12. Der Tod auf leisen Sohlen

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Liebes Tagebuch,
einige Jahre sind vergangen seit ich dich das letzte Mal in der Hand hatte.
Womit soll ich anfangen? Am besten ich erzähle dir von meinen Freuden, meinen lieben Kindern.
Briana ist jetzt sieben Jahre alt und so ein gütiges Mädchen.

Wie meine Schwester Nelenia bevor....Ihr kleiner Bruder Dimitri wird diesen Sommer fünf.
Er fragt jeden tag nach seinem Onkel John. Ich weiß nicht was ich ihm antworten soll.
Mein lieber John ist seit einem Jahr im Militärdienst. Hin und wieder schreibt er, aber seine Nachrichten werden seltener. Ich wünsche mir so sehr, dass es ihm gut geht.
Seit zwei Jahren ist meine kleine Clara tot, ihr Verlust schmerzt immer noch.
Nach ihrem Tod habe ich vergeblich versucht Lothar von weiteren Kinder abzubringen.
Ich denke, er hofft immer noch auf ein Kind mit Nelenias und Mutters Gabe.
Meine Tochter Emma wird ein Jahr alt und ich bete, dass ich sie nicht auch verliere.
Leider kann ich dir nichts über meinen ältesten Sohn Lothar sagen. Sein Name ist alles was ich von ihm weiß. Ich habe mich schon lange mit seinem Verlust abgefunden.
Dies also sind meine Freuden.
Es gibt Tage, da sind mir die Kinder genug, da erfüllt ihr Lachen mein Leben mit Sonnenschein.
Allerdings gibt es auch Tage an denen ich an das Schicksal von Mutter, Nelenia, John und Clara denken muss. Und es gibt Tage, die mich meine Verletzungen der Nacht zuvor nur zu deutlich spüren lassen.
Schließlich will Lothar mehr Kinder und ich bin die einzige, die sie ihm geben kann.
In stiller Trauer, Sandrine von Bärenstein

Brandon stand in Kyries Zimmer. Sah sich ihre Bücher und die Sportausrüstungen an. Seine Eltern hatten keinen einzigen Gegenstand in dem Zimmer verändert. Einmal die Woche reinigte seine Mutter den Boden und die Schränke, den Rest der Zeit blieb das Zimmer unberührt.

Es war eine Art Mahnmal an ihn und seine Schwester nie Kinder zu zeugen. Brandon hatte sich längst entschieden den Weg der Kinderlosigkeit zu gehen, Coraline sprach seit Kyries fortgehen, nicht mehr von Babys oder Kindern. Offenbar zeigte der stille Prostest seiner Eltern zumindest bei ihnen Wirkung. Brandon dachte an all die Sprüche und Späße, die er mit Kyrie in den Jahren geteilt hatten.

Er vermisste sie so sehr, jede Nacht träumte er davon sie zu sehen.
Jeden Tag erinnerte ihn sein Verstand daran, dass er sie nicht mehr sehen würde. Es war nun sechs Monate her, dass seine Schwester abgeholt worden war. Seit dem hatte sich viel verändert.

Sein Vater redete kaum noch, Brandon wusste, dass ihn die Schuldgefühle auffraßen. Seine Mutter war über alle Maßen behütend geworden, ließ Coraline kaum noch aus den Augen. Bei stillen Abendessen versuchte Brandon sich an seine lebhafte glückliche Familie zu erinnern, versuchte sie mit dieser gekränkten, traurigen zu vergleichen.

Viele Male hatte er seine Familie wieder glücklich machen wollen, doch wie sollte ihm dies gelingen, wenn er selbst so unglücklich war. Sein Militärtraining war hart und gnadenlos.
In der Früh wurde er abgeholt und erst nach dem Abendessen wieder zuhause abgesetzt.
Zu dieser Zeit schlief seine Schwester meist schon und die Eltern hatten sich in ihre Räume zurückgezogen.

Brandon saß dann alleine in dem stillen Wohnzimmer, spielte leise Gitarre und sperrte die aufkommenden Tränen in seinem Herzen ein. Die Ausweglosigkeit seiner Familiensituation machte ihm zunehmend zu schaffen. Er wollte etwas tun, wollte irgendwie helfen oder sich zumindest nicht mehr so nutzlos fühlen.
Seufzend sah er auf seine Armbanduhr.

Es war beinahe sieben Uhr früh und damit an der Zeit in die Militärschule zu fahren. Der Bus würde ihn abholen und sicher dorthin bringen. Schweren Herzens verließ er die heilige Stätte seiner verlorenen Schwester und ging die Treppe hinunter zum Wohnzimmer.

Die Bilder an den Wänden erinnerten ihn daran wie wunderschön seine Familie einmal war, so voller Liebe und Freude. Manchmal kroch deshalb Zorn in seine Gedanken, erschwerten die Nutzung seiner Vernunft, machte ihn angreifbar. In solchen Momenten sperrte er all seine Gefühle ein und holte sie erst heraus, wenn das Kampftraining in der Schule begann.

Kyrie- Nebel des Kriegesحيث تعيش القصص. اكتشف الآن