42- Der Pullover

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Isaac stand vor der Haustür und atmete tief durch.

Vielleicht hatte seine Mutter ihn vergessen, das Blut an ihrer Hand vergessen.

Er drehte den Schlüssel und betrat das Haus so leise wie möglich.

Sofort kam ihm seine Mutter entgegen. Sie hatte es wohl nicht vergessen.

"Isaac. In die Küche, sofort.", befahl sie kalt, und der blonde Junge zog seinen Kopf ein.

Seine Hände zitterten als er sich an den Tisch gegenüber von seiner Mutter und deren Freund, Frank, setzte und deine Finger unter dem Tisch miteinander verschrenkte damit sie aufhörten.

"Wo warst du?", fing sie an, und Isaac starrte nur auf den Tisch.

"Im Park.", antwortete er leise.

"Wir müssen mit dir reden Isaac, so geht das nicht weiter. Du-", Frank wurde unterbrochen, als Lily versuchte sich in ihr Zimmer zu schleichen, doch sie blieb stehen als sie sie alle sah.

"Was ist los? Habe ich was verpasst?", fragte sie mit gerunzelter Stirn.

"Lily geh, dass geht dich nicht an.", meinte ihre Mutter abwesend.

"Aha. Ich glaube es geht mich sehr wohl etwas an, wenn es um Ice geht, er ist mein Zwilling.", feuerte sie wütend zurück und setzte sich neben Isaac.

"Seit Isaac hier ist, bringt er sich nicht mit ein. Er tut nichts, er liegt nur in seinem Bett und starrt die Wand an. Und dann habe ich heute das an seinem Arm gesehen.", erzählte die Frau, Lily ignorierend.

"Du, zieh deinen Pullover aus.", forderte ihr Stiefvater und sah Isaac durchdringend an.

"Was? Nein!", rief Isaac und zuckte zurück.

"Keiner hier ist so abartig wie du und wird darauf stehen.", schnaubte Frank angewidert.

"Mom, das kannst du nicht zulassen, er ist dein Sohn! Du musst ihn beschützen!", versuchte Lily ihren Bruder zu verteidigen, doch es half nichts.

"Mein Sohn starb am dem Tag, an dem ich ihn im Bett mit einem anderen Jungen sah, dass da ist nicht mein Sohn.", fauchte sie zurück.

Isaac weinte, sein Rücken war so gekrümmt und seine Schultern so zusammen gesackt, dass er aussah als würde er sich zu einer Kugel zusammenrollen.

"Bitte.", flehte er verzweifelt. "Bitte nicht, Mom."

"Zieh den Pullover aus.", befahl sie.

Isaac zitterte nun am ganzen Körper, aber er gehorchte.

Silber und rosa Narben zogen sich über seine linke Körperhälfte, über ihnen rote, manche waren schon von Schorf überzogen, kreuzten sich auf der Haut seines Arms, seiner Schulter, seines Bauches und der Brust.

Es sah aus als hätte er in einem Wutanfall versucht sich selbst zu zerfleischen.

Sein linker Unterarm war voller getrocknetem Blut, und du konntest nicht sehen wo es herkam.

Lily fing an zu weinen, und Isaac faltete seine Hände wieder in seinem Schoß, außerhalb der Augen seiner Mutter und seines Stiefvaters.

"Manchmal frage ich mich, was ich bei dir falsch getan habe, dass du so geworden bist.", sagte seine Mutter und sah ihn angewidert an.

We are all perfect, we are all going to dieWhere stories live. Discover now