4. Es wartet ein Haufen Scheiße

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Meister Bärenstein,
wie gewünscht wurde das Mädchen Nelenia gegen die Rebellen im Süden eingesetzt. Sie konnte die Rebellion innerhalb weniger Stunden vollkommen zerschlagen. Ihre Konditionierung hat gehalten, keiner meiner Befehle wurde missachtet. Sie gehorchte jedem meiner Worte. Ich bin von den Fähigkeiten der Hexe sehr beeindruckt. Dennoch muss ich Euch mitteilen, dass die Kraftanstrengung enorm war und sie danach für drei Wochen unbrauchbar war. Ist es Euch möglich weitere dieser Pythonissam zu schicken? Mit allergrößer Hochachtung, Commandant Fuchs vom vierten Regiment.

"Wach auf! Komm schon, Kyrilla! Wach auf, bevor sie kommt. Du willst nicht wissen, wie Magenta dich wecken würde. Wach auf, Kleine. Schlafenszeit ist beendet.", langsam öffnete Kyrie die Augen und sah in das harte Gesicht eines unbekannten Mannes der sich über sie beugte.
Seine grünen Augen schienen vor Intensität zu strahlen. Erschrocken zuckte sie weg, setzte sich auf und sah sich um. Sie saß auf der Rückbank eines stehenden Wagen. Im Licht der Flutlichtanlage und der Autoscheinwerfer sah eine einzelne befestigte Straße, die zu einer rot-weiß gestreifte Schranke und einem kleinen grauen Häuschen daneben führte. Zu beiden Seiten der Schranke standen Soldaten in denselben Uniformen wie Magenta und starrten stur geradeaus. Hinter der Schranke konnte Kyrie die Straße zu mehreren grauen, blockartigen Gebäuden führen sehen. Die Umgebung bestand nur aus Bäumen und dieser einen Straße, weit und breit weder Häuser noch Geschäfte noch Menschen. Die Tür zur Rückbank war weit offen und ließ die kalte Nachtluft hinein.
Die Dunkelheit außerhalb des künstlichen Lichts schien erdrückend. Fröstelnd schlang Kyrie die Arme um sich, bemerkte das sie keine Jacke trug, nur ihr Langshirt und die verwaschene Jeans. Ihre braunen lieblingsschuhe lagen vor ihr auf dem Autoboden. Ein stechender Schmerz in ihrem Arm erinnerte sie daran was geschehen war, erinnerten sie an die Schmerzen und ließ ihr Herz schneller schlagen. Sie konnte Magenta nirgends sehen nur den Fremden vor ihr, der trotz herben Äußerem einen ruhigen und verständnisvollen Blick hatte. Dennoch Misstrauisch beäugte sie den jungen Mann vor sich.
"Du bist Lewis, richtig? Wo bin ich? Wo ist Magenta?"

Lewis richtete sich auf und fuhr sich über die kurzen Haare, als wären sie einmal länger gewesen.
"Du bist in der Akademie, oder zumindest kurz davor. Siehst du das graue Häuschen dort? Da ist eine Wache der Pythonissam drin. Magenta redet grad mit ihm, damit er uns durchlässt.", er taxierte Kyrie von oben bis unten und meinte dann stirnrunzelnd,
"Alles in Ordnung? Magenta hat dich ordentlich erwischt, normalerweise hat sie mit neuen Rekruten ein wenig mehr Geduld, aber du hast sie mit deinem kleinen Telekinese-trick wirklich auf die Palme gebracht."

Kyrie strich sich das wirre Haar aus dem Gesicht und zuckte mit den Achseln.

"Ich wollte mich nur verabschieden. Ich werde meine Familie nie wiedersehen, da kann ich doch wenigstens anständig Lebewohl sagen."

Lewis nickte und Kyrie dachte für eine Sekunde so etwas wie Traurigkeit in seinem Gesicht gesehen zu haben. Seufzend deutete er ihr auf der Rückbank Platz zu machen. Kyrie rutschte rein und sah zu wie Lewis die Türe schloss und seine Jacke um ihre Schultern hing.
"Es ist ziemlich kalt draußen."
"Danke", stotterte sie überrascht " Geht es meiner Familie gut? Habt ihr meinen Seesack mitgenommen?"
"Ja, deiner Familie geht es gut. Sie waren etwas schockiert als Magenta ihre Gabe verwendet hat, aber sie haben sich gut benommen. Magenta wird sie nicht melden. Sie sind sicher und ja, wir haben den Seesack, obwohl du ihn nicht brauchen wirst." Kyrie nickte erleichtert, doch seine Worte verwirrten sie zunehmend.
"Was meinst du damit? Wieso werde ich den Seesack nicht brauchen? Sie haben im Einzugsbrief deutlich geschrieben, was man einpacken soll."
Lewis schnaubte und lehnte sich näher zu ihr.
"Sie schreiben das nur damit man keine Angst kriegt. Du bekommst jedes Kleidungsstück neu von ihnen, sogar Haarbürsten und Zahnputzzeug. Nichts wird je wieder dir gehören. Nicht mal dein Name."
Stirnrunzelnd sah sie Lewis an. "Mein Name?"
"Genau oder sehe ich wirklich aus wie ein bekloppter Lewis? Ich heiße Zeus." Kyrie konnte ein Lachen gerade noch unterdrücken.
"Zeus? Wirklich?" Zuerst versuchte Zeus sie böse anzusehen, schmunzelte dann jedoch selbst.
"Ja wirklich. Meine Mutter liebte die griechische Mythologie und besonders den Götterkönig. Der Name ist seltsam, aber er ist alles was ich habe."
"Nun es freut mich dich kennenzulernen, Zeus Henotello.", Kyrie streckte ihm die Hand hin und lächelnd ergriff sie der junge Mann. Sein Lächeln verblasste als er aus dem Autofenster sah. Kyrie folgte seinem Blick. Magenta verabschiedete sich gerade von einem etwa Vierzigjährigen mit schütterem Haar und imposanter Größe. Beim Anblick der Frau wurde Kyrie heiß und Kalt. Wut ließ ihr Blut kochen, doch die Angst vor erneuten Schmerzen ließ sie frösteln.
"Schnell wir haben nicht viel Zeit. Hör mir zu.", drängte Zeus und zwang sie ihn anzusehen. "Egal was sie verlangen, tu es. Egal wie unangenehm es auch ist. Und es wird unangenehm werden. Du bist zwar wertvoll, aber sie haben ihre Wege um jeden gefügig zu machen. Du willst dir die Schmerzen nicht antun, glaub mir. Vertraue niemanden, wir sitzen zwar alle im selben Boot, aber es gibt durchaus Henotellos, die gerne Soldat spielen und ihre Gaben missbrauchen. Magenta ist eine von ihnen. Sie ist Ausbilderin in der Akademie."
Kyrie nickte hastig zum Zeichen des Verstehens. "Gut, schnell zieh dir die Schuhe an. Und mach dich bereit."
"In Ordnung." Kyrie zog sich die Schuhe an und warf dabei immer wieder einen ängstlichen Blick aus dem Fenster. Magenta war auf dem Weg zurück zum Auto, in ihrer rechten Hand hielt sie Papiere.
"Noch was. Ich werd nicht mehr so freundlich sein, wenn wir erst in der Akademie sind. Dort gibt es keinen Platz für Freunde. Sollte wer nett sein, halte dich besser von ihnen fern."
"Was wird jetzt passieren?", fragte sie ängstlicher als beabsichtigt. Zeus sah sie gleichgültig an.
"Sie werden dir alles nehmen, danach kommt die Ausbildung. Kyrilla, ich will dich nicht anlügen. Es wartet ein Haufen Scheiße auf dich."

Kyrie- Nebel des KriegesWhere stories live. Discover now