9 - Staatsgewalt

89 4 10
                                    

Moskau - Kreml

Das Büro des Präsidenten war noch eindrucksvoller als die Marmorhalle. Alle Reichtümer Russland schienen hier vereint. Ein gewaltiger Schreibtisch aus Edelholz stand auf einem riesigen runden Teppich, welcher die Farben Russland (weiß, blau und rot) hatte. Auf dem Schreibtisch standen mehrere Bildschirme und andere elektronische Gerätschaften, die mir zum Teil nicht vertraut waren. Die weißen Wände zeigten ebenfalls Gemälde, allerdings ausschließlich Portraits. Der hohe Kronleuchter der von der Decke hing war abgeschaltet. An ihm hingen etliche Diamanten und Glassteine. Licht schien momentan nur durch eine riesige Glasfassade und vor dieser stand der Präsident und spähte hinaus. Er sah hinaus auf die breite Moskva und drehte sich auch nicht herum als Pushkin die Tür schloss. Die Arme vor dem tadellos gepflegten schwarzen Anzug verschränkt blieb der große Mann im Sonnenlicht stehen.

„Als 1990 der Ost-West-Konflikt zu Ende ging, war die Freude, ja Euphorie über das Ende der Bedrohung durch die Blockkonfrontation groß. Die Chance auf eine friedliche Entwicklung der Welt schien greifbar nahe. Heute sind die Gefühle gemischter", sagte der Präsident mit einer Stimme, die nur ein Politiker haben konnte. Ohne sofort zu begreifen was er von mir wollte, fuhr er fort:

„Unverkennbaren Fortschritten stehen neue Ungewissheiten und Gefahren gegenüber. Als 1991 die GUS entstand schien wieder alles in bester Ordnung. Doch ich denke selbst sie wissen das es nun anders aussieht".

Der Präsident dreht sich nun auf dem Absatz zu Pushkin und mir um. Ich sah im fest in die Augen, bedacht darauf nicht zu viel zu blinzeln. Der Mann besaß die typischen russischen Gesichtszüge und, wie mir bereits aufgefallen war als er mir noch seinen Rücken zeigte, ein breites Kreuz.

„Herr Präsident", sagte ich und nickte ihm zu. Ohne eine Miene zu verziehen nickte er zurück, dann wandte er sich Pushkin zu.

„Das wäre dann alles Alexander!"

„Herr Präsident", sagte Pushkin. Er verbeugte sich kurz und verließ das Büro.

Der Präsident setzte sich hinter seinen Schreibtisch und ohne mir einen Stuhl anzubieten fuhr er mit seiner Rede fort:

„Die GUS existiert seit einigen Jahren nicht mehr, ich denke das ist ihnen ebenfalls bekannt. Russland ist seitdem, nun ja, sagen wir ohne starke Verbündete. Die Ost-Ukraine und die Baltischen Staaten werden uns kaum schützen können. Ich denke das dieser Umstand mit den Geschehnissen auf Khoiba zu tun haben könnte."

Ich stand in der Mitte des Raumes auf der Flagge meines Landes. Vor mir einer der mächtigsten Männer der Welt. Ich konnte nicht reden. Ich konnte nur langsam nicken.

„Ich nehme an sie haben im Auto auf der Fahrt hierher die neuesten Nachrichten gehört? Man hat eine männliche Leiche im Hafenbecken von Aqtau gefunden. Als die Hafenarbeiter den Mann, der mehrere Bisswunden an Hals und Armen aufwies, aus dem Wasser zogen begann die Leiche nach wenigen Minuten sich zu regen. Ein kasachischer Soldat der in der Nähe war erschoss den Infizierten durch einen Kopfschuss. Die Kasachen wissen Bescheid, aber was noch viel tragischer ist, dass eine unser größten Sorgen sich bestätigt hat. Diese...Dinger schaffen es doch über das Wasser! Sie werden nicht auf Khoiba bleiben!"

Wäre ein Stuhl für mich vorhanden gewesen hätte ich mich auf ihn fallen gelassen. Doch trotz des Schocks musste ich stehen bleiben. War der ganze Horror doch nicht vorbei?

