11. Einschulung

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Das arme Mädchen. Sie leidet furchtbar. Die Einsamkeit im dunklen Verließ kann weder für sie noch für das Kind unter ihrem Herzen gesund sein.
Jeden Tag bringe ich ihr Essen und leiste ihr so gut es geht Gesellschaft.
Erzähle von dem Frühling und den herrlichen Blumen. S
ie scheint mich an manchen Tagen zu hassen und an manchen zu lieben. Als wäre sie nicht sicher was sie über ihre Wärterin denken solle. Ich kann es ihr nicht verdenken, ich weiß ja selbst nicht was ich hier tue.
Ich bin eine Ordensschwester, ich glaube an Güte und Nächstenliebe.
Niemand hat es verdient so eingessperrt zu sein. Ohne Tageslicht, ohne Zeitvertreib.
Aber Mutter Oberin hat mir diese Aufgabe aufgetragen, ich darf ihr nicht widersprechen. "Niemand darf wissen, dass sie sich bei uns befindet!", erklärte sie mir streng.
Ich verstehe das nicht! Was kann an einer schwangeren Frau so gefährlich sein, dass man ihre Zunge herausschnitt, und ihre Arme und Beine in eiserne Ketten legt.
Wenn ich in ihre braunen Augen sehe, dann blickt kein Teufel zurück, nur eine Frau, eine einfache verzweifelte Frau.
Meinen Anordnungen, zufolge soll ich bei der Niederkunft helfen und das Kind zu Bärensteins Schloss bringen.

Viel lieber würde ich meine gefangene Freundin in der Freiheit sehen.
Aber um welchen Preis?
Aufzeichnungen Schwester Constances im Kloster Orleane.

Kyrie sah drei Sonnenaufgänge und drei Sonnenuntergänge in ihrer neuen Behausung. Am ersten Tag war sie in ihrem Bett gelegen, hatte auf den Boden gestarrt und sich gefreut keine Schmerzen zu empfinden. Jeden Tag war eine Köchin in den Schlafsaal gekommen, hatte stärkenden Brei und Suppen in metallenen Feldschüsseln ausgeteilt.

Der Hunger und der Geruch des Essens hatten sie schließlich aus ihrem Delirium geholt. An den folgenden zwei Tagen war Kyrie sich ihrer Umgebung immer mehr bewusst geworden. Neugierig hatte sie sich umgesehen, von ihrem warmen Bett aus ihre neuen Zimmergenossen beobachtet. Es waren fünf junge Männer und zwei junge Frauen.

Die meisten von ihnen waren wie Kyrie in ihren schmalen Stockbetten gelegen und hatten ihre Wunden geleckt. Kein Wort war gesprochen worden und selbst heute am vierten Tag herrschte absolute Stille. Ein erdrückendes Gefühl der Hoffnungslosigkeit schien den Raum in ein stilles Grab zu verwandeln. Die Rekruten misstrauten einander.
Kyrie widerstand der Versuchung in die Köpfe ihrer neuen Mitbewohner zu sehen, zu groß war die Gefahr anderen Telepathen zu begegnen.
Die Wände des Schlafsaals waren grau und auch sonst gab es außer dem dunkelgrünen Uniformen die in grauen Spinden vor ihrem Stockbett standen keine Farben. Aber es gab Fenster.

Als Zeus sie vor drei Tagen in diesen Schlafsaal gebracht hatte, waren die meisten der neuen Rekruten bereits in ihren neuen Betten gelegen. Einige von ihnen hatten sich in Albträumen gewunden oder waren weinend unter der Decke versteckt. Zeus hatte sie zu ihrem Bett geführt und einen Umschlag unter das Kopfkissen gelegt.
Anstatt sich in das Bett zu legen und die gemachten Erfahrungen zu verdauen, hatte Kyrie sich zu dem Fenster neben ihrem Stockbett gestellt. Sie hatte die Sonne, Wald und Wiese durch dieses Fenster gesehen.

Der Anblick hatte etwas ungemein beruhigendes auf ihre verletzten Sinne gehabt. Zeus war gegangen, hatte sie mit ihrem Fenster und den geistigen Verletzungen alleine gelassen. Allerdings war sie ihm nicht böse, es hätte nichts gegeben, dass er hätte tun können.
Er war freundlich gewesen, war behutsam mit ihr umgegangen, dies war in Kyries Augen genug.

Sie hoffte nur ihm bei ihrem nächsten Treffen für seine Güte danken zu können.
Ein lautes Horn riss Kyrie aus ihren Tagträumen. Beinahe sofort kam Bewegung in den Schlafsaal. Spinde wurden aufgerissen und Uniformen übergestreift.
Alle, die bis dahin in ihren Betten gelegen hatten, standen nun eilig auf und zogen sich um.

"Nava, komm schon", flüsterte ihr Bettnachbar, ungeduldig.

Der junge Mann war bereits in seiner Uniform und schien durch ihr Tragen zu denken, er hätte irgendeine Art der Autorität über seine Mitbewohner. Kyrie ignorierte die gespielt streng aussehenden babyblauen Augen ihres Bettnachbars. Als sie sich nicht bewegte, verwandelte sich sein Gesichtsausdruck von Genervt in Ärgerlich.

Kyrie- Nebel des KriegesWhere stories live. Discover now