v. GINNY WEASLEY

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Den restlichen Tag verbrachte ich mit Ginny. Rons kleine Schwester war sympathischer als ich dachte. Sie würde nächstes Jahr in die vierte Klasse kommen.
„Ich bin Ginny. Ginny Weasley", stellte sie sich mir vor. Ihre leuchtend roten Haaren ähnelten meiner Meinung nach wirklich sehr denen ihres Bruders.
„Ich bin Grace – Lestrange", sagte ich, unsicher wie sie reagieren würde.
„Ich weiß", sagte sie, mit einem Lächeln auf den Lippen.
Erleichtert atmete ich aus. Sie wusste, dass ich keine Bedrohung war. Ich hoffte, die anderen würden dass auch so schnell verstehen.
„Wir werden in den nächsten Tagen helfen müssen, das Haus zu putzen, hat Mom gesagt", sagte Ginny genervt.
„Juhu", sagte ich sarkastisch, und wir beiden begannen zu lachen.
„Wir müssen unseren letzten Tag als freie Leute noch genießen", schrie sie, vor lauter Lachen Tränen in den Augen habend.
„Oh ja! Ich werde dich vermissen, geliebtes Leben".
Den ganzen Nachmittag sprachen wir über Schule, Noten, Lieblingsfächer, und Lehrer. Zwei Themen mieden wir bewusst: Jungs und Voldemort.
Um über Jungs zu sprechen kannten wir uns noch nicht gut genug. Und über Voldemort zu sprechen – trauten wir uns nicht. Denn ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Seine Anhänger hatten mich aufgezogen, doch das konnte ich ihr keinesfalls erzählen. Und wenn ich es ihr verschweigen müsste, würde ich Gewissensbisse bekommen. Also sprachen wir weiter über Schule.
Irgendwann, gegen Halbsieben, kam Molly in Ginnys Zimmer, um uns zum Abendessen zu holen.
„Grace – geht es dir wieder gut?", fragte Remus mich, als ich den Speisesaal zusammen mit Ginny betrat.
Ich nickte. „Tut mir leid wegen gestern. Ich freue mich natürlich! Es war nur so viel auf einmal...", murmelte ich.
Remus sah mich lächelnd an. „Es gibt nichts wofür du dich entschuldigen müsstest".
Ginny warf mir einen schiefen Seitenblick zu, und ich gab ihr zu bedeuten, dass ich es ihr später erzählen würde. Nur etwas abgeändert. Niemand durfte erfahren, dass ich Harrys Schwester war.
Wir nahmen Platz, und kamen mit Tonks ins Gespräch. Es ging ihr schon wieder besser, und ich erfuhr, dass sie ein Metamorphmagi war.
Bewundernd sah ich ihr zu, wie ihre Haare sich lila, pink, grün, rot, und blau färbten, und wie sie die verschiedensten Tiernasen aufsetzte. Ginny und ich kriegten und teilweise vor Lachen nicht mehr ein.
Nachdem wir fertig gegessen hatten, gingen wir wieder auf Ginnys Zimmer.
„Was war das den eben, mit Professor Lupin?", fragte sie misstrauisch.
„Ich – er ist mein Pate", schoss es aus mir heraus.
Erstaunt sah sie mich an. „Aber – Grace, ist deine Mutter nicht...", begann sie, stockte aber, als ich mit dem Kopf schüttelte.
„Das ist kompliziert. Ich bin bei Miss Lestrange aufgewachsen. Aber meine richtigen Eltern sind tot", sagte ich traurig.
„Oh das tut mir leid", sagte Ginny mitfühlend.
Mehrmals beobachtete ich, wie ihre Lippen sich spalteten, und wieder schlossen. Sie wollte etwas sagen.
Erwartungsvoll sah ich sie an, und sie sah zu Boden.
„Wieso hat Bellatrix dich freiwillig aufgezogen?".
„Hat sie nicht. Man kann das, was sie getan hat, nicht aufziehen nennen. Ich war ihre Sklavin", sagte ich, um vom Thema abzulenken. Ich schluckte, und es fühlte sich so an, als hätte ich einen Kloß in meinem Hals. Ich hatte noch nie jemandem so viel über meine Vergangenheit erzählt, noch nicht einmal Luna.
Ginny sah mich mit Tränen in den Augen an.
„Ach, schon okay. Jetzt bin ich ja hier, und mir geht es gut!", meinte ich, und vermied es, sie dabei anzusehen. Lügen war noch nie eine meiner Stärken gewesen.
Ginny umarmte mich, was mich schon wieder mit diesem Gefühl von Geborgenheit durchströmen ließ.
Wenige Minuten später kam Molly ins Zimmer.
„Hermine kommt in ein oder zwei Wochen auch hierher. Wir haben für euch drei Mädels nur zwei Zimmer zur Verfügung. Grace-Schatz, möchtest du lieber alleine oder mit Ginny ein Zimmer haben?"
Fragend sah ich Ginny an. Sie erwiderte meinen Blick, woraufhin wir gleichzeitig zu lachen begannen.
„Ich würde gerne bei Ginny bleiben, wenn ich darf?", sagte ich, immer noch lachend.
Molly schenkte mir ein warmes Lächeln. „Aber natürlich, Herzchen".
Also schleppten wir meinen Koffer und Owly – wo auch immer die hergekommen waren, in Ginnys Zimmer, und ich legte mich auf das Bett neben sie.
Nachdem wir uns bettfertig gemacht hatten, grübelte ich noch eine Weile, über dies, und über das.
Etwa um Mitternacht fiel ich in einen unruhigen Schlaf, indem ich mich immer wieder hin und her wälzte.

„Harry!", hörte ich eine weinerliche Stimme. „Bitte – NEIN!!".

Ich fuhr aus dem Schlaf hoch. Hatte ich geträumt? Ich sah mich um, und realisierte wieder wo ich war. Ginny schlief friedlich in ihrem Bett – dachte ich zumindest. Plötzlich drehte sie sich um, und ich entdeckte ihr schweißnasses Gesicht. „Harry!", schrie sie wieder. Ich hatte also doch nicht geträumt. Wild schlug sie um sich, und begann bitterlich zu weinen.
Vorsichtig stand ich auf, und ging zu ihr. Sanft streichelte ich über ihren Rücken. „Ginny, alles ist gut! Ich bin hier", flüsterte ich.
Leise schrie sie auf, doch ihre Augen waren immer noch zugepresst.
Etwas stärker rüttelte ich sie nun an den Schultern.
Ruckartig setzte sie sich auf, und sah mich aus großen Augen an.
„Hattest du einen Albtraum?", fragte ich sie, und sie nickte.
„Du hast Harrys Namen geschrien. Zweimal".
Zögernd sah sie mich an.
„Es ist okay", sagte ich mitfühlend. Dankbar lächelte sie mich an, doch ich konnte ihr ansehen, dass ihr Traum sie immer noch beschäftigte.
„Wenn du möchtest, kannst du mir davon erzählen".
Sie seufzte.
„Du musst aber nicht! Nur wenn es dir hilft".
„Doch, doch".
„Okay".
Sie räusperte sich. „Harry ist für mich – also – schon seit ich ihn kenne mag ich ihn gerne. Sehr gerne".
Blut rauschte in meinen Ohren, und mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb. Ich atmete tief durch. Nichts anmerken lassen, sagte ich mir. Es würde das ganze viel einfacher machen, wenn es nicht mein Bruder wäre, über den wir hier sprachen.
„Vielleicht war das keine so gute Idee...", meinte Ginny, nachdem sie meine Reaktion gesehen hatte.
„Nein, schon gut. Es ist nur die Müdigkeit. Aber sprich weiter, bitte", sagte ich, um ihr nicht zu vermitteln, dass ihre Probleme mich nicht interessieren würden. Ich wollte ihr helfen.
„Also – schon seit vier Jahren ist das jetzt so. Und ich denke – ich glaube, er sieht mich als so etwas wie seine kleine Schwester an. Und – ich KANN einfach nicht aufhören an ihn zu denken. Und dann riskiert er STÄNDIG sein Leben, und ich habe einfach solche Angst – Angst ihn zu verlieren, und Angst davor, dass er mich nicht will".
Ginny hatte mir ihr Herz ausgeschüttet, und ich spürte, wie das Blut in meine Wangen schoss. Verdammt, Ginny offenbarte mir ihre innersten Gedanken, und ich konnte ihr nicht einmal sagen, wer meine Eltern waren. Schuldgefühle machten sich in mir breit, und ich war überaus froh darüber, dass die Dunkelheit meine Schamesröte erfolgreich verbarg.
„Ginny, das tut mir so leid. Aber hör zu: Vielleicht solltest du versuchen ihn loszulassen. Oder zumindest so tun. Ich schätze, bei seinem konfusen Leben, hat er nie über so etwas nachgedacht. Wenn du dich für andere interessierst, bemerkt er vielleicht, dass er etwas für dich empfindet".
„Und wenn er aber nichts für mich empfindet?".
„Dann wirst du über ihn hinwegkommen. Das musst du wohl".
Sie nickte. Im Grund sah sie nicht enttäuscht aus, sie sah eher froh aus, mit jemandem darüber gesprochen zu haben. Auf einmal machte sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht breit.
„Was ist mir dir? Da gibt es doch sicher jemanden – du scheinst doch erfahren bei sowas!".
Scheiße, dachte ich.
„Nöö – also – nein, absolut nicht".
Diesmal schaute sie aber enttäuscht aus.
„Ach komm schon – ich habe es dir auch von mir erzählt!".
So leid es mir auch tat, schüttelte ich strikt meinen Kopf.
„Keine Chance".
Schmollend schob sie ihre Unterlippe vor.
„Das ist unfair".
„Ich habe dich nicht dazu gezwungen!", sagte ich lachend.
Stur sah sie in die andere Richtung, doch ich sah ihre Mundwinkel ein wenig nach oben zuckend.

 Stur sah sie in die andere Richtung, doch ich sah ihre Mundwinkel ein wenig nach oben zuckend

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THE GIRL WHO HAD NO CHOICE | D. MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt