte. Sie wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Und er merkte, wie weh ihm das tat.

Déjà-VuWhere stories live. Discover now