31 - Alte Feinde

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Schweiz - Chur

Jan Odermatt stand vor einem riesigen Trümmerhaufen. Als etwas anderes konnte man das Objekt gar nicht mehr bezeichnen. Vor nicht weniger als zwanzig Minuten war die Anlage, die man inoffiziell "Alpenfestung" genannt hatte, auf dem Brambrüesch zusammengebrochen. Alles wofür sie die letzten Wochen gearbeitet hatten war in nicht ein mal zehn Sekunden zu nichte gemacht worden. Die Anzahl der Todesopfer war noch ungewiss, ebenso wie die Ursache für den Einsturz der Rohbau-Baustelle. Ohne zu blinzeln stand Odermatt reglos etwas oberhalb des Trümmerfeldes und konnte seinen Blick nicht abwenden. Was sollte er jetzt nur tun? Was sollte er dem Bundesrat sagen? 

Gerber trat zu ihm und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter.

"Es war nicht deine Schuld Jan. Da muss irgendwas bei der Konstruktion oder dem Bauuntergrund falsch gelaufen sein. Da können wir nichts machen", sagte er.

"Ja mag sein. Aber was sollen wir jetzt tun? Alles aufräumen und wieder anfangen? Das scheint mir zu riskant."

Gerber antwortete darauf nicht. Er nahm seine Hand von der Schulter seines Freundes und wendete sich gen Osten. Am Horizont brauten sich graue Wolken zusammen, die langsam auf sie zuschwebten. 

Moskau - Prospekt Mira

"Mein lieber Pushkin, ich glaube wir können unserem Land nicht mehr auf die Art und Weise dienen wie wir uns das vorgestellt haben."

Der Ex-Präsident nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse und sah Alexander Pushkin dann abwartend an. Dieser saß mit verschränkten Armen ihm gegenüber in einem der gehobeneren Bistros im Einkaufszentrum des Prospekt Miras. 

"Sie meinen doch nicht etwa das wir Russland den Rücken kehren sollten?", antwortete Alexander gedämpft. Er wirkte durchaus überrascht.

"Das ist sehr hart formuliert. Ich meine nur, dass wir unserem Vaterland nicht mehr auf direktem Wege helfen können. Stattdessen sollten wir versuchen andere Länder dazu zu bewegen eben diesem zu helfen. Und da wir nicht darauf vertrauen können, dass unser hoch geehrter Herr Danilow dies von selbst aus tut, müssen wir eben...sagen wir mal...nachhelfen."

Zufrieden mit sich selbst lächelte der ehemalige Präsident.

"Sie meinen wir sollen, obwohl wir gar nicht die Befugnis dazu haben, andere Regierungen noch mehr einweihen als Sie das in Ihrer Amtszeit ohnehin schon getan haben?"

Pushkin war die Verblüffung ins Gesicht geschrieben. Daran hatte er ehrlich gesagt noch keinen Gedanken verschwendet. Ihn betrübte es gleichzeitig auch ein wenig, dass sein großes Russland nun auf Hilfe von außen angewiesen schien.

"Genau so meine ich das Alexander. Waren Sie schon ein mal in West-Europa?"

Insel Khoiba - Kamenka

Als wir da so saßen, wie das letzte Häufchen Elend, wurde mir klar wer da unseren Kameraden erschossen hatte. 

"Es kann nur einer gewesen sein, der da geschossen hat. Es war Johnson. Und wo Johnson ist, ist auch Jelzin nicht weit weg!", zischte ich mit einem Hauch purer Verachtung in der Stimme.

Alex hob den Kopf und sah mich mit rötlichen Augen an. 

"Was? Glaubst du das die beiden echt noch Leben?"

Ich blickte weg, irgendwohin doch bloß nicht in dieses gekränkte Gesicht. 

"Wer sonst? Iwanow? Der würde nie auf einen von uns schießen. Außerdem bezweifle ich sehr stark das er so genau zielen und schießen kann. Nein, es kann nur Johnson gewesen sein. Es gibt auf diesem gottverdammten Fleckchen Erde nur zwei Personen die so gut schießen können. Und das sind du und Johnson", schloss ich.

"Stimmt genau! Hahahaha!", lachte es auf einmal direkt neben uns.

Ich zuckte so stark zusammen, dass mein Hinterkopf gegen die Mauer an der ich lehnte anschlug. Schließlich konnte ich ich mich nach links umsehen. Dort, halb in einem Fenster sitzend, lächelte der Mann, von dem ich Minuten zuvor erst gesprochen hatte: Jelzin.

Er steckte immer noch in seiner Einsatzkleidung des EVAC Teams, doch war sie von Dreck überzogen. Sein Gesicht war von Müdigkeit und Hunger geprägt, doch seine ganze Verachtung lag in seinem finsteren Lächeln. Dieses einzigartige diabolische Lächeln konnte er nur gegenüber mir zeigen. Jelzin zielte mit einer Pistole auf Alex und mich.Sein linkes Bein hing vom Fensterrahmen herab, bereit jeden Moment auf den Innenhof aufzusetzen.

"Soso", sagte er langsam, "so sieht man sich wieder. Hahahaha".

Ich warf einen kleinen Blick auf Alex. Ihr stand der Schrecken mitten ins Gesicht geschrieben.

Ich blickte zurück zu Jelzin und sah ihm einfach nur in die Augen. 

"Tja. Ich muss schon sagen Herr Jatuslav", begann er wieder und spuckte nach dem aussprechen meines Namens auf den Boden, "ich bin wirklich fasziniert davon wie ein einfacher Mann wie Sie es sind, so lange in dieser Hölle überleben konnte. Dabei sind sie nicht einmal Soldat". 

Ich sagte nichts. Nicht weil ich es nicht wollte, nein ich hielt meinen Mund verschlossen weil ich wusste das es keinen Sinn machte Jelzin irgendetwas entgegen zu schleudern.

"Was ist denn? Nichts zu sagen? Sie waren doch sonst auch immer so schlagfertig. Und Sie junge Dame? Selbst Ihnen hat es die Sprache verschlagen. Welch seltener Genuss. Haha."

Meine AK-33 lehnte zu meiner linken an der Wand. Mein Blick fiel auf mein treues Sturmgewehr. Es schien zum greifen nahe. Doch Jelzin fing meinen Blick auf.

"Nanana, Herr Jatuslav! Denken Sie nicht einmal dran! Eine kleine Handbewegung in Richtung Ihrer Waffe und Johnson verpasst Ihnen ein Loch in den Kopf", drohte Jelzin.

Er nickte nach oben. Alex und ich sahen auf. Ungefähr 2 Meter über uns saß Johnson in der gleichen Haltung wie Jelzin und zielte mit seinem Scharfschützengewehr auf uns. 

Jelzin sprang aus dem Fenster in den Hof. Er ging mit langsamen Schritten auf mich zu, die Pistole permanent auf meinen Kopf gerichtet. Als er mein Sturmgewehr erreichte, spielte ich kurz mit dem Gedanken mich auf Ihn zu stürzen. Doch noch bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte, griff der Teamleiter, der eigentlich kein Team mehr zu führen hatte, nach der AK-33, ließ gleichzeitig seine Pistole fallen und noch bevor ich schützend die Hände heben konnte, hatte er mir mit dem Gewehrkolben gegen die Schläfe geschlagen.

Dann umgab mich Dunkelheit. Ich sah schwarze und weiße Umrisse die in meinem Kopf kreisten. Dann sah ich gar nichts mehr.

Schweiz - A13

Jan Odermatt fuhr mit einer unheimlich schnellen Geschwindigkeit über die Autobahn 13 Richtung Süden. Wutentbrannt hatte er die verwüstete Baustelle von Chur verlassen, war in seinen Audi S4 gestiegen und davon gerast. Mit beiden Händen am Lenkrad drückte der Schweizer das Gaspedal durch, bis der Kick-Down einsetzte. 500 Newtonmeter, verpackt im quattro Allradantrieb, preschten nach vorn.

120 km/h...130...140...150...160...170.

Doch Odermatt dachte gar nicht daran vom Gaspedal zu gehen. Er flog praktisch über die Autobahn, die mittlerweile nur noch 2 spurig war, passierte die Ortschaft Hinterrhein, von der er nur ein paar schemenhafte Silhouetten sah und fuhr in den San Bernardino Tunnel ein. Der Sound des Sechszylinders schallte in der engen Tunnelröhre tausendfach wieder. 

Als die rote Tachonadel schließlich die 200 km/h passierte geschah es! Dieser Tag würde Jan Odermatt für immer verändern. Nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich.

Fortsetzung folgt!

Was hat Jelzin mit Ivan und Alexandra vor? Und was geschah in der 6,6 km langen Tunnelröhre des San Bernardino mit Jan Odermatt? 


DayZ Teil II - Tödliche AttackeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt