52. Handlung Mit Folgen

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Kapitel 52 - Handlung mit Folgen

Lillys Sicht

Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und als schließlich der Morgen dämmerte, sah ich wie eine große Schar von Elben und Menschen von der Stadt Thal auf dem Vormarsch vor unsere Tore waren. Stumm sah ich zu wie sie sich postierten und versuchte einen Blick auf Sam oder Mia zu erhaschen, doch sie schienen in der Menge unterzugehen. Ich konnte sie nicht finden.
Reihe um Reihe golden glänzender Elbenrüstungen rückten mir vor Augen. Thranduils Heer nahm ohne auch nur das kleinste Geräusch zu verursachen in einer peniblen Ordnung die Stellung ein. Es waren tausende, die sich hier vor dem Berg versammelten und in einem Bereich in ihrer Mitte die Vertreter und Kämpfer der Menschen einschlossen.
Im Hinblick auf diese mächtige Streitmacht kam ich mir mit meinem kleinen Dolch am Gürtel ziemlich klein und unbeholfen vor und es war nicht das erste Mal, dass sich mein Magen umdrehte. Wie wollte Thorin gegen eine solche Übermacht gewinnen?
„Hoffentlich geht er den Deal ein", murmelte ich vor mich hin. Es war nicht auszudenken, was passieren würde, wenn er ablehnte. Dann würde es zum Krieg kommen. Aber war es überhaupt Krieg, wenn ein Handvoll Männer es mit einer ganzen Streitmacht aufnahm? 
Immer mehr der Zwerge erschienen nun auf der Brüstung. Sie hatten alle schwere, aber edel aussehende Rüstungen an und waren stark bewaffnet. Ich fragte mich, wie sie in einer solchen Montur laufen, geschweige denn kämpfen konnten. Ich selbst würde wahrscheinlich allein unter der Last einer solchen Rüstung zusammenbrechen.
Ich stellte mich abseits der Gruppe auf, denn ich wollte mit keinem von ihnen sprechen oder ihnen ins Gesicht sehen müssen insbesondere Thorin nicht. Die Geschehnisse von letzter Nacht steckten mir noch in den Knochen und ich konnte nun nicht mehr leugnen, dass mein Vertrauen in ihn irgendwo zerschmettert am Boden meiner Psyche lag. Doch er schien mich keines Blickes zu würdigen, als er plötzlich erschien und ohne ein Wort zu irgendjemandem nach vorne trat, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen.
Ein drückendes Gewicht begann schwer auf meiner Lunge zu lasten und machte mir das Atmen schwer, als ich daran dachte, was Thorin mit mir anstellen würde, wenn er herausfand, was ich getan hatte. Und das ließ sich ja praktisch nicht mehr vermeiden, denn er würde wahrscheinlich schnell auf die Idee kommen, dass mein Besuch in Thal, wohl doch einen größeren Grund gehabt hatte, als nur mit Gandalf zu reden. Wahrscheinlich würde er mich liebend gern die Brüstung hinunter stürzen. Panik stieg in mir hoch, wenn er gestern Nacht schon so heftig reagiert hatte, wie wäre dann seine Reaktion auf meinen tatsächlichen verrat?
'Naja', dachte ich mit einem bitteren, jedoch schrecklichen Sarkasmus. 'So werde ich immerhin nicht durch den Schlag eines Orkschwertes sterben'
Zitternd atmete ich tief ein und versuchte mich zu beruhigen, während ich beobachtete, wie sich die Letzten der Elben und Menschen in Stellung brachten. Ich hatte so konzentriert das Treiben unterhalb der Brüstung beobachtet, dass mir gar nicht aufgefallen war, wie sich Bilbo neben mich gestellt hatte. Die Zwerge schienen nun vollständig auf der Brüstung zusammengekommen zu sein und beobachteten grimmig ihren Feind. Der Hobbit lächelte mich aufmunternd an und ich nickte nur mit einem dicken Kloß im Hals. Es war schrecklich nicht zu wissen, wie der heutige Tag ausgehen würde.
„Du hast jetzt noch die Möglichkeit zu gehen" Überrascht blickte ich auf und musterte Bilbo, der mich nachdrücklich ansah. Sein Gesicht zeigte eine Entschlossenheit, die mich trotz der drückenden Siuation leicht schmunzeln ließ.
„Wirst du gehen?"
„Niemals", bekam ich seine prompte Antwort.
„Genauso wenig wie ich", erklärte ich ihm fest und richtete meine Aufmerksamkeit nun wieder auf das was unter uns geschah. Die Elben teilten sich systematisch um eine Gasse zu schaffen in der sich zwei Tiere den Weg nach vorne bahnten. Ein wunderschöner Hirsch und ein schneeweißes Pferd. Bard und Thranduil waren nun dabei für ihre Sache einzustehen.
Es begann.
Mit flatternden Nerven beobachtete ich, wie sie immer näher kamen und fing Thranduils Blick auf. Der Elbenkönig hatte eine kalte Miene aufgesetzt die mich ahnen ließ, was passieren würde, wenn unsere List scheiterte. Kaum hielten sie kurz vor unseren Mauern an, als ein Zischen ertönte und ein Pfeil vor dem Vorderhuf von Thranduils Hirsch einschlug. Mein Blick schnellte zu Thorin, der mit einem gespannten Bogen und schon dem nächsten Pfeil in der Sehne kühn dastand.
„Der nächste trifft Euch zwischen die Augen", verkündete er dunkel.
Die Zwerge brachen in ein regelrechtes Jubelgeheul aus und brüllten irgendetwas in Richtung Thorin, während sie Thranuil beschimpften.
Der Elbenkönig schien jedoch nur wenig beeindruckt zu sein und ohne auch nur einen Finger zu rühren spannten tausende Elben synchron ihre Bögen, ihre Spitzen zielten auf uns. Es war ein faszinierender Anblick und wäre ich in einer anderen Situation gewesen, hätte ich es genossen, doch nun ging ich in die Hocke und presste mich gegen den schützenden Stein, falls sie schießen würden. Das Jubelgeheul der Zwerge erstarb augenblicklich und auch sie suchten Deckung...alle bis auf einen. Thorin stand weiterhin aufrecht und mit gespannten Bogen da.
Auf Thranduils Gesicht erschien ein überlegenes Lächeln und er hob leicht die Hand, woraufhin die Elben ihre todbringenden Pfeile zurück in die Köcher stecken.
„Wir sind hier um Euch zu sagen, dass die Begleichung Eurer Schuld angeboten und angenommen wurde", erklärte der Elbenkönig.
„Welche Begleichung, ich habe euch nichts gegeben"
Thranduils Blick glitt von Thorins Gesicht zu dem meinem und Bilbos, bevor er seinen Kopf wandte und zusah, wie Bard in die Brusttasche seines Mantels griff und den hellen, funkelnden Stein herausholte. „Wir haben das hier" Der Bogenschütze hielt den Arkenstein nun für alle sichtbar nach oben.
Ich wagte es nicht zu Thorin zu sehen und starrte stur geradeaus, während ich spürte wie die Luft gefror.
„Sie haben den Arkenstein", hörte ich Kíli brüllen. „Diebe! Wie kommt das Erbstück unseres Hauses in Eure Hände? Dieser Stein gehört dem König"
Bard zog keck eine Augenbraue nach oben, ehe er den Stein einmal lässig in die Luft warf und ihn wieder einsteckte. „Und der König soll ihn bekommen, mit unserem Wohlwollen", erklärte er, bevor sich seine Stimme verschärfte. „Aber zuerst, muss er zu seinem Wort stehen"
Ich stand stocksteif da und getraute mich immer noch nicht zu ihm zu schauen, als Thorins Stimme zischelnd an mein Ohr drang. „Sie wollen uns zum Narren halten, das ist nur eine List, eine dreckige Lüge" Und nun hob ich langsam den Kopf um ihn anzusehen. Er stand da, die Hände zu Fäusten geballt, die Augen Funken sprühend und erhob die Stimme, die die Luft zerfetzte. „Der Arkenstein liegt in diesem Berg versteckt, das ist eine Täuschung"
Zitternd sah ich ihn an, während ich den Kopf schüttelte.
„Thorin" Meine dünne Stimme übertönte kaum den leisen Wortlaut der anderen. „Thorin", rief ich ihn noch einmal, dieses Mal lauter. Es war die pure Folter und es schien mir eine Ewigkeit zu dauern, bis er endlich den Blick hob und mich ansah. Ich schüttelte kaum merklich den Kopf und spürte wie mir der kalte Angstschweiß den Rücken hinunterkroch. „Es ist nicht...", der Mut verließ mich abermals, und ehe ich mich wieder sammeln konnte nahm Bilbo mir das Wort aus dem Mund.
„Das ist keine List", sagte er ruhig und seine fester Blick beruhigte mich. „Der Stein ist echt. Ich habe ihn ihnen gegeben"
Thorins Blick wanderte von meinem Gesicht zu Bilbos und seine Miene war ein Ausdruck von tiefsten Hass und Wut, gemischt mit dem Schmerz des Verrates und der Ungläubigkeit. Ein schwerer Stein sackte mir in den Magen, als ich diese vier banalen Gefühle sich in seinem Gesicht widerspiegeln sah. Gerade diese Gefühle dominierten seine Taten und das schon seit ein paar Wochen. Warum hatte ich denn geglaubt oder gar gehofft, dass es heute anders sein würde? Ich heftete meinen Blick auf seine Augen, die mich dunkel und verwirrt ansahen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er eins und eins zusammengezählt hatte und er wusste, dass wir es gewesen waren, die ihm den Dolch von hinten in den Rücken gerammt hatten.
„Ich habe ihn als meinen vierzehntel Teil genommen", sprach Bilbo unverfroren, aber sachte weiter und sah Thorin unverwandt an. Ich jedoch war mir nicht sicher, ob Thorin Bilbos Worte verstanden hatte.
„Du hast ihn mir gestohlen", knurrte er gefährlich und hörte sich lauernd an, wie ein Raubtier, das nur auf den richtigen Moment wartete um zuzupacken und tödlich sein Opfer zu reißen. Und was tat ich? Ich stand nur hilflos daneben. Meine Beine waren schwer wie Blei und ich sah zu wie Bilbo in der Schusslinie stand, zu feige um irgendwie einzugreifen.
Bilbo schüttelte entschlossen den Kopf. „Dir gestohlen?", wiederholte er Thorins Worte. „Nein, mag sein dass ich ein Dieb bin, aber ein ehrlicher will ich meinen"
Ich konnte nicht anders, als den Hobbit zu bewundern. So klein wie er war, stand er doch Thorin gegenüber und zeigte keine Scheu ihm die Parole zu bieten. Keine einzige Spur von Angst spiegelte sich auf seinem Gesicht. „Ich bin bereit dafür auf meine Ansprüche zu verzichten", erklärte er und blieb tapfer stehen, als Thorin ein verächtliches Lachen hören ließ.
„Auf deine Ansprüche...du hast keine Ansprüche an mich, du elender Wurm" Er schmetterte den Bogen, den er bis jetzt in Händen gehalten hatte auf den Boden und ging auf Bilbo los.
Er würde ihn umbringen. „Thorin, nein", schrie ich auf und handelte nun aus purem Instinkt heraus. Ich stieß ihn mit aller Kraft vor die Brust, doch es half nicht viel, es war, als ob eine Mücke gegen einen Elefanten kämpfen wollte...ich konnte es nicht mit seiner Kraft aufnehmen. „Bitte tu das nicht", flehte ich und zog an seinem Arm, bis er schließlich keine andere Wahl hatte und seine Aufmerksamkeit wieder mir zuwandte. Ich nutzte diese Sekunde und drückte mich an ihm vorbei um mich vor Bilbo zu stellen.
„Wenn, dann musst du uns beide umbringen. Schließlich hat er dich nicht allein hintergangen"
Diese Worte waren mutiger, als ich mich fühlte.
„Du?" Die Frage blieb in der Luft stehen und ich schloss für einen kurzen Augenblick schmerzvoll die Augen, ehe ich nickte. „Und er...?", presste er mühsam hervor. Ich nickte wieder.
„Ich werde mich dafür nicht rechtfertigen", flüsterte ich leise und hob entschlossen das Kinn. Die Angst pulsierte zwar immer noch durch meine Adern, doch ich hatte sie unter Kontrolle, zumindest für den Moment. Und diese Kontrolle würde ich brauchen um meine Fassade nicht bröckeln zu lassen und aus dem purem Instinkt der Angst irgendetwas Dummes zu machen.
Thorin sagte nichts, er starrte mich an, wie ein verletztes Tier und in seinen Augen lieferten sich Schmerz und Wut einen erbitterten Kampf.
„Thorin ich-"
„Sei still", unterbrach er mich und stolperte ein paar Schritte rückwärts und es war ein ungewohnter Anblick. Von dem starken König schien nicht mehr viel übrig zu sein, stattdessen sah er so zerbrechlich aus wie nie zuvor. „Warum hast du...?"
Ich sah ihn an und biss auf meine bebende Unterlippe. Sein Anblick erschwerte mir die ganze Situation und ich spürte wie glühende Tränen in mir aufstiegen. „Du hast dich verändert", erklärte ich und versuchte die markerschütternden Schluchzer in mir einzusperren. „Es ist fast so, als wärst du eine andere Person" Ich schniefte und wischte mir mit dem Handrücken über die Augen, während ich mich in Rasche redete. „Was macht es denn aus, den Menschen einen Anteil des Schatzes zu geben, so wie du es versprochen hast? Du hast dein eigenes Wort verraten und nicht nur dass...Wir standen immer treu hinter dir, doch durch deinen Stolz hast du uns alle damit verraten"
Mit einer unguten Vorahnung beobachtete ich seine Mimik. Es war erschreckend wie schnell das Verletzliche verschwand und sich seine Mimik zu einer Maske aus purem Zorn verwandelte. 
„Du hast ihnen den Stein gegeben und dich mit diesem Dreckspack gegen uns verschworen", seine Stimme zitterte vor Wut und ich wappnete mich gegen einen Ausbruch, als er wie eine Dampfwalze auf mich zugestürmt kam. Noch nie hatte ich eine solche Angst vor ihm verspürt. Hastig stolperte ich ein paar Schritte rückwärts, als er mich auch schon eingeholt hatte und einen eisernen Griff um meine Hand legt, bevor er mich mit voller Wucht gegen die steinige Mauer donnerte. „Und dann willst du mir erzählen, ich hätte euch verraten? Von allen anderen hätte ich es erwartet, aber nicht von dir", brüllte er schon vor Wut spuckend. „Du hast den Arkenstein hinter unserem Rücken verschachert"
„Thorin lass sie los", Bilbos Stimme klang fest und tatsächlich drehte sich Thorin zu ihm um. „Ich wollten dir den Stein schon geben. Viele Male wollte ich es, aber..." Bilbo brach ab.
„Aber was? Dieb!", fauchte Thorin und machte einen drohenden Schritt auf Bilbao zu.
„Du hast dich verändert" Bilbo erhob nun die Stimme und sprach nachdrücklicher denn je. „Der Zwerg den ich in Butelsend kennen lernte, hätte sein Wort niemals gebrochen, hätte nie an der Treue der seinen gezweifelt"
„Du sprichst nicht zu mir von Treue" Thorin hielt inne und seine Augen verengten sich. Lodernder Zorn vermischte sich mit schmerzlicher Enttäuschung zu tödlicher Rache. Ich konnte es beinahe hören, wie sich seine Gedanken überschlugen, ehe er erneut die Stimmer erhob. „Werft ihn den Wall hinunter"
In diesen fünf Worten steckte so viel Hass, dass es mich beinahe in den Boden stampfte. Ich blickte zu Bilbo, der wie erstarrt dastand, den Mund leicht geöffnet und zum ersten Mal sah ich auch in seinem Gesicht, wie seine Züge sich vor Angst verspannten.
Es war, als hätte jemand die Lautstärke abgestellt, denn ich konnte weder das Rauschen des Windes hören, noch meine Atmung oder die der anderen. Nicht einmal die kleinsten Geräusche nahm ich wahr, während ich zusah, wie sich Thorin drehte um jemanden zu sehen, der seinen Befehl auszuführen vermochte. Doch niemand legte Hand an Bilbo. Alle standen sie da, starrten ihren König an, dem sie soweit gefolgt waren und nun von ihnen verlangte einen Kameraden, einen Gefährten in den Tod zu stürzen.
„Hört ihr mich nicht?", brüllte Thorin und packte Fíli am Arm, zerrte ihn auf Bilbo zu, doch sein Neffe wehrte sich und entriss ihm seinen Arm. Thorins Blick war nun so verschleiert, dass ich nicht mehr sagen konnte, welche Gefühle ihn im Moment dominerten. „Dann mach ich es halt selber"
Er ging auf Bilbo los, bevor der Hobbit realisieren konnte was passierte. Ich packte ihn am Arm und verkrallte mich in dem Stoff seiner Jacke, ehe ich ihn ein paar Schritte nach hinten zog und mich wie schon vorher vor ihn stellte. Es war nicht so, dass ich keine Angst mehr hatte, doch irgendwie hatte ich das Gefühl es mir nicht verzeihen zu können, wenn Bilbo jetzt etwas zustieß. Aber vielleicht wollte ich meine unvermeidbare Strafe auch nur vorziehen um der Angst um meine Zukunft ein Ende zu bereiten.
„Geh beiseite", knurrte Thorin, der nun vor mir stand und seine Augen zwischen Bilbo und mir hin- und herspringen ließ.
„Thorin – bitte" Es hörte sich sogar in meinen Ohren erbärmlich an.
„Geh mir aus dem Weg" Thorins Stimme zerschmetterte die Luft. Ich biss mir auf die Lippe und schüttelte abermals den Kopf.
„Du entscheidest dich für ihn? Du bist lieber ihm treu, als mir?"
Ich holte tief Luft und nickte. So sehr ich Thorin auch liebte, war es nicht seine Sache, die mich überzeugte. „Wenn ich weiß, welche die richtige Seite ist, dann besteht kein Zweifel", erklärte ich so fest ich konnte.
„Du wagst es, so mit mir zu sprechen?" Thorin ballte zornig die Hände zu Fäusten und ich sah, wie sie ohne Kontrolle anfingen zu zittern. „Ich bin dein König", brüllte er und kam einen drohenden Schritt auf mich zu.
„Ein Mann der erst erzählen muss, dass er ein König ist, ist kein König"
Kaum hatte ich diesen Satz ausgesprochen spürte ich, wie etwas gegen meinen Kiefer krachte und ich schmerzhaft zu Boden geschleudert wurde. Meine Sinne waren wie betäubt, als ich auf Knien auf dem Boden lag und versuchte durch das monotone piepsen in meinem Ohr etwas zu hören. Ein unbändiges Gefühl der Enttäuschung durchfuhr mich, als ich zitternd eine Hand hob und mein Gesicht betastete. Der kupferne Geschmack von Blut lag mir auf der Zunge und ich spürte, wie mir ein kleines Rinnsal im Mundwinkel hing. Er hatte mich geschlagen...er hatte mich tatsächlich geschlagen. Mit der meiner Fassung ringend kniete ich da und versuchte die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Ich war verletzt, doch mehr seelisch als physisch. Vielleicht hatte ich in meinem tiefsten Inneren noch gehofft, dass Thorin noch irgendwo in seiner leblosen Hülle war. Noch irgendwo...ganz tief vergraben unter der Sucht nach seinem Gold, unter all den frustrierenden Gefühlen und den Gedanken des Verrates. Doch nun...er hatte mir mit dem Schlag ins Gesicht all das zunichte gemacht. Das war nicht mehr Thorin. Tränen schossen mir in die Augen, doch ich kniff sie zusammen und unterdrückte den Reiz laut aufzuschluchzen. Ich würde ihm nicht zeigen, wie sehr er mich getroffen, wie sehr er mich verletzt hatte. Es war ein kleiner Funke, der mich nicht ganz verzweifeln ließ. Ich wischte mir mit dem Handrücken das Blut vom Gesicht und hob trotzig den Kopf. Unbändige Wut schoss mir durch die Adern und wandelte sich in eine kaum zu haltende Energie um. Ohne dass ich es bemerkt hatte, hatte ich meine Hände zu Fäusten geballt und spürte, wie meine Augen loderten. Um mich herum war es totenstill, alle starrten gebannt auf das was sich gerade zutrug. Ich stand langsam auf hob stolz und trotzig zugleich das Kinn.
Als mein Blick den Thorins traf, machte er eine kleine hilflose Geste. Es sah beinahe so aus, als ob er den Schlag bereuen würde, als ob es ihn ebenfalls schmerzen würde. Mein Blick wanderte zu seiner behandschuhten Faust, die nun von einem Zittern erfasst wurde und sich langsam öffnete. Er machte einen unbeholfenen Schritt auf mich zu, streckte die Hand nach mir aus, doch ich schüttelte den Kopf und sah ihn voller Abscheu an.
„Wenn du mich anfasst, dann schwöre ich dir, werde ich dich umbringen", zischte ich ihn an und nun traten mir trotz meines Widerwillens erneut die Tränen in die Augen und tropften langsam und leise von meinen Wimpern auf meine Wange nieder.

(3 000 Wörter)

Eine Reise Zum Erebor Where stories live. Discover now