18.Kapitel

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Kyla

Angespannt wartete ich. Ich hatte bereits alles wichtige geklärt, um Notfalls von hier verschwinden zu können. Selbst um eine Veränderung des Aussehens hatte ich mich gekümmert. Während ich in der Wohnung wartete, überwachte ich mithilfe der Privaten und Öffentlichen Kameras die Umgebung. Der Bildschirm meines Laptops war in kleine Rechtecke aufgeteilt, es waren etwa 16. Während der Laptop mit dem selbstgeschriebenen Programm von mir nach feindlichen Zeichen suchte, packte ich eine neue Notfalltasche. Darin lagen wieder neue Pässe, auch welche für Cesar und Cole. Hoffentlich war Cole nicht allzu sauer auf mich, dass ich ihn da mit hinein gezogen hatte. Tatsächlich hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich zugelassen hatte, dass ich mich mit ihm angefreundet hatte. Das hatte nämlich schlussendlich zu seiner jetzigen Situation geführt. Seufzend packte ich weiter. Ein paar Wechselklamotten, verschiedene Geldkarten, Bargeld. Als ich damit fertig war schob ich die Tasche in ein Geheimfach im Schrank. In dem Moment, in dem ich damit fertig war, klingelte es. Schnell lief ich in die Küche und blickte aus dem Fenster. Da es zur Straße, und damit auch zum Eingang lag, konnte ich zwei Gestalten erkennen, die vor der Tür standen. Die eine etwas größer, mit dichtem schwarzen Haar und muskulösem Körperbau. Die andere Gestalt trug einen Anzug, war schlanker wie die erste Person und hatte blonde Haare. Beide konnte ich identifizieren, also betätigte ich den Türöffner im Flur. Dann öffnete ich meine Wohnungstür und lauschte auf die Schritte der zwei Männer, die schnell die Treppe hochkamen. Nervös lehnte ich mich an den Türrahmen. Dann kamen sie in mein Blickfeld. Cesar lief etwas weiter vorne und lächelte mich halb erleichtert, halb nervös an. Ich erwiederte seine Grimasse mit einem beruhigenden Lächeln und ließ mir nicht anmerken, wie angespannt ich in wirklichkeit war. Cole, der dicht hinter meinem Cousin die Treppe hochkam, sah sich um. Sein Blick war kühl und eher zurückhaltend, aber er lächelte mich leicht an, als er mich erblickte. Auch ich lächelte ihn an. Er hatte sich nicht wirklich verändert, wie auch, es waren ja noch keine zwei Wochen her das wir uns das letzte mal gesehen hatten. Lediglich die angespannte Haltung und die Augenringe waren neu, doch diese Veränderungen waren irgendwie schon verständlich. Ohne ein Wort schoben sich Cesar und Cole an mir vorbei in den Flur. Ich schloss die Tür hinter mir, nachdem ich ebenfalls in meine Wohnung gegangen war. Dann führte ich meine Gäste in das Wohnzimmer. Da ließ ich mich auf die Couch sinken und bedeutete den beiden, es mir gleich zu tun. Nachdem sie ebenfalls saßen kehrte eine unangenehme Stille ein. Erst nach ein paar Minuten begann ich zu sprechen.

<Hey, wie war eure Fahrt?>

Vielleicht nicht die beste Frage, doch ein Anfang war es. Zum Glück sprangen Cesar und Cole darauf an.

<Die Fahrt war schrecklich. Cole hat die ganze Zeit an meinem Fahrstil gezweifelt und ständig den Radiosender geändert.>

Cole verdrehte die Augen und murmelte etwas vor sich hin, was ich nicht verstand. Ich dagegen grinste leicht, doch die nächsten Worte, die ausgesprochen wurden, ließen mich wieder ernst werden.

<Ich will nicht das jemand das falsch versteht, doch könnt ihr mir erklären, was überhaupt los ist?>

Es war klar, dass die Frage kam, doch ich hatte gehofft, dass Cole sich damit etwas Zeit ließ. Seufzend lehnte ich mich zurück und sah Cole dann an, der seine Ellenbogen auf seinen Knien und sein Gesicht auf seinen Handflächen abgestützt hatte. Er wirkte neugierig und entschlossen. Also seufzte ich nochmals, anscheinend meine neue Lieblingsbeschäftigung, und begann zu erzählen.

<Also, das ganze ist etwas komplizierter. Am besten fange ich ganz am Anfang an. Alles hat damit begonnen, dass mein Dad einen anderen Berufszweig gewählt hat wie der Rest der Familie. Er wurde Geheimagent für den Staat, statt das Familienunternehmen weiterzuführen. Dazu muss gesagt werden, dass das Familienunternehmen so eine Art Mafia war, beziehungsweise ist. Aber dazu komme ich später. Mein Dad, Liam Vendez, ist also Agent geworden. Er hat jede Menge wichtige Sachen gemacht, viele davon waren echt gefährlich und natürlich hat er sich auch viele Feinde gemacht. Einer hat Dads wahre Identität herausgefunden und sich an ihm gerächt. Er hat es als Überfall getarnt und ist in dem Laden, in dem wir meinen zwölften Geburtstag feiern wollten, gekommen. Da hat er Dad und Mum angegriffen. Ich war zu der Zeit auf der Toilette, was mir wohl das Leben gerettet hat. Ich habe von da aus Mums und Dads Schreie gehört und konnte weglaufen. Leider hatte er einen Komplizen, der am Hintereingang gewartet hat, durch den ich weglaufen wollte. Der hat mich mit einem Messer attackiert.>

Kurz unterbrach ich mich und hob mein Oberteil an, um ihm die Narbe zu zeigen. Cole sog scharf die Luft ein und sah mich schockiert an. Doch bevor er etwas sagen konnte, sprach ich weiter.

<Da mein Dad mir einige Sachen zu Selbstverteidigung beigebracht hat konnte ich mich befreien und bin weggelaufen. Dabei hab ich mir ein paar Schnittwunden eingefangen, aber das war mir egal. Ich konnte mich vor ihm verstecken und bin bis Sonnenaufgang in meinem Versteck geblieben, dabei hab ich mir aber ein paar Erfrierungen geholt. Gegen Sonnenaufgang bin ich ohnmächtig geworden und erst ein paar Tage später wieder im Krankenhaus aufgewacht. Im Krankenhaus haben sie mir dann gesagt das meine Eltern tot und mein Bruder, Jake, verschwunden waren. Damals habe ich mich schuldig gefühlt und auch wegen der Trauer und so wollte ich mit niemandem mehr reden, was ich dann ja auch weitergeführt habe. Aber naja, als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde hat mein Onkel, Francesco mich aufgenommen. Er hat, im Gegensatz zu meinem Dad, gefallen an der Boshaftigkeit gefunden und den Familienbetrieb übernommen. Er hat von Anfang an klar gemacht, dass er Regelverstöße nicht duldet und hat schon beim kleinsten Verstoß die Hand gegen mich, und auch gegen seine Kinder, erhoben.>

Bei diesen Worten warf ich einen kurzen, fragenden Blick zu Cesar, der nur kurz nickte. Seine Miene war mittlerweile verschlossen und zeigte nicht mehr, was er wirklich fühlte.

<Cesar, er war zu der Zeit 17, ist sein Sohn. Er hat sich oftmals dazwischen gestellt, wenn Francesco mich oder Ana, seine damals 15 jährige Schwester, geschlagen hat. Als ich 15 war und Ana sowie Cesar ausgezogen waren, ist mein Onkel so richtig ausgerastet, weil ich mich mit einem Jungen aus der konkurisierenden Mafia angefreundet habe. Er hat mich halb tot geprügelt. Damals hat er mir zwei Rippen, den Kiefer, das linke Bein und den rechten Arm gebrochen. Da hab ich eine Entscheidung getroffen. Sobald ich wieder gesund war bin ich abgehauen. Da ich kein eigenes Geld hatte hab ich ihm etwas von seinem Konto geklaut, indem ich mich in seine Kontodaten gehackt habe. Danach habe ich begonnen mich zu verstecken. Leider habe ich ein paar Fehler gemacht und das Jugendamt hat mich aufgegriffen. Sie haben aber vergessen einzutragen, dass ich bei meinem Onkel gelebt habe und so bin ich dann ins Waisenhaus gekommen. Von da aus habe ich dann meine Flucht geplant und auch überall im Land wichtige Dinge versteckt, wie Beispielsweise Autos oder Geld. Auch habe ich mir mehrere Wohnungen auf mehrere Namen zugelegt. Eine davon ist die hier. Und bevor du fragst: Mein Vater hat mir Autofahren beigebracht als ich 10 Jahre alt war und wie man Pässe und weitere Dokumente fälscht als ich 11 war.>

Ich spürte am Ende meiner Rede einen Kloß im Hals und mir war zum heulen zumute, doch ich fühlte mich auch seltsam erleichtert. Cole, der sich während meiner Worte neben mich gesetzt hat, legte jetzt vorsichtig seine Arme um mich und zog mich an sich. Während ich auch meine Arme um ihn schlang murmelte Cole:

<Es tut mir leid Kyla, wirklich. Ich hätte dich nicht drängen sollen.>

<Du hast mich nicht gedrängt, Cole. Es war dein Recht, dass zu wissen.>

Wir blieben noch einige Zeit so sitzen und zum ersten Mal in den letzten vier Jahren fühlte ich mich geborgen.

Das Schweigen der Gebrochenen *Pausiert*Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum