33 - Die Stunde der Patrioten

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Russland - Derbent

Die Stadt war was die Innenstadt anbelangte, gefallen. Die Polizei hatte sich aus ihr zurückgezogen und sicherte nun das Umfeld von Derbent. Alle Straßen die aus der Stadt herausführten waren gesichert, jede Bahnstrecke bewacht und Hubschrauber kreisten über den Außenbezirken. 

Von Präsident Danilow waren keine Instruktionen eingegangen. Der Polizeichef war äußerst aufgebracht, doch es blieb ihm keine Zeit sich über den Präsidenten aufzuregen. Er war selbst an vorderster Front und koordinierte gerade die Sicherheitslinie. Es waren bereits 14 Polizisten im Kampf gegen die Untoten gefallen. 14 zu viel, doch die standen in keinem Vergleich zu den zivilen Opfern. Die Zahl ging in die hunderte. 
Doch um die Toten zu bedauern gab es wenig Zeit, denn permanent kamen Zivilisten aus der Stadt auf die Sicherheitslinie zugelaufen und suchten Schutz. Im Licht der aufgehenden Sonne sahen die schwarzen Schatten aus wie Zombies. Man war händeringend damit beschäftigt die Leute zu kontrollieren ob sie gebissen worden waren. Wenn sich die Polizisten überzeugt hatten, dass die Person nicht infiziert war, ließen sie sie hinter die Absperrung, wo örtliche Sanitäter und Ärzte versuchten die Bevölkerung zu beruhigen und zu versorgen.

"Das reinste Kriegsgebiet", sagte der Polizeichef zu einem seiner Kollegen und sah dabei auf die Stadt. Seine Stadt, die jetzt an manchen Stellen sogar brannte. 

"Und wir werden hier alleine gelassen", beklagte sich sein Kollege, runzelte die Stirn und sah hinauf zur aufgehenden Sonne.

Schweiz - Thusis

Er hatte zwei Menschen umgebracht. Es gab keine andere Bezeichnung für das Vorgefallene. Er schaute mit einem leeren Blick gegen die weiße Zimmerdecke. Er konnte die Sekunden des Unfalls für keinen einzigen Moment seit dem er aufgewacht war vergessen. Die Ärzte und Krankenschwestern die ihn betreuten, ließen sich nichts anmerken. Sie behandelten ihn wie einen ganz normalen Patienten. Man hatte ihm schnell mitgeteilt, nach dem er aus dem Koma erwacht war, dass er sich eine schwere Gehirnerschütterung zugezogen hatte. Und vor nur wenigen Minuten war Gerber zu ihm gekommen und hatte Jan Odermatt ganz sachlich und so ruhig wie es nur ging erklärt, dass bei dem Unfall im Tunnel zwei Menschen ihr Leben gelassen hatten. 

Gerbers Stimme war weder vorwurfsvoll, noch mitleidig. Er war auch in dieser Situation der sachliche Kollege von Odermatt.

Dieser hatte vorerst gar nicht reagiert. Dann, nach minutenlangem Schweigen und ziellosem umher gestarre, bekam Jan etwas heraus:

"Ich weiß nicht was in mich gefahren war, das alles ist unentschuldbar."

Gerber schwieg und sah seinen Freund lange bedächtig an. 

"Das ist in der Tat so, da gibt es nichts zu beschönigen Jan. Du weißt gar nicht wie sehr der Teufel los ist, drüben in Bern. Die ganze Sache zieht sich gewaltig hoch, weil durchgesickert ist das der Unfall von einem Staatsbeamten verursacht wurde. Entschuldige, ich wollte dich nicht noch mehr belasten, aber du solltest es trotzdem wissen".

"Auch das noch!", dachte Odermatt.

Insel Khoiba

Ein Flammenmeer umgab mich. Ich stand mitten in der unendlichen Hitze. Doch ich spürte rein gar nichts. Und dann sah ich einen Schatten, ganz schwarz war er, und er schritt auf mich zu. Ich erkannte recht bald das es sich um einen Mann mit einer stabilen Figur handelte. Doch er blieb schwarz, ich sah nur seine Konturen. Er war jetzt nur wenige Meter von mir entfernte, gleich würde er mir Auge in Auge gegenüberstehen. Und dann sah ich es! Es war mein Vater, der mich gefühllos und trist ansah. Er trug seine Uniform, sie war von der Asche des Feuers bedeckt. Kurz bevor er mich umgerannt hätte, löste er sich in Luft auf und ein lang anhaltender Schrei durchfuhr meinen Geist. Dann mit einem Male erloschen die Flammen und mir wurde heftig ins Gesicht geschlagen.

Und noch ein Mal. Der Schmerz durchzuckte meine Wange und ich riss die Augen auf. 

"He aufwachen!", lachte mir Jelzin bösartig entgegen. 

Seine Visage war nur gute 30 Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Meine Wange pochte leicht. Dieser Mistkerl hatte mir richtig eine verpasst. Ich zog die letzten Speichel- und Blutreste aus meinem Mund und der Kehle zusammen und schaffte es mit letzter Kraft Boris Jelzin mitten in sein Gesicht zu spucken. 

Der Teamführer wich von mir zurück, verzog angewidert das Gesicht und wischte sich die schleimige Masse weg.

"Bah, sie Scheisskerl!", beleidigte er mich. 

Ich lächelte zufrieden und nutzte die Gelegenheit mich umzusehen. Wir waren in einem dunklen Raum, der nur aus Betonwänden und einem verhangenen Fenster bestand. Ein mit staubbedeckter Tisch und zwei Stühle standen in der Mitte. Meine Handgelenke waren mit einem Strick an einem Dachbalken festgebunden. Der Strick saß bombenfest, da war nichts zu machen. 

Jelzin schritt wieder auf mich zu, mit einem wutentbranntem Gesichtsausdruck schlug er mir mit der Faust gegen meine Schläfe. Mir wurde erneut kurz schwarz vor Augen, dann erst setzte der Schmerz ein. Doch ich unterdrückte einen Schrei, diese Genugtuung wollte ich ihm nicht geben. Ich grinste nur und sah ihn an.

"Ihnen wird ihr blödes Grinsen schon noch früh genug vergehen, Jatuslav!", drohte er mir nun.

"Werden wir ja sehen. Wo ist Alexandra?", fragte ich ihn und richtete mich dabei auf, sodass ich stehen konnte.

"Um ihre kleine Freundin brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, hehe. Johnson kümmert sich um sie nebenan", lachte er wieder dreckig.

Mein Grinsen erstarb. Was machten diese Kerle mit Alex?

"Das ging ja schneller als ich erwartet habe, Jelzin. Und jetzt werden wir beide uns mal unterhalten!"

"Ich sehe keinen Grund darin mich mit ausgerechnet Ihnen zu unterhalten, Jelzin!"

"Der Rebell Jatuslav, jaja. Was glauben Sie eigentlich wer Sie sind? Che Guevara?"

"Wer ich bin? Ein Patriot würde ich meinen, genau wie Alex. Wir kamen zurück für unser Land, für Russland. Es war unsere Stunde und ich bereue nichts."

"Sie waren zwischenzeitlich wieder auf dem Festland?! Eine dreiste Lüge!", beschuldigte mich Jelzin.

"Oh sind sie wirklich so dumm? Woher hätte ich sonst dieses fabrikneue Sturmgewehr, diese Einsatzkleidung und all den anderen Kram den ich bei mir habe? Und erzählen Sie mir nicht das sie die Hubschrauberstaffel die uns hierher gebracht hat nicht bemerkt haben."

Jelzin schwieg einen Moment und sah mich prüfend an. Er zog eine Pistole aus seinem Seitenholster, ließ sie ein Mal wie Lucky Luke über den Finger drehen und legte sie dann auf den staubigen Tisch. Gleichzeitig setzte er sich lässig auf einen der Stühle und lehnte sich zurück.

"Erzählen Sie weiter...", sagte er schließlich. 

Was soll denn das jetzt?, dachte ich. Interessiert Ihn das wirklich oder was?

"Erst will ich diese Fesseln loswerden! Und ich will Alex sofort sehen", forderte ich.

Jelzin lachte kurz auf, sah weg und schüttelte dann den Kopf.

"Ach Jatuslav, ich sag ihnen was: Erzählen Sie mir was ich noch nicht weiß und ich lasse Sie auf dem Stuhl neben mir Platz nehmen. Und Ihre Freundin ist sicher, darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Und ich sag Ihnen noch etwas: Sie wollen das gleiche wie ich! Nämlich überleben!"

Ich musste ihm leider Recht geben. Also tat ich das was ich in diesem Jahr schon so oft getan hatte: Ich begann zu erzählen. 


Beabsichtigt Jelzin wirklich Ivan frei zu lassen? Und geht es Alex gut? Wird Jan Odermatt seinen Job verlieren? Fortsetzung folgt...

[Bild: Die Stadt Derbent mit eingezeichneten Straßensperren (blau) und Zombiegebieten (rot-gestrichelt).]

DayZ Teil II - Tödliche AttackeWhere stories live. Discover now