12.Kapitel

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Kyla

Leise, um niemanden auf mich aufmerksam zu machen, schlich ich die Treppe hinunter. Mein Herz hämmerte wild und meine Kehle fühlte sich ziemlich trocken an, doch das ignorierte ich. Leise lief ich den Flur entlang, in richtung Terassentür. Die Tür hatte ich fast erreicht, als es plötzlich an der Haustür klingelte. Ich schluckte und blieb wie erstarrt in dem dunklen Flur stehen.

<Wer ist denn das?>

Olivias Stimme, die aus dem Wohnzimmer erscholl, riss mich aus meiner Erstarrung. Ich sprintete leise die kurze Distanz zur Terassentür und riss diese auf. Dann, als ich ein Klatschendes Geräusch hörte, stürzte ich aus dem Haus. So schnell ich konnte rannte ich auf den Wald zu, meine Tasche stieß bei jedem schnellen Schritt gegen meinen Oberschenkel. Kurz darauf erreichte ich den Wald und schlängelte mich zwischen den Bäumen durch. Ich lief so schnell und leise wie ich konnte und glitt als dunkler Schatten an gewaltigen Tannen, Buchen und Birken vorbei, die ihre düsteren Arme dem Mondlosen Himmel entgegen reckten. Nach einiger Zeit blieb ich stehen, jedoch nicht um zu rasten, sondern um mein Ersatzhandy zu ziehen. Ich rief Google Maps auf und ließ mir meinen Standort anzeigen. Dann glitt ich wieder schnell zwischen den Bäumen hindurch, auf dem Weg in eine mittelgroße Gemeinde, etwa 6 Kilometer entfernt. Der Weg war anstrengend, trotzdem hielt ich mein zügiges Tempo durch, jede Sekunde zählte. Es musste wohl schon halb fünf sein, als ich einen Rastplatz erreichte. Hier gab es nicht viel, lediglich eine Tankstelle, ein Restaurant und ein kleines Hotel. Schnell lief ich zum Hotel. Die kalte Nachtluft, die ich bis dahin kaum wahrgenommen hatte, wehte meine Haare davon, