Die Tage flogen an uns vorbei. Wir verbrachten viel Zeit am Strand, der zu unserem Grundstück gehörte. Wir waren schon alle ziemlich braun geworden. Na ja, alle außer Marlene die beim besten Willen nicht brauner wurde. Nicht das sie es nötig hätte. Selbst eine Veela sah neben Marlene langweilig aus. Es hatte halt Vorteile, wenn man die Nymphe der Kunstgöttin war.
Auch am Sonntag waren wir am Strand, während die Erwachsenen uns von der Terrasse aus beobachteten. Roberts Geburtstagskuchen, der sich als die leckerste Schokotorte der Welt entpuppt hatte, war schon längst vernichtet worden. Nicht einmal irgendwelche Krümel waren über geblieben. Das Bild, wie irgendwelche Kinder Teller ablecken, werde ich wohl nie wieder vergessen.
Nun waren wir alle am Strand und bauten zusammen eine riesige Sandburg, während wir Elaina davon abhielten sie beim Bauen zum Einsturz zu bringen. Es war schon ein paar Mal sehr knapp gewesen. Das kleine Mädchen meinte es wirklich gut, aber auf die Burg zu klettern, um weiter oben zu helfen, war einfach eine sehr dumme Idee.
„Elaina nicht auf die Sandburg klettern!" Marlene hob schnell die Kleine hoch.
„Ich helfe", jammerte das kleine Mädchen.
„Wo willst du denn etwas anbauen."
„Oben." Die Zweijährige zeigte auf einen Turm. Marlene hielt sie auf die richtige Höhe, sodass Elaina dem Turm ein ordentliches Dach bauen konnte – mehr oder weniger. So ordentlich wie man es von einer Zweijährigen eben erwarten konnte.
„Mama! Du musst gucken!" Elaina, die mittlerweile an meiner Hand lief, zupfte an der Bluse ihrer Mutter.
„Seid ihr fertig?" Wildes Genicke war die Antwort.
„Ganz groß!"
„Ach ja? Dann müssen wir doch einmal gucken gehen."
„Ja!" Mathilda nahm ihre Tochter hoch. Dann ging sie mit uns zurück zum Strand. Auch die anderen Erwachsenen folgten.
„Das sieht ja toll aus."
„Das war ich!" Elaina zeigte stolz auf das Dach und dann auf den Burggraben.
„Das hast du ganz toll gemacht." Die Kleine strahlte über beide Ohren.

Marlene und ich lagen zusammen mit Elaina, die Schwimmflügel trug, auf einer Luftmatratze und ließen uns treiben.
„Das ist besser als jeder Urlaub."
„Es ist wirklich schön hier."
„Aber du vermisst Sirius?"
„Ein ganz klein wenig, vielleicht."
„Du kleine Lügnerin! Du vermisst ihn ganz furchtbar."
„Ich würde ihm nur gerne schreiben dürfen, dass alles in Ordnung ist und es uns gut geht."
„Die Eulen können aber zurückverfolgt werden. Deshalb geht das nicht."
„Ich weiß. Ich werde es ja auch nicht machen. Aber ich würde gerne."
„Du hast ich!" Elaina sah mich liebevoll an.
„Ich weiß, Elaina, aber ich hätte gerne auch Sirius hier."
„Marlene und Elaina nicht genug?"
„Doch nur nicht für immer."
„Mit Samuel?"
„Ach Elaina, das verstehst du, wenn du dich das erste Mal verliebt hast. Dann reicht leider niemand mehr auf der Welt, um diese Person zu ersetzen. Jedenfalls für die erste Zeit." Elaina sah uns immer noch verwirrt an, sagte aber nichts mehr. Ich merkte, wie sich die Luftmatratze anhob. Und dieses Mal nicht von einer Welle. Ich konnte noch gerade Elaina an mich ziehen, bevor die Matratze kippte und ich mit einem leisen Schrei ins Wasser plumpste. Die Zweijährige war so schlau und hatte den Mund und die Augen zu. Auch irgendwie traurig, dass die viel Jüngere schlauer als ich war. Wasser spuckend tauchte ich wieder auf. Elaina schüttelte wie ein Hund ihren Kopf und die Wassertropfen flogen weg. Ich sah wütend zu der Luftmatratze, auf der die beiden Übeltäter lagen und lachten.
„Samuel und Patrick Huxon!"
„Hast du nicht gestern noch Elaina erklärt, dass man beim Tauchen den Mund zu haben soll?", lachte mich Patrick aus.
„Ihr habt mich halt erschrocken."
„Oh, arme Carolin." Ich streckte ihnen die Zunge raus.
„So schlecht kann es ihr ja nicht gehen." Ich sah mich nach Marlene um, die noch nicht wieder aufgetaucht war. Samuel wurde auch langsam nervös.
„Marlene?" Keine Antwort. Er sprang wieder ins Wasser. Kurz darauf tauchte Marlene neben mir auf.
„Angriff", johlte sie und wir sprangen auf die Luftmatratze, die dabei umkippte. Patrick landete im Wasser.
„Ihr seid so doof! Der Plan war gut und dann seid ihr gekommen. Anstatt die Matratze zurückzuerobern, habt ihr sie umgeworfen." Er schüttelte enttäuscht den Kopf, während wir Mädchen laut lachend. Wir waren wirklich selten dämlich. Samuel tauchte hinter uns wieder auf.
„Ihr seid so gemein." Er schlang seine Arme um Marlene und mich, sodass wir nicht mehr wegkonnten.
„Was mache ich jetzt mit euch beiden?"
„Einmal fest drücken, weil du uns so sehr liebst?"
„Wäre eine Möglichkeit. Allerdings könnte ich auch etwas anderes machen."
„Dafür liebst du uns viel zu sehr."
„Das hoffst du, Marlene."
„Ja." Er grinste fies.
„Weißt du? Da ihr so gerne taucht –" Wir wurden unter Wasser gedrückt. Als wir wieder aufgetaucht waren, saßen Elaina, Patrick und Prim auf der Luftmatratze. Paul half gerade Patricia herauf.
„Ich glaube, wir haben die Matratze verloren."
„Du hättest uns lieber herauf helfen sollen, anstelle uns zu ertränken."
„Wollt ihr auch rauf? Wenn wir zusammenrücken, passt es", schlug Prim vor.
„Die schmeißen das Ding wieder um", beschwerte sich Patrick
„Mit etwas Hilfe schaffen die das schon." Samuel hob mich auf die Matratze.
„Sie ist oben und ihr auch."
„Sollen wir applaudieren?" Wie auf Kommando fingen die anderen drei an zu klatschen und zu pfeifen. Elaina, die nicht wirklich verstand, was vor sich ging, klatschte unsicher mit. Samuel sah unsicher zu Marlene. Diese grinste ihn breit an.
„Bekommst du mich auch rauf?"
„Selbstverständlich." Er schlang wieder seine Arme um sie. Dann saß sie schon neben mir.
„Kommst du auch noch zu uns herauf?"
„Das wird mir zu eng, da oben. Außerdem ist das Wasser schön kühl."
„Na dann. Bleib dort."

Wir blieben bis ungefähr fünf Uhr am Strand. Danach gingen wir duschen. Während Marlene und Samuel die Dusche in unserem Zimmer in Beschlag nahmen, ging ich mit Elaina bei ihr im Zimmer duschen. Die Kleine hüpfte singend durch das Badezimmer und suchte ihr Shampoo zusammen, während ich Anziehsachen für sie raussuchte. Als ich ins Badezimmer kam, saß sie dort schon brav. Nach dem Duschen kuschelte sie sich in ein Handtuch. Es hatte extra eine Kapuze in der Form von einem Eulenkopf.
„Ich bist Eule!"
„Eine ganz süße Eule. Noch viel süßer als Ruby." Das kleine Mädchen strahlte noch etwas mehr. Glücklich hüpfte sie herum, während ich mich abtrocknete und anzog. Meine Haare versteckte ich in einem Handtuchturban. Dann wandte ich mich wieder an die Zweijährige.
„Dann komm mal her, du süße Eule." Sie kam an gehüpft. Vorsichtig trocknete ich Elaina ab. Sie half gerne mit, auch wenn sie noch etwas ungeschickt war. Langsam lernte sie es trotzdem.

Schließlich waren wir beide wieder angezogen. Elaina trug ein süßes gelbes Sommerkleidchen, dass etwas an Belles Kleid aus die Schöne und das Biest erinnerte, während ich ein weißes Kleid an hatte. Die Kleine drehte sich glücklich vor dem Spiegel.
„Ich bist – bin Prinzessin!"
„Die schönste Prinzessin der Welt." Ich hob sie hoch.
„Carolin auch Prinzessin. Sagt Sirius immer. Gut auf Prinzessin Carolin aufpassen." Ich lächelte leicht bei Sirius Spitznamen für mich.
„Wir sind zwei wunderschöne Prinzessinnen." Auch wenn ich mit meinem Blumenhaarband ein wenig wie ein Hippie aussah. Mit Elaina ging ich zurück in mein Zimmer. Samuel lag schon fertig angezogen auf meinen und Marlenes Bett. Er hatte sich über das Fußende der beiden Matratzen gelegt. Bubble lag auf seiner Brust und mauzte friedlich vor sich hin. Als er mich und Elaina sah, musste er grinsen.
„Haben wir mal wieder eine kleine Belle?"
„Wir sind zwei Prinzessinnen!"
„Das auf jeden Fall." Ich setzte Elaina hinter Bubble auf Samuels Bauch.
„Ich komme wohl doch nicht mit zur Schule."
„Warum?"
„Ich werde von zwei wunderschönen Mädchen festgehalten." Er kraulte Bubble hinter den Ohren und strich Elaina über die Haare.
„Du wirst auch von zwei wunderschönen Mädchen gerettet." Wie auf Kommando ging die Badezimmertür auf. Marlene kam in einem beigefarbenden Kleid heraus. Auch sie hatte ein Haarband, allerdings mit hellblauen Steinchen drin. Die Kunstnymphe hatte die Macht über die Kleiderschränke übernommen. Mit viel Freude verbrachte sie die Abende damit, für uns etwas rauszusuchen. Samuel ließ sie einfach kommentarlos etwas aussuchen. Er hatte sich nie viele Gedanken über sein Aussehen gemacht, weshalb es ihm nichts ausmachte eingekleidet zu werden. Anders als ich. Wir saßen stundenlang vor unseren Schränken und diskutierten über verschiedene Outfits. Samuel saß meistens in unserer Sitzecke und sah uns amüsiert zu, bis wir ihn fragen, was er schöner fand. Dann wirkte er, um Marlene zu zitieren, wie ein süßer achtjähriger vollkommen überforderter Junge.

Kurz darauf mussten wir auch schon los. Samuel hatte es doch geschafft, sich von den ganzen Frauen auf ihm drauf zu befreien. Elaina hatte es sich auf Marlenes Arm gemütlich gemacht. Bubble hatte sich an mich gekuschelt. Sie lag friedlich auf meinem Arm und wartete darauf, dass wir zur Schule gingen. Auch wenn ich mir sicher war, dass sie davon ausging, dass wir dann Sirius und die anderen wieder sehen würden. Sie hatte genauso wie ich Hogwarts und die Leute dort ins Herz geschlossen.
Unten standen schon alle bereit, um uns zu verabschieden. Wir brauchten noch fast fünfzehn Minuten dafür. Erst nachdem ich jeden einmal gedrückt hatte, Robert noch dreimal einen schönen restlichen Geburtstag gewünscht hatte und Elaina mit Nala verkuppelt hatte, konnten wir los. Die Kleine wollte uns nicht gehen lassen. Erst als sie mit der riesigen Katze auf der Treppe saß, ließ sie uns los. Ich würde die Kleine wahrscheinlich am meisten vermissen von allen hier. Doch irgendwann waren wir fertig mit dem Verabschieden und wir mussten los.
Ich ergriff Dads Hand. Er, Marlenes Vater und Samuels Mutter würden uns in der Schule abliefern. Wir hatten versucht, ihnen zu erklären, dass wir alle volljährig sind, die Apparierprüfung abgelegt hatten und einen neunzehnjährigen als Aufpasser dabei hatten und so gerade alleine zur Schule kommen würden. Sie ließen sich nicht darauf ein, da sie noch mit dem Direktor sprechen wollten. Außerdem wollten sie auch keine drei Siebzehnjährigen, die wir jetzt offiziell waren, alleine auf die Welt loslassen.


Hexagramm - VogelfreiWhere stories live. Discover now