„Jetzt bin ich aber wirklich neugierig wie viel die Aufräumaktion von Samuel gebracht hat", flüsterte mir Marlene zu. Der Neunzehnjährige sah leicht verunsichert zu uns herüber. Das Geflüster schien ihm nicht wirklich zu passen. Als wir den Wohnwagen betraten, wurde er noch ein Stück nervöser. Vielleicht hatte er ja wirklich aufgeräumt, weil er sie gerne hatte. Marlene knöpfte sich sofort breit grinsend den Kleiderschrank vor.
„Warum habt ihr eigentlich keine angemessene Kleidung?"
„Weil wir normalerweise nicht zu Verlobungsfeiern müssen."
„Ich beneide euch."
„Wir dich nicht."
„Danke für eure Unterstützung!"
„Immer wieder gerne." Sie zog ein Hemd aus dem Schrank.
„Das ist gut." Mein Großcousin bekam das Hemd in die Hand gedrückt.
„Noch eine Hose und dann sind wir fertig. Bei Jungs ist das irgendwie viel einfacher. Eben eine Hose und ein Hemd und dann sind sie fertig. Wir Mädchen müssen uns erst einmal überlegen, ob wir ein Kleid, ein Rock oder eine Jeans anziehen sollen und wenn wir uns entschieden haben müssen wir uns noch für eins entscheiden. Das ist doch total unfair." Er sah mich verunsichert aus.
„Einfach reden lassen." Mein Großcousin nickte, während Marlene weiter redete.

„Kannst du mir mal kurz helfen, Lorraine?" Ich versuchte, mein blaues Kleid zu schließen, allerdings verrenkte ich mir dabei nur den Rücken.
„Wenn du still stehen bleibst, dann ja." Ich stellte mich gerade hin und beendete damit meine nutzlosen Versuche. Lorraine trat hinter mich und schloss mein Kleid.
„Danke. Soll ich dir auch helfen?"
„Wäre lieb." Ich ging in die Knie und schloss das Kleid der Jüngeren. Elaina saß schon fertig auf ihrem Bett. Nala diente ihr als Rückenlehne und Bubble hatte sich auf ihren Schoß gelegt. Es sah ein bisschen so aus, als wäre das kleine Mädchen von den Katzen gefangen genommen worden, doch sie schien sich da wirklich wohl zu fühlen. Es klopfte an der Tür.
„Ja?" Samuel streckte den Kopf herein.
„Sind die Damen fertig?"
„Wir müssen nur noch Elaina aus der Gefangenschaft befreien. Dann können wir los."
„Ich rette sie!" Joseph quetschte sich an den älteren Jungen vorbei und sprang mit einen lauten Kampfschrei auf das Bett. Bubble sprang verängstig auf meinen Arm, Elaina fing an zu lachen und Nala sah den Jungen an, als würde sie sich fragen, aus welcher Irrenanstalt wir ihn hatten.
„Sie ist frei!", verkündete Lorraines Zwilling stolz. Er rutschte vom Bett, bevor er Elaina herunter hob.
„Dann können wir jetzt los. Die Erwachsenen warten schon in der Küche."
„Was machst du dann hier Samuel?"
„Euch holen."
„Aber die Erwachsenen warten, also husch husch. Geh warten!"
„Sagt die Richtige, Miss Ich-bin-gerade-volljährig-geworden."
„Ich gehe noch zur Schule." Er streckte mir als Antwort die Zunge raus. Ich musste grinsen. So viel zu Erwachsen sein.

In der Küche warteten schon Großvater Martin, Großmutter Donna, Dad und Tante Charlotte auf uns. Jeder schnappte sich irgendeinen Arm. Ich hakte mich bei Dad unter. Samuel würde das erste Mal nach Amerika apparieren und über solche weiten Strecken war es schon schwierig genug zu apparieren, wenn er mich nicht auch noch dabei hatte.
„Alle bereit?" Alle nickten. Im nächsten Moment hatte, ich das Gefühl durch einen Schlauch gepresst zu werden. Keine zwei Sekunden später standen wir vor einem großen Landhaus. Egal, in welche Richtung man sah, es war nichts als Natur zu sehen. Hin und wieder sah man Zäune zwischen den Büschen, welche die einzelnen Gehege der verschiedenen Tiere abtrennten. Die Scamanders hatten ein wirklich riesiges Anwesen. Zu Fuß schaffte man es wahrscheinlich nicht, an einem Tag einmal alles zu sehen. Das Ganze war natürlich vor unwissenden Muggeln geschützt. Jacob war wohl der einzige Muggel, der das Anwesen je betreten hatte. Sie würden sich ansonsten wahrscheinlich aufgrund der ganzen Tiere wundern. Ich meine, da macht man eine friedliche Wanderung durch die Natur und plötzlich steht man einen Abraxaner oder Aethon gegenüber. Die Muggel würden sich bedanken. Schon für viele Zauberer war so etwas befremdlich und würden die Scamanders Leute über das Anwesen führen, würde ihnen wahrscheinlich die Bude eingerannt werden. Muggel würden einen Herzinfarkt bekommen. Anstelle von der Abenddämmerung stand die Sonne hier gerade am höchsten Punkt. Dank der Zeitverschiebung war es hier gerade zwölf Uhr mittags anstatt acht Uhr abends. Die Haustür wurde geöffnet und Tina kam breit strahlend zum Vorschein.
„Es ist ja so schön, euch endlich wieder zu sehen." Sie kam die Treppe herunter und umarmte jeden einmal.
„Die anderen sind im Garten – ihr wisst, wo ich meine."
„Ja, wissen wir."
„Ich habe noch etwas im Ofen stehen. Geht schon mal vor." Sie verschwand wieder im Haus, während wir einmal herum gingen.

Hexagramm - VogelfreiOn viuen les histories. Descobreix ara