xxvi. DIE SACHE

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Ich rannte durch Gänge, um mein Leben, den Zauberstab erhoben, damit herumfuchtelnd. Angriffe kamen von allen Seiten, es war unmöglich allen Flüchen auszuweichen, aber dennoch durfte ich nicht aufgeben. Ich musste es einfach versuchen, durfte mir keinen Fehltritt leisten. Meine Freunde waren in meiner Nähe, das wusste ich, aber dennoch fühlte ich mich so weit entfernt von ihnen wie nie zuvor. Ich schrie, doch keiner hörte mich. Ich schrie, ich schrie mir die Seele aus dem Leib, aber keinen kümmerte es. Jeder musste sich darum kümmern, sein eigenes Leben zu retten, niemand half mir.

Schweißgebadet und röchelnd schlug ich um mich. Ich schrie um Hilfe, doch nur ein kehliger Laut entfuhr mir.

"Grace - Grace!", hörte ich eine Stimme, die keinem Todesser gehörte. Keinem der Leute, die mich angegriffen hatten.

Ich schlug trotzdem wild um mich, merkte nicht, wo ich war, oder wer zu mir sprach.

"Grace, ich bin's - Draco!".

Das erste Mal öffnete ich meine Augen, und sah in das angespannte Gesicht Draco Malfoys. Ich zitterte am ganzen Leib, und bekam kaum Luft. Alles wurde mir zu viel.

"Es war nur ein Albtraum", flüsterte Draco, und stand hilflos über mir.

"Nein, Draco, das war es NICHT. Es war lediglich Realität. Es war etwas, das jeden Moment passieren könnte, es ist sogar sehr wahrscheinlich, vermutlich war es sogar eine Vision!". Meine Stimme zitterte, und ich wurde von Schluchzern geschüttelt.

"Grace". Er schien nicht zu wissen, was er tun sollte. Er fuhr sich durch die Haare, und setzte sich dann neben mich auf das Sofa.

"Ich kann das alles nicht mehr", hauchte ich, und sah mit tränenverschleiertem Blick in Dracos eisblaue Augen. Er hielt meinem Blick stand, und sah mich entschlossen an. "Doch, das kannst du".

Ich schüttelte den Kopf.

"Grace, Menschen brauchen dich. Ich brauche dich".

Erstaunt sah ich ihn an, doch auf seinem Gesicht befand sich keine Schamesröte, keine Unsicherheit, kein Spott. Er sah mich auch nicht liebevoll an, sondern bestimmt. Als wäre er ein anderer Mensch. So erwachsen - stark.

"Du verstehst das nicht".

"Und wieso nicht?".

"Ich bin einfach überfordert. Mit mir passieren Dinge, und ich hab so Angst". Das letzte Wort hauchte ich, voller Ehrfurcht..

"Das haben wir alle. Aber wir geben nicht auf. Und du wirst das auch nicht. Das Leben bringt nun Mal viel scheiße mit sich, aber das musst du ignorieren, auch wenn das schwer ist. Ich bin hier, im jetzt, bei dir, und sonst ist Lupin bei dir, oder ...", er zögerte, "Potter. Du musst die Momente mit ihnen genießen, und nicht schon über den nächsten Dreck nachdenken".

Ich brachte ein kleines Lächeln zustande. Draco hatte sich wahnsinnig verändert, und ich hatte es nicht einmal bemerkt. Seine schrecklichen Vorurteile, oder besser die seines Vaters, konnte auch er anscheinend ignorieren. Es war, als hätte er sich selbst gefunden. Doch ich konnte mich natürlich auch täuschen, das gab mir eine leise Stimme in meinem Unterbewusstsein zu verstehen, aber ich schenkte ihr keine Beachtung, verdrängte sie. Ich wollte den Moment genießen, mehr als alles andere, ich wollte mich ein einziges Mal fallen lassen, nicht über alles nachdenken und jeden Atemzug überdenken aus Angst es könnte etwas passieren.

Ich erwiderte nichts. Ich wüsste nicht was. Er hatte Recht. Plötzlich juckten mich meine Wangen fürchterlich, und als ich sie angriff, spürte ich, dass sie feucht waren. Ich hatte geweint, ohne es auch nur zu merken.

"Ich wollte wissen, ob du nach Hogwarts gehst", sagte Draco leise, "trotz meiner Warnung. Deswegen bin ich hier".

"Ich gehe erst Mitte Februar nach Hogwarts", sagte ich niedergeschlagen, und vergrub mein Gesicht in den Händen.

"Besser als du wirst getötet".

Wir schwiegen, bis mir etwas einfiel -

"Wieso hast du nicht einfach Snape gefragt?", wollte ich drängend wissen.

"Er sagte, er dürfte keine Auskunft darüber geben".

Wir hörten Schritte, langsam und laut, und sofort schnellte mein Kopf in die Richtung der Tür. Snape stand mit den Händen in die Hüften gestemmt in der Tür, und beäugte uns argwöhnisch.

Draco neben mir räusperte sich, und rückte ein Stück von mir ab, was mir einen kleinen Stich im Herzen gab.

"Draco, du solltest dich beeilen, außer du möchtest, dass deine Eltern dein Fehlen bemerken", sagte Snape gehalten.

Draco sah mich unsicher an. "Dann bis Mitte Februar. Und tu' nichts Dummes", sagte er, und ich hörte, dass er sich bemühte, gelassen zu klingen, doch sein Blick sprach für sich. Er war wahnsinnig besorgt. Und ich fühlte mich auch nicht wohl, bei dem Gedanken daran, ihn so lange nicht zu sehen, von so einer Entfernung getrennt zu werden. Ich konnte es nicht verleugnen, genauso wenig wie er, irgendetwas passierte zwischen uns, und egal was es war, es war packend, und beschäftigte uns beide.

Draco und Snape warfen sich seltsame Blicke zu, und disapparierten dann Seit-An-Seit.

Und zurück blieb ich. Ich hatte keine Ahnung wie spät es war, und fühlte mich, als hätte ich die letzte halbe Stunde nur geträumt. Draco war fast eine neue Person gewesen, ich war in dem Haus eines Todessers, und war ganz alleine appariert, trotz mangelnder Erfahrung.

Alles fühlte sich irreal an. Wer weiß, vielleicht hatte ich alles nur geträumt, von dem Tag an, als Voldemort wieder auferstanden war, vielleicht waren die Potters nicht meine Eltern gewesen, vielleicht wachte ich morgen auf, und alles war wieder wie davor. Ich das arme, missbrauchte Mädchen, Voldemort tot, Draco der arrogante Mistkerl, und Harry der Gryffindor den alle kannten, aber ich nie persönlich getroffen hatte...

 Ich das arme, missbrauchte Mädchen, Voldemort tot, Draco der arrogante Mistkerl, und Harry der Gryffindor den alle kannten, aber ich nie persönlich getroffen hatte

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THE GIRL WHO HAD NO CHOICE | D. MalfoyWhere stories live. Discover now