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7 Monate später, Donnerstag, 14. Mai 2016, Jacksonville

Grace

Ich schreckte hoch. Meine Atmung war stockend und Angstschweiß lief mir kalt den Rücken runter.

Adam riss meine Zimmertür auf und sah mich überfordert an. "Wieder ein Traum? Du hast geschrien.."

Ich nickte.

Er seufzte, kam auf mein Bett zu und legte sich neben mich.

"Wird das irgendwann wieder aufhören?", fragte ich ihn leise und legte meinen Kopf auf seine Brust. Wir wurden in den letzten Monaten immer enger miteinander und es ist für mich Gewohnheit geworden, dass Adam und ich in einem Bett lagen.

"Ich weiß es nicht. Hör zu, Grace. Es geht jetzt schon mehr als ein halbes Jahr so. Ich.. Ich mache mir echt Sorgen um dich. Vielleicht wäre es mal besser, wenn du von all dem mal wegkommst."

"Was meinst du?", fragte ich und sah ihn verwirrt an.

"Es gibt ein Camp. Für Jugendliche, die sowas durchgemacht haben, wie du."

"Ach, und du hast es nicht durchgemacht?" Ich zog eine Augenbraue hoch. "Adam, unsere Eltern sind gestorben, nicht nur meine. Und du brauchst mir jetzt nicht zu sagen, dass du schon darüber hinweg bist."

"Ich verarbeite es aber besser, als du, Grace! Ich schneide mich nicht vollkommen von der Außenwelt ab und ich esse wenigstens noch etwas!", rief er verzweifelt.

Ich kniff meine Augen zusammen, um den Schmerz zu unterdrücken.
Es tat so verdammt weh, sie nicht mehr zu haben.
Wenn die Eltern ersteinmal tot sind, dann merkt man erst, wie wichtig sie einem sind und wie sehr man sie braucht.

"Hey, es ist nur das beste für dich", sagte Adam jetzt wieder leise und strich mir liebevoll eine Haarsträhne aus meinem Gesicht.

"Und was ist mit dir? Ich lasse dich hier nicht alleine. Das kann ich nicht.."

"Mir geht es gut, Grace. Wirklich. Mach dir um mich keine Sorgen."

"Trotzdem werde ich da nicht hingehen", sagte ich trotzig.

Adam lächelte. "Pack deine Sachen. Morgen geht's los. Wenn du es nicht für dich tun willst, dann tu es für mich. Es wird dir gut tun, glaub' mir."

Ich schüttelte den Kopf. "Ich kann dich hier nicht alleine lassen, Adam. Ich kann-"

"Doch, das kannst du. Ich werde sowieso erstmal zu James ziehen."

"Und was ist mit dem Haus?"

"Das bleibt alles so, wie es ist. Und wenn du nach zwei Wochen wieder nach Hause kommen möchtest, dann kannst du das tun. Bitte versuche es wenigstens", flehte er mich an.

Ich seufzte. Was ist schon dabei?
"Na gut, weil du's bist."

Mein Bruder grinste und umarmte mich. "Danke. Und glaube mir, es wird toll."

"Warte, was ist mit der Schule?", fragte ich.

"Das ist alles geklärt. Sei froh, dass unsere Eltern mit der Direktorin gut auskamen."

Ich nickte.

Mein Bruder erhob sich wieder und ging dann zur Tür.
"Ich hab dich lieb, Schwesterchen."

"Ich dich auch", sagte ich und lächelte leicht.

"Versuch weiterzuschlafen. Du musst morgen um sieben aufstehen", zwinkerte er mir zu, bevor er mein Zimmer verließ.

Ich schaute auf meine Uhr.
00:22

Ich ließ mich stöhnend in mein Kissen zurückfallen.

Ist das wirklich so eine gute Idee?
Na ja, Ablenkung könnte ich zwar schon ein bisschen gebrauchen..

Ich schloss meine Augen.
Die letzten sieben Monate waren für​ mich wortwörtlich die Hölle.

Kein Schlaf, kein Hunger, keine Lust auf nichts mehr.

Vielleicht wird es ja durch dieses komische Camp besser?

-

"Grace, kommst du?", rief mein Bruder.

"Ja, ich komme gleich!", rief ich zurück.

Mein Blick schweifte durch mein Zimmer.
Drei Monate werde ich es nun nicht mehr betreten.

Na ja, vielleicht auch nur eine Woche oder so, wenn es mir dort nicht gefällt.

Ich seufzte, schnappte mir meine Tasche und ging dann runter, wo Adam schon mit meinem Koffer wartete.

"Alles klar?", fragte er.

Ich nickte und zog meine Jacke und Schuhe an.
"Wann kommt der Bus?", fragte ich.

"In zehn Minuten. Ich bringe dich schnell zur Bushaltestelle."

Adam zog sich ebenfalls an, nahm meinen Koffer und wir verließen das Haus.

Ich machte mir gar nicht erst die Mühe, mich von dem Haus zu verabschieden, da ich wusste, dass es mir dann noch schwerer fallen wird.

Wir stiegen in das Auto meines Bruders ein und Adam fuhr los.
Nach fünf Minuten kamen wir an der Bushaltestelle an.

Ich stieg aus, lief auf den Kofferraum zu und holte meinen Koffer raus.

Adam kam um das Auto rum und half mir, während ich meine andere Tasche von der Rückbank holte.

"Ich werd' dich vermissen", sagte ich und umarmte ihn.

"Ich dich auch, Kleine", sagte er und drückte mich fest an sich.

Mit Mühe unterdrückte ich die aufsteigenden Tränen.

"Wenn irgendetwas ist, rufst du mich an, okay? Und wenn dich irgendein Junge doof anmacht, dann komme ich vorbei, ja?"

Ich nickte.

"Pass auf dich auf.", sagte er und gab mir einen Kuss auf den Kopf.

"Werd' ich. Wenn du mir versprichst, dass du auch auf dich aufpasst", sagte ich und löste mich von ihm.

Ich sah, dass der Bus kam und an unserer Haltestelle anhielt.

"Wo musst du Aussteigen?"

"West Virgina erste Haltestelle. Die auch West Virginia heißt", sagte ich genervt, da er mich das schon gefühlte 2.000 mal gefragt hat.
"Und ich rufe dich jeden Tag an. Es gibt keine Drogen, Alkohol, Sex oder ähnliches. Ich mache nichts illegales. Wenn ich wieder einen Zusammenbruch habe, rufe ich dich sofort an. Es gibt keine Jungs, die du vorher nicht durchgecheckt hast."

"Sehr gut.", sagte Adam und lächelte mich stolz an, "Und jetzt los. Der Bus wartet nicht ewig."

Ich umarmte ihn noch einmal kurz, dann nahm ich meinen Koffer und ging zum Bus.

Ich drehte mich noch mal um und winkte ihm zu, bevor ich in den Bus einstieg.

Ich suchte mir einen Platz ungefähr mittig des Busses und stellte den Koffer auf den Sitz neben mir, in der Hoffnung, dass der Bus nicht zu voll wird.

Ich schaute aus dem Fenster und sah meinen Bruder, der in sein Auto stieg und losfuhr, genauso wie der Bus.

Ich holte mein Handy und Kopfhörer raus und machte Musik an, bevor ich meine Augen schloss und langsam einschlief.

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Huhu!

Hier ist mein erstes richtiges Kapitel und ich hoffe, dass es euch gefällt:)

Ich werde jetzt erstmal jeden Freitag ein Kapitel hochladen :))

Eure Jojo~

My Own SummerWhere stories live. Discover now