18. Die Anhörung

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Meister Bärenstein,
ich bringe sowohl gute als auch schlechte Neuigkeiten von der Front. Euer Sohn erweist sich als große Hilfe gegen Aufständische. Wenn sie nur hören, das ein Henotello im Regiment ist, verlieren sie jeglichen Mut. Nelenia hat viel zu unserem Ruf als unbarmherzige Eroberer beigetragen. Die schlechte Nachricht ist, dass ebenjene beschlossen hat zu verschwinden.
Es ist mittlerweile fast zwei Jahre her, seit man sie zuletzt gesehen hat. Die Gerüchte über eine Armee gegen uns waren schlichtweg gelogen. Ich fürchte sie ist entweder tot oder sehr, sehr gut versteckt. Mein Meister, ich wünschte ich hätte bessere Nachrichten, doch so ist es nun mal. Dennoch gratuliere ich zu der Schwangerschaft euer Nichte Marie Henotello. Ich wie auch der Rest des Landes hofft auf ein gesundes Kind und eine unbeschadete Niederkunft. Hochachtungsvoll Commandant Fuchs

Der Saal in den Kyrie gebracht wurde, war der ihres ersten Test. Es kam ihr seltsam vor ihren ersten Tag noch einmal zu durchleben. Damals war sie so furchtbar ängstlich gewesen, heute blickte sie mit Wehmut auf ihr jüngeres Ich zurück. Sie wünschte sich ihre Unschuld wieder.
Man hatte einen einzelnen langen aus einfachem Holz gebauten Tisch am hinteren Rand des gefliesten Raumes aufgestellt. Die Deckenbeleuchtung strahlte mit voller Kraft und vertrieb noch die kleinsten Schatten im Raum. Vor dem Tisch stand ein wacklig aussehender Plastikstuhl.
Ihr Platz. Gegenüber saßen Dr. Bart, Magenta, Susette Monroe, Maisie, Mr. Good und eine weitere Person, dessen Name Kyrie nicht kannte. Ein gut aussehender junger Mann mit glänzendem, schwarzen Haar und intensiven blauen Augen. Sein Lächeln wirkte freundlich und ihr wohl gesonnen. Mr. Good war von Zeus perfekt beschrieben worden. Ein etwa vierzigjähriger Mann mit glattrasiertem Gesicht und hagerem Körperbau. Seine Knochen waren ungewöhnlich gut unter der dünnen, straff gespannten Haut erkennbar. Auch sein teuer aussehender Anzug verdeutlichte seine knochige, große Gestalt.

Neben dem Tisch stand Ken mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt. Wie immer der perfekte Soldat ohne ein Gewissen oder Gefühlen. Schwerfällig ließ Kyrie sich in den Sessel fallen und sah ihren Vorgesetzten niedergeschlagen entgegen. Zeus drückte unauffällig ihre Schulter und machte sich dann auf, den Saal zu verlassen. Magenta hielt ihn auf.

"Lewis, bleib hier bitte. Es könnte sein, das wir deine Fähigkeiten brauchen um diese Situation ins reine zu bringen." Seinem Gesichtsausdruck nach war er über diese Aussicht mehr als schockiert. Wieder einmal fragte Kyrie sich welche Gabe das Henotello- Gen ihm beschert hatte. Er war immer so ausweichend gewesen, wenn sie über diese Dinge gesprochen hatten. Widerwillig stellte er sich neben Ken und nahm dessen Haltung an. Dr. Bart strich sich gemütlich lächelnd über seinen weißen Bart und begann zu sprechen.

"Rekrut Nava. Wir alle sind über die vergangenen Geschehnisse mehr als schockiert gewesen. Diese Anhörung soll über deine Strafe entscheiden. Magenta wärst du so freundlich uns die Fakten zu erläutern?"

Magentas Augen strahlten Hass aus, ihre Stimme troff vor Zorn.

"Gestern Nachmittag wurden Rekrut Nava und Rekrut Kasimir von mir zum Reproduktionshaus geführt um dem Befehl zur Reproduktion nachzukommen. Schon beim hingehen fiel mir der Widerwille der Beiden auf, allerdings war es Kasimir der offen seine Weigerung zeigte. Nachdem Nava ihn beruhigt hatte, brachte ich die beiden zu Maisie. Conrad kam ein paar Sekunden später um mir von einer dringenden Situation bei Mr.Good zu berichten. Ich folgte also Mr. Goods Anweisungen und ließ Nava und Kasimir in den fähigen Händen Conrads. Was danach passiert ist kann Maisie erklären." Dr. Bart unterbrach sie. "Kann Mr. Good diese Anweisung bestätigen?"

Mr. Goods Augen richteten sich von Nava zu Dr. Bart und in seinem frazenhaften Gesicht erschien die Andeutung eines Lächelns. Er legte seine dünne Hand langsam und beinahe zärtlich auf Magentas Schulter. Diese erschauerte sichtlich und errötete dann. Als er sprach war seine Stimme nicht mehr als ein Flüstern im Wind, rau und sanft zugleich.

Kyrie- Nebel des KriegesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt