5.Kapitel

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Kyla

Während ich in meinem Essen stocherte, versank ich in Gedanken. Wenn ich an meinen morgigen Tag, meinen ersten Schultag seit 4 Jahren dachte, zog sich mein Magen zusammen. Wie würden die anderen reagieren? Würde ich zum Außenseiter werden, den alle anderen mobbten?

Seit wann interessiert dich das, Kyla? Du hast schon genug mit deinem eigenen Scheiß zu tun. Es sei denn, du willst noch jemanden verlieren, den du liebgewinnst?

Der andere Grund, weshalb ich mit niemandem Sprach. Solange du andere ignorierst, wollen sie nichts mit dir zutun haben. Wenn sie nichts mit dir zutun haben, sind sie außer Gefahr. Einer plötzlichen Eingebung folgend hob ich den Kopf und sah direkt in ein paar eisblaue Augen, die mich abschätzend musterten. Schon wieder. Was wollte der bloß? Er musterte mich noch kurze Weile, dann grinste er zufrieden. Cole stand auf und unterbrach den Blickkontakt.

<Ich muss kurz telefonieren.>

Mit diesen Worte verabschiedete er sich von der Gesellschaft. Was sollte das denn? Ich wurde das Gefühl nicht los, dass mehr hinter seinen Worten steckte. Nur was? Kopfschüttelnd aß ich auf und zog mich dann zurück. Da ich letzte Nacht schlecht geschlafen hatte packte ich meine Schultasche und zog mir dann, als die Gäste endlich weg waren, eine Jogginghose und ein Top über. Um etwa 21 Uhr, eine mörderisch frühe Uhrzeit zum Einschlafen, fiel ich in mein Bett und versank im Land der Albträume und Erinnerungen, wie ich meinen Schlaf nannte.

<Komm kleines, ich weiß das du da bist.>

SEIN leises Lachen ging dem kleinen Mädchen durch Mark und Bein, während es sich tiefer ins Gehölz schob, darauf bedacht, kein Geräusch von sich zu geben. Dabei zuckte sie immer wieder zusammen. Mit entsetzen sah ich die Wunden, die ihren kleinen Körper überzogen. Überall Schnitte, ihr Sommerkleid war zerrissen. Blut rann aus den Wunden, verklebte ihre Arme und Beine. Die Schuhe hatte sie verloren, in ihrem Haar hingen Blätter und kleinere Äste.

<Komm endlich her, du kleines Biest. Lange kannst du dich nicht mehr vor mir verstecken.>

SEINE Stimme entfernte sich, keine Schritte waren mehr zu hören. Trotzdem wagte sich das zitternde Mädchen nicht aus seinem Versteck. Sie horchte in die unnatürliche Stille des Waldes hinein. Es war schrecklich, kein einziges Geräusch zu hören, während sie wartete. Bis zum frühen Morgengrauen stand sie im Gehölz und fror und kämpfte darum, bei Bewusstsein zu bleiben. Dann fiel sie in sich zusammen, plötzlich, ohne genau zu wissen weshalb. Während sie benommen auf dem kalten und durchweichten Waldboden lag, fragte sie sich woran sie sterben würde. Blutverlust, Schock oder erfrieren? Denn eines war ihr klar, als ihre Lider schwer wurden. Sie würde jetzt die Augen für immer schließen.

Mit einem erstickten Keuchen fuhr ich hoch. Wimmernd umklammerte ich meine Beine. Als das nicht half, schnappte ich mir mein Handy und meine Kopfhörer. Schnell scrollte ich durch meine Playlist, bis ich ein passendes Lied fand. Ich hasste die Stille, seit diesem Tag mied ich den Wald. Denn eines war mir klar, dass war kein Albtraum gewesen, dass war Realität. Die schrecklichste Realität, die sich ein junges Mädchen vorstellen konnte. Zitternd erhob ich mich und sah auf meine Uhr. 6 Uhr. Leise stellte ich meinen Wecker aus und machte das Licht an. Vor dem Schrankspiegel blieb ich stehen und hob langsam mein Oberteil an. Quer über meinen Bauch zog sich eine grausame, schon verblasste, Narbe. Meine Arme und Beine waren wieder vollständig verheilt, nur meine Bauchnarbe nicht. ER hatte mir eines seiner Messer so tief in den Bauch gerammt, dass die Notärzte, und ich ebenfalls, mehr wie nur überrascht gewesen waren, dass ich überlebt hatte, geschweige denn überhaupt hatte fliehen können. Schnell wandte ich den Blick ab und stürzte ins Bad, als mich das verlangen überkam, meinen Mageninhalt loszuwerden. Beinah 5 Minuten hing ich würgend über der Kloschüssel, dann stand ich vorsichtig auf. Schnell duschte ich und zog mich an. Heute trug ich eine weiße Highwaste Hotpants und ein Khakigrünes Top bei weiße, niedrige Converse. Gerade band ich meine Haare zu einem Zopf, nachdem ich mich geschminkt hatte, da rief Olivia von unten zum Frühstück. Kurz blickte ich zur Uhr, 5:45 Uhr, dann lief ich schnell die Treppe hinab. Olivia schenkte mir ein strahlendes Lächeln.

<Gut siehst du aus, Kyla.>

Ich nickte ihr kurz zu, während ich mir im stillen selbst gratulierte, dass ich meine Fertigkeiten im Augenringeüberschminken verfeinert hatte. Dann setzte ich mich an den Frühstückstisch und schmierte mir ein Nutellabrötchen. Während ich aß erklärte mir Olivia noch ein paar wichtige Details zur Schule.

<Dave fährt dich und Jonathan gegen 7:35 Uhr zur Schule. Dort holst du dir dann im Sekretariat deinen Stundenplan und die Bücher. Wenn der Unterricht aus ist fährst du mit dem Bus zurück. Die Haltestelle ist hier ganz in der Nähe. Halt dich am besten an Jonathan, dann wird schon nichts schief gehen.>

Jonathan, der eben gekommen war, nickte zustimmend, während ich eher skeptisch auf mein Brötchen sah. Schließlich hatte ich aufgegessen und schnappte mir das Brot, dass Olivia mir zum Schulfrühstück gemacht hatte. Oben in meinem Zimmer putzte ich meine Zähne und ging dann wieder runter, da wir Abfahrtzeit hatten. Draußen saßen Dave und Jonathan bereits im Auto und warteten auf mich. Sobald ich im Auto saß und mich angeschnallt hatte, fuhren wir los. Die Fahrt dauerte nicht sehr lange, vielleicht 7 Minuten. Als wir ausstiegen und Richtung Hauptgebäude liefen, merkte ich wie die Leute um uns herum zu flüstern begannen. Mit hocherhobenem Kopf folgte ich Jonathan ins Gebäude. Wir eilten eine Treppe hinauf und klopften schließlich an einer der Grünen Türen, die ins Sekretariat führte.

<Sie müssen Miss Kyla Ghost sein. Hier ist ihr Stundenplan und die Bücher.>

Schmnell packte ich die Sachen ein und verließ das Gebäude. Kyla Ghost, nicht Kyla Vendez. Nachdem ich auf dem Stundenplan nach meiner ersten Stunde geschaut hatte, Biologie, folgte ich dem Schülerstrom, der in eines der Nebengebäude verschwand. Da es geklingelt hatte waren die Flure überfüllt, doch glücklicherweise hatte ich eine ungefähre Ahnung, wo ich hin musste. Bald fand ich den Bioraum und stellte mich neben die Türe, um den Blicken meiner Mitschüler zu entgehen. Ich hatte kaum gewartet, da kam ein großer, hagerer Mann die Treppe hinauf. Er musterte mich kurz aus freundlichen Augen.

<Hey, ich bin Mr. Steward. Du musst Kyla sein. Komm doch mit herein, ich stelle dich dann dem Kurs vor.>

Mit einem knappen Nicken folgte ich meinem neuen Biolehrer in eine der Höhlen der Löwen, wie ich meine neuen Kurse nannte.

Das Schweigen der Gebrochenen *Pausiert*Where stories live. Discover now