„Herr Präsident, sie wissen das sich der Virus, ich nehme an es ist ein Virus, durch einen Biss in die Haut übertragen wird. Die ganze Situation ähnelt einem schlechten Horrorfilm der allerdings real ist. Sollten die Infizierten wirklich das Festland erreichen steckt nicht nur Russland, sondern ganz Asien in gewaltigen Schwierigkeiten!"

Ich sah den Präsidenten mit festem Blick an. Er zog die Augenbrauen hoch.

„Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Sich gegen Untote zu wehren ist eine neue Art der Kriegsführung. Und dann diese Sache mit der Turkmenistankriese. Zwei ehemalige GUS Staaten im Krieg! Und das sich die Amerikaner da einmischen hätte jeder Chinesische Reisbauer sich denken können. Nicht auszudenken wenn die Armeen in Kontakt mit dem Virus kommen würden. Doch beginnen wir von vorn Herr Jatuslav, bitte folgen sie mir!"

Er erhob sich und führte mich durch eine Seitentür aus dem Büro. Wir durchquerten einen wenig beleuchteten Flur in denen etliche Soldaten stramm Wache standen. Der Präsident stieß eine Tür auf und hielt sie mir offen. Ich betrat einen Runden Konferenzraum der in ein unerträgliches grelles Licht durch helle Neonlampen getränkt war. Um einen runden Tisch saßen mehrere Männer in Uniformen oder Anzügen. Sie sahen mich mit ernstem Blick an, doch einige nickten mir zu. Der Präsident trat neben mich.

„Meine Herren, ich darf ihnen Ivan Jatuslav vorstellen. Der einzige überlebende männliche Zivilist der Katastrophe von Khoiba."

Ein Stich traf mein Herz und meine Gedanken schossen in Richtung Alex.

„Aus Zeit- und Sicherheitsgründen verzichte ich darauf Ihnen alle vorzustellen Jatuslav, bitte setzten sie sich", sagte der Präsident und schob mich zu einem Stuhl am Tisch. Zu meiner rechten saß ein kräftiger Mann in einer dunkelblauen Uniform wie sie normalerweise Generäle trugen. Links von mir saß ein junger schmaler Mann in einem schwarzen Anzug. An einer der großen Wände war eine Karte Russlands geheftet. An einer anderen Wand waren Zettel und andere Blätter geklebt worde.

Alle Anwesenden hatten den Blick auf den Präsidenten geheftet, welcher zum Whiteboardmonitor an der Wand schritt. Er schaltete diesen ein und eine Karte Khoibas erschien.

„Meine Herren. Insel Khoiba. Die Heimat von Herrn Jatuslav. Kein anderer von ihnen war jemals auf dieser Insel, mich eingeschlossen", begann der Präsident und zeigte auf das mir nur allzu gut vertraute Fleckchen Land.

„Wir haben eine Insel mit einer Bevölkerung von ungefähr 8.000 Menschen, welche alle mit einem Virus infiziert sind welcher sie zu Untoten macht. Ziehen wir die Infizierten die Herr Jatuslav, das EVAC Team und die Streitkräfte getötet haben ab, bleiben schätzungsweise 7.500-7.700 Untote übrig. In erster Linie gilt es natürlich herauszufinden, wer hinter diesem heimtückischen Angriff auf Russland steckt, um welchen Virus es sich handelt, wer oder was Khoiba zusätzlich bombardiert hat und wie wir die Ausbreitung des Virus bekämpfen und ihn endgültig vernichten können."

Er legte eine kurze Pause ein. Viele nickten dem Präsidenten zu. Als er das EVAC Team erwähnt hatte, waren meine Gedanken bei Leeroy und Jelzin stehen geblieben, an Bilder in denen eine Kugel den blutigen Kopf von Leeroy zerfetzte und in denen Jelzin kalt lachte.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen als der Präsident meinen Namen sagte.

„Herr Jatuslav, bitte erzählen sie uns alles was seit der Nacht in der alles begann passiert ist. Lassen sie nichts aus. Jedes kleine Detail kann wichtig sein". Er ließ sich auf den letzten freien Stuhl nieder und sah mich an. Jeder sah mich an. Die Erwartungen an mich waren hoch, dass merkte ich seitdem ich den Raum betreten hatte, nein eigentlich seitdem ich Moskau betreten hatte. Ich starrte einige Sekunden auf die Tischplatte, hob dann aber den Blick und begann zu erzählen.


DayZ Teil II - Tödliche AttackeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt