32. Esgaroth

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Kapitel 32 -  Esgaroth

Lillys Sicht

Es war eine Ewigkeit her. Wir waren bestimmt schon eine halbe Stunde in diesem toten Fisch bis ich endlich spürte, wie der Kahn anhielt...das zweite Mal. Wir hatten schon einmal gehalten, warum wusste ich jedoch nicht. Bard hatte sich unterhalten, doch durch den Fisch hatte ich nicht mehr als ein paar gedämpfte Worte verstanden, die Zusammenhanglos keinen Sinn ergaben. Jedoch war anzunehmen, dass wir kontrolliert worden waren, doch schlussendlich war nichts passiert.
Das nächste was ich spürte war, wie unser Fass mit einem kräftigen Stoß umgeworfen wurde und ich unangenehm mit dem Fisch aus dem Fass glitschte.
„Gott sei Dank", entkam es mir und ich wischte mir mit dem Handrücken über die Augen.
Thorin, der neben mir in dem ganzen Fisch saß schmunzelte leicht, ehe er sich erhob. Er streckte mir eine Hand hin und dankbar ließ ich mich von ihm nach oben ziehen.
„Ich schätze schlimmer kann es sowieso nicht mehr werden", grinste ich und versuchte den Fischgeruch zu ignorieren, der mir penetrant in der Nase lag.
„Wir werden es noch herausfinden" Thorin ließ meine Hand los und sah sich nach seinen Leuten um, die teilweise immer noch dabei waren, sich aus den Fässern zu hieven.
Auch Sams Kopf tauchte nun aus dem Fass neben mir auf und mit einem schmatzenden Geräusch zog er seinen Fuß aus dem Fisch.
„Igitt, du stinkst", klagte ich und hob mir demonstrativ die Nase zu, während ich gleichzeitig versuchte Sam aus seinem Fass zu ziehen.
„Welch ein Wunder, woran das nur liegen könnte?" Sam griff nach meiner Hand und zusammen beförderten wir ihn höchst unelegant aus dem Fass. „Du riechst ja so viel besser"
„Kommt mit", unterbrach uns Bard scharf. Er stand vor uns und verschaffte sich unsere Aufmerksamkeit, in dem er uns von dem Kahn und weiter rechts an der Anlegestelle entlanglotste.
„Endlich" Mia seufzte befreit auf und ihre Gesichtsfarbe nahm schlagartig einen besseren Ton an, sobald ihre Füße festen Boden berührten...naja, soweit wie man diese morschen Holzblanken auf denen wir uns bewegten „fest" nennen konnte. Immerhin war ja die ganze Stadt auf dem Wasser gebaut.
„Also wirklich schön ist es hier nicht", bemerkte Sam auf einmal und sah sich um. Hunde winselten auf den Straßen nach Nahrung und wühlten im Müll. Überall sah man schäbige Häuser und die Kleidung, die die Dorfbewohner trugen, war an etlichen Stellen ausgebessert und geflickt. Auch der beißende Geruch nach vergammeltem Fisch und Abfall lag unangenehm in der Nase, so war mittlerweile der penetrante Fischgeruch, der an uns haftete zweitrangig, denn diese Stadt stank irgendwie nach Fäulnis, als ob sie von innen heraus vermodert war. Sie war nicht nur verarmt, sie war heruntergekommen.
„Das kannst du laut sagen", murmelte ich und machte einen großen Schritt über ein Loch in den Planken unter uns. Irgendwie hatte ich Angst demnächst in das kalte Wasser einzubrechen. Vielleicht sollte ich hinter Bombur gehen...denn wenn der morsche Boden ihn hielt, dann sicherlich auch mich
„Seid jetzt ruhig und bleibt dicht hinter mir", sagte Bard eilig und lief uns wachsam mit schnellen Schritten voraus.
„Wo sind wir hier", fragte Bilbo leise und sah sich mit großen Augen um.
„Das, Herr Beutlin, ist die Welt der Menschen", sagte Thorin und rümpfte die Nase.
„He", protestierte ich lauthals und stemmte die Arme in die Hüften. „Ich bin auch ein Mensch, als hör auf so abwertend gegenüber diesem Volk zu sprechen"
Thorin sah mich nur an und schüttelte den Kopf. „Nein, das bist du nicht"
Verdutzt sah ich ihn an. Doch das war ich, das wusste er doch, schließlich hatte ich es ihm selbst erzählt.
„Ach jetzt zieh doch keine Schnute", grinste Mia hinter mir und drängelte sich an mir vorbei. „Immerhin hat er doch recht, oder? Hier ist alles schon ein bisschen heruntergekommen"
Ich gab ihr keine Antwort und lief schweigend weiter. Was hatte Thorin damit gemeint? Lange hatte ich jedoch nicht Zeit mir darüber Gedanken zu machen. „Zieht die Köpfe ein und verhaltet euch unauffällig", wies Bard uns mit gesenkter aber warnender Stimme an.
„Wow, was für eine weiße Anweisung. Darauf wären wir nicht selber gekommen", murrte Sarah. Die war ja auch wieder blendender Laune.
So dackelten wir nun alle hintereinander im Gänsemarsch die schmalen Gassen entlang und versuchten irgendwie nicht ganz so aufzufallen. Ich muss ja wohl kaum erwähnen, dass das nicht funktionierte. So mini wie wir waren fielen wir trotzdem sehr stark auf und durch Mia und Sam, die vor Anmut und Eleganz beinahe schon strahlten, machte es die ganze Sache auch nicht besser.
„Es wird nicht lange dauern, bis sie uns entdecken", knurrte ich Sam an, der gerade einen komischen Fisch beäugte, der auf einem Topf lag und einen unangenehmen Geruch verströmte. „Also vielleicht würdest du deswegen ein klein wenig schneller laufen", fauchte ich und gab ihm einen groben Schubs...vielleicht ein bisschen zu grob, denn mit einem Ohrenbetäubendem Scheppern viel der Fisch mitsamt dem Topf zu Boden.
„Lilly!", Sam sah mich erschrocken an, während sich nun alle, sowohl Menschen, als auch Zwerge zu uns umdrehten. Wenn wir nicht schon vorher die komplette Aufmerksamkeit hatten, so hatten wir sie spätestens jetzt.
„Ups", murmelte ich und setzte ein peinlich verlegenes Grinsen auf, während ich die Blicke der Menschen versuchte zu ignorieren, die uns alle interessiert anstarrten.
„Ok, verschwinden wir", murmelte Sam und zog mich am Ärmel und gerade als ich mich umdrehte um ihm leise zu folgen erschallte ein Ruf quer über den Platz, auf dem wir uns gerade befanden.
„Halt"
Das war sicherlich kein Befehl eines Händlers gewesen und als ich meinen Kopf drehte erkannte ich eine Wache, die den Finger auf uns gerichtet hatte.
„Schnell weg hier", zischte Thorin und rannte voraus in eine dichte Menschentraube.
„Gute Idee", sagte ich gleichzeitig mit Sam und wir setzten ihm ohne weiteres nach.
Ich konnte nicht sehen, wohin uns unser Weg führte, dafür war ich unter den ganzen Menschen einfach zu klein. Ich betrachtete meistens nur ihre Hintern und Ellenbogen, sie sich mir in den Weg schoben und denen ich dann auch noch ausweichen musste.
Wir kamen unter einer Überdachung an als ich plötzlich zwischen Sarah, die hinter mir lief und sich immer noch nach vorne bewegte und Sam, der plötzlich zurückdrängelte, eingequetscht wurde...das war tatsächlich nicht gerade angenehm.
„He, was ist da vorne los?", zischte ich empört du stemmte die Arme gegen Sams breiten Rücken. „Und geh mir endlich aus dem Gesicht"
„Pst", rief Sarah leise und zog mich flott zu sich hinter einen großen Stapel mit Kisten. Auch alle anderen gingen in Deckung und das auch aus einem bestimmten Grund, denn dieser kam von vorne direkt auf uns zugelaufen. Das war als die Ursache warum alle zurückgedrängt hatten. Wir waren umzingelt. Überall tauchten Wachen auf und ich muss wohl kaum erwähnen, dass diese mit suchenden Blicken umherstreiften. Immerhin wussten sie nicht wo wir uns versteckt hatten. Noch nicht.
Ich sah wie Sam, der uns gegenübersaß, einen Besenstiel umklammerte und angriffsbereit anhob. Eigentlich eine gute Idee. Ich ließ meinen Blick suchend umher wandeln und fand ein Paddel, das vermutlich zu einem Boot gehörte und drückte es Sarah in die Hand. Sie nickte und machte sich bereit. Leise spähte ich hinter dem Stapel Kisten hervor und sah eine Wache, die uns gefährlich nahe kam. Ich gab Sarah ein Zeichen und glitt geduckt nach vorne. Mit einer schnellen Bewegung streckte ich mein Bein aus und als die Wache stolperte holte Sarah aus. Es gab ein ekelhaftes Knirschen und die Wache regte sich nicht mehr. Ich verzog das Gesicht, da hatte sicherlich wehgetan, aber dennoch reckte ich zwei Daumen in die Luft um Sarah zu signalisieren, dass wir es geschafft hatten. Sie grinste zufrieden und klopfte sachte auf ihr Paddel. Auch die anderen hatten derweil die restlichen Wachen erledigt. Nun warteten wir wieder angespannt in unseren Verstecken. Als die Männer der Stadtwache wieder abgezogen waren verließen wir lautlos unsere Verstecke und folgten Bard, der uns durch die dunkelsten Winkel der Stadt führte. Schließlich blieb er stehen und auch die ganze Versammlung der Zwerge machte halt.
„Was ist los?", fragte Thorin mürrisch und zog eine Augenbraue nach oben.
„Wir werden beobachtet", meinte Bard leise und sah sich aufmerksam nach beiden Seiten um.
„Und was machen wir jetzt?"
„Nun Meister Zwerg, könnt Ihr schwimmen?", fragte Bard mit einem süffisantem Lächeln.

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