xi. NERVENZUSAMMENBRUCH

3.1K 148 12
                                    

„Grace!".
Ich erkannte die Stimme sofort. Es war Harrys.
Ich schloss meine Augen, und drehte mich um. „Hi Harry", sagte ich mit einem aufgesetzten Lächeln.
„Wieso bist du hier?", fragte er mich angriffslustig.
Ich seufzte. „Hör zu, ich mag dir nicht sympathisch sein, diesen Effekt hat mein Nachname nun mal. Aber ich bin dir keine Rechenschaft schuldig", sagte ich ruhig.
Ich wusste, dass wenn ich sagen würde, ich könnte ihm nicht sagen, warum ich hier war, er noch neugieriger werden würde.
Er schüttelte den Kopf. „Bist du nicht. Aber ich will es trotzdem wissen".
Wieso musste er es mir so schwermachen? Erst jetzt erkannte ich in seinen grünen Augen meine wieder, und die bekannten Gesichtszüge. Es traf mich wie ein Schlag. Dieser Junge war mein Bruder. Ich hatte es gewusst, aber darüber nachzudenken machte es noch unfassbarer.
Ich verlor die Fassung. „Harry – ich... ja, also, ich", ich wusste selbst nicht was ich da sagte.
„Alles in Ordnung?", fragte er, und ich hätte es echt mehr geschätzt, wenn nicht immer dieser Missfallen in seiner Stimme mitgeschwungen hätte.
„Okay", sagte ich gedankenverloren, und taumelte davon. Wie erwartet holte er mich ein.
„Was ist los?", fragte er unnachgiebig.
In diesem Moment fasste ich einen Entschluss. „Das musst du Dumbledore fragen. Ich kann einen direkten Befehl von ihm nicht ausschlagen", sagte ich.
Er ballte die Hände zu Fäusten. Auf seinem Gesicht bildeten sich die verschiedensten Emotionen ab, und er wurde rot in seinem Gesicht. Mit der Faust schlug er gegen die Wand. „Verdammt, was hat er denn noch alles hinter meinem Rücken mit euch allen gesprochen", schrie er.
Ich starrte ihn schockiert an, und in diesem Moment hatte ich ernsthaft Angst, er könnte handgreiflich werden. Ich hörte Schritte, und Hermine und Ron erschienen neben uns.
„Harry, Mann, was'n los?", fragte Ron misstrauisch. Hermines Augen wanderten zwischen Harry und mir hin und her. Ich hätte darauf gewettet, dass sie irgendeinen Ansatz von dem, was ich Harry nicht sagen konnte, vermutete. Ich kannte sie nicht gut, aber ich hatte einiges von ihr gehört. Und sie wäre nicht Hermine, wenn sie nicht den geringsten Verdacht schöpfte.
„Nichts", fauchte Harry, und rauschte ab.
Ron sah mich entschuldigend an, und ging ihm hinterher. Hermine verschränkte die Arme vor der Brust, und zog unbehaglich die Schultern hoch.
„Tut mir leid", sagte sie.
Ich lachte. „Das muss es nicht", sagte ich.
„Es ist nicht seine Schuld. Er hat es nicht so gemeint, es war nicht wegen dir, wir haben vorhin auch nicht gerade ein freundschaftliches Gespräch geführt", sagte sie schuldbewusst.
„Hermine, schon okay. Ich habe ihm keinen Vorwurf gemacht. Ich verstehe das", sagte ich ehrlich.
Sie lächelte mich an. „Danke".
„Hermine, du brauchst mehr Selbstbewusstsein", lachte ich.
„Ich bin sonst nicht so, naja nicht immer. Ich wollte nur einen guten Eindruck machen", sagte sie, doch ihr Lächeln verblasste augenblicklich. Sie sah mich ertappt an.
„Wieso das denn?", fragte ich fiebrig, doch ich war mir sicher, dass ich den Grund wusste. Sie wusste es. Sie wusste, dass ich Harrys Schwester war.
„Naja, nachdem du hier bist, werden wir vielleicht mehr mit dir zu tun haben und so, da ist ein guter erster Eindruck nötig", sagte sie und kicherte Un-hermine-haft.
„Na dann, tschüss", sagte sie hektisch, und zischte ab.
Es gab zwei Gründe, warum man lachte. Wenn man etwas wirklich lustig fand, oder wenn man mit einer Situation nicht umgehen konnte. Das erste war es bei Hermine definitiv nicht gewesen.
Sie war einfach schlau. Zu schlau. Sie hätte nach Ravenclaw kommen müssen.
„Grace", hörte ich schon wieder jemanden meinen Namen rufen. Genervt drehte ich mich um, und stand Snape gegenüber. „Professor Dumbledore möchte sie sprechen", sagte er kalt.
Ich schluckte. Das war das erste Mal, dass ich ihn seit dem Vorfall alleine sprach. Ich war ihm eindeutig eine Entschuldigung schuldig.
„Es tut mir leid was ich gemacht habe. Und was alle über Sie sagen", gab ich klein bei, und vermied es strikt ihm in die Augen zu sehen.
Es zögerte kurz, und schritt dann davon. Diesmal war es an mir auf die Wand einzuschlagen. Ich konnte einfach nicht mehr, es war alles so viel.
Ich riss mich zusammen, als ich an der Tür zu dem Zimmer öffnete, von dem mir gesagt wurde, dass es Dumbledores Büro im Quartier war. Die Tür schwang auf, und ich trat ein. Dumbledore stand an seinen Schreibtisch gelehnt, und musterte mich sorgenvoll.
„Alles in Ordnung?", fragte ich verwirrt.
Er lächelte traurig. „Dasselbe könnte ich dich fragen", sagte er.
„Mir geht's gut", log ich, und zuckte mit den Schultern.
„Es tut mir im Herzen weh, dass du das alles durchmachen musst. Wenn du Fragen hast, kannst du mir diese jederzeit stellen", sagte Dumbledore, und sah mich durchdringlich an.
Ich fühlte mich ein wenig unbehaglich. Sollte ich ihn fragen? Ich entschied mich dafür.
„Wieso bin ich Voldemort so wichtig?", platzte es aus mir hinaus.
Er stand auf. „Ah!", sagte er nickend, und sah mich dann ernst an.
Ich schaute ihn abwartend an.
„Du musst wissen, dass diese Prophezeiung alles Relevante beinhaltet", sagte er.
„Und?", sagte ich, und ärgerte mich darüber, dass es unhöflich klang, obwohl ich das gar nicht so meinte.
„Noch ist die Zeit dafür nicht reif. Wenn du davon weißt, dann bist du nicht sicher, dann steckst du mitten drin", erläuterte er.
„Professor, verstehen Sie mich nicht falsch, aber ich stecke schon mitten drin", sagte ich.
Er nickte. „Aber es gibt Grenzen. Und jetzt darf ich dich bitten, mich alleine zu lassen. Ein alter Mann wie ich hat auch ein paar Dinge zu erledigen, auch wenn es nicht so wirken mag", sagte er, und lächelte mich gutherzig an.
Wie konnte er so etwas sagen, und es nicht abweisend meinen? An seinem Tonfall konnte ich hören, dass er es nett meinte, doch er hat mich buchstäblich hinausgeschmissen.
„Schön", sagte ich, und ließ die Tür möglicherweise so stark zufallen, dass sie beinahe aus den Angeln fiel.
Ich rannte in mein Zimmer, wo Ginny mit teilnahmslosen Blick saß.
„Geht's dir gut?", fragte ich.
Sie schüttelte ihren Kopf.
„Was ist denn los?", fragte ich besorgt, und quetschte mich neben sie aufs Bett.
„Es ist Harry. Ich glaube, er hasst mich", sagte sie, und sah mich auf einmal an. Ihre Augen sahen leicht gerötet aus, und ich war mir sicher, dass sie geweint hatte.
„Hey, Gin, das tut er nicht. Er liebt dich, ob als kleine Schwester oder mehr sein dahingestellt, aber er liebt dich", redete ich ihr zu.
Sie brach in Tränen aus, und ich nahm sie in die Arme, so wie echte Freunde das taten. Freunde, die sich vertrauten, und einander alles erzählten...

 Freunde, die sich vertrauten, und einander alles erzählten

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.
THE GIRL WHO HAD NO CHOICE | D. MalfoyWhere stories live. Discover now