Kapitel 24

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Josy war schnell wieder gegangen und Marry hatte noch ein bisschen geschlafen. Doch nun lag sie wieder wach und langweilte sich. Die Uhr sagte, dass es noch zwei Stunden bis zum Abendbrot waren, doch ihr Magen sagte ihr, dass sie, wenn sie nicht bald etwas in diesen bekam, an Hunger sterben würde.

Keiner hatte ihr gesagt, dass sie nicht aufstehen und das Zimmer verlassen dürfe und so stand sie auf, zog sich normale Sachen an die sie aus einer Tasche, die ihre Mutter hier gelassen hatte, hatte und verließ das Zimmer.

Durch die Ausschilderungen landete sie nach einiger Zeit in der Cafeteria. Als sie die vielen, leckeren Dinge sah, die dort, wie in einer Bäckerei, ausgestellt waren, floss ihr das Wasser im Mund zusammen. Als sie näher trat, fiel ihr jedoch auf, dass sie Geld brauchte. Marry griff in ihre Hosentaschen und merkte, dass sie nichts dabei hatte. Sie stöhnte frustriert auf und wollte sich umwenden, als sie in eine alte Frau rannte.

"Ooh... Entschuldigen Sie" schreckte sie zurück und wollte sich, mit einem letzten Blick auf das Essen, abwenden und wieder in ihr Zimmer gehen, als die alte Frau sie mit erstaunlicher Kraft festhielt.

"Du hast Hunger." stellte sie fest. Marry nickte vorsichtig. Die Frau war ihr nicht geheuer.

"Hier!" Die Alte hielt ihr ein Zwei-Euro-Stück hin. Vorsichtig streckte Marry die Hand aus und nahm es. Doch sie blieb unsicher vor der Frau stehen. Eigentlich schien sie ja doch ganz nett zu sein.

"Komm, geh ruhig! Bring mir doch bitte einen Bienenstich mit." sagte sie und hielt Marry noch ein Zwei-Euro-Stück hin. Marry warf noch einen verwirrten Blick auf die Frau und ging dann zur Theke. Sie entschied sich für einen Erdbeerkuchen - ihr absoluter Lieblingskuchen.

Zusammen mit dem Bienenstich kehrte sie zu dem Tisch zurück, an dem sich die Frau niedergelassen hatte.

Langsam ließ auch sie sich an dem Tisch nieder und stellte der Frau den Pappteller hin.

"Danke!" sagte die Frau.

"Nein, nein. Ich habe zu danken!" widersprach Marry ihr.

"Ach was! Das war doch nichts. Du sahst schon so ausgehungert aus." sagte die Frau und begann zu essen.

"Wie heißen Sie?" fragte Marry sie.

"Ach, du brauchst mich doch nicht siezen. Ich bin Marilyn."

"Ooh... Okay. Ich bin Marry". Auch Marry nahm nun einen Bissen von ihrem Kuchen. Und da kamen sie wieder. Die Bilder, die sie schon einmal gesehen hatte.

Eine hohe Eiche.

Eine Picknickdecke.

Sonne.

Lachen.

Blätterrauschen.

Erdbeerkuchen.

Ein Gesicht.

Sein Gesicht.

"Dein Lieblingskuchen. Nur für dich." sprach er.

Es war DAS Gesicht!

"Marry? Geht es dir gut?" fragte Marilyn besorgt.

"Ja... Ja. Ich hatte nur..." brach Marry ab.

"Ein Déjà-vu." beendete Marilyn den Satz. Marry sah sie entgeistert an.

"Woher..?" begann Marry, aber sie war so erstaunt, dass sie keine weiteren Worte herausbekam.

"Ich bin selbst eine Weltenwanderin." stellte Marilyn fest.

"Weltenwanderin?" wiederholte Marry fassungslos. Sie hatte sogar den Kuchen vor ihr vergessen.

"Ja. Solche Menschen, wie wir, sind etwas Besonderes. Uns gibt es nicht so oft. Und umso mehr ihre Bestimmung erfüllt haben, desto weniger werden es."

"Bestimmung?" Marry fühlte sich komisch, wenn sie immer nur ein Wort von Marylin wiederholte, aber sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen sollen.

"Ja. Jeder hat eine andere Bestimmung. Jede ist anders. Die einen müssen nur einmal die Welt umrunden. Es gibt aber auch die Sage, dass es zwei Weltenwanderer gibt, die solange wiedergeboren werden müssen, bis sie sich gefunden haben und geheiratet haben. Es gibt sogar manche, die behaupten, dass sie ein Kind bekommen müssen."

"Wiedergeboren?" wiederholte Marry wieder die Worte von Marilyn. Sie wusste nicht, was sie sonst sagen sollte. Sie hatte so viele Fragen auf einmal. Und immer wenn Marilyn eine beantwortete, kamen zwei Neue.

"Wenn du es so nimmst, sind die Weltenwanderer verflucht. Sie haben eine Aufgabe und bevor sie diese nicht erfüllt haben, werden sie immer wieder in eine andere Welt hinein geboren. Ich zum Beispiel habe es nun endlich geschafft. Meine Aufgabe war simpel. Eigentlich. Ich musste einem Weltenwanderer erzählen, was diese ganze Sache mit ihm zu tun hatte. Und das habe ich soeben gemacht." Auf Marilyns Gesicht bildete sich ein Lächeln, das fast schon spitzbübisch wirkte.

"Und was... was ist meine Aufgabe?"

"Du musst es herausfinden. Sie muss etwas mit deinen Déjà-vu's zu tun haben. Also, was siehst du wenn du eines hast?"

"Ich sehe unterschiedliches, aber am Ende sehe ich immer ein Gesicht."

"Was für ein Gesicht?

"Das Gesicht eines Jungen."

"Kennst du ihn?"

"Ich glaub... Es ist das von einem Jungen aus meiner Klasse."

"Hmm... Vielleicht...aber nein. Das wäre absurd."

"Was denn?"

"Wir könnten versuchen ein Déjà-u zu verursachen. Eines hervorzurufen. Normalerweise kommen sie einfach so, man kann sie nicht kontrollieren. Aber wir könnten es trotzdem schaffen. Déjà-vu's werden von alltäglichen Dingen hervorgerufen. Unscheinbaren Dingen. Du kannst sie schon tausendmal berührt haben, es muss nicht beim ersten Mal sein und dann, wenn du sie das tausendundeinte mal berührst, siehst du das Déjà-vu. Es sind leider immer nur kurze Bilder die man sieht, aber sie können uns weiterhelfen, jetzt müssen wir nur noch so ein Ding finden..."

"Nein."

"Wie nein?"

"Es sind nicht immer nur Bilder. Letztes Mal, also in der Fabrik, da habe ich eine ganze Geschichte erlebt."

"Eine ganze Geschichte? Erzählst du sie mir?" Und Marry erzählte. Als sie geendet hatte, hatte Marilyn eine Idee: "Dieser Ring aus deiner Erzählung, er sieht genauso aus, wie der Ring, den du um den Hals trägst. Könnte er das sein? Wenn ja, bitte berühr ihn."

Déjà-VuWhere stories live. Discover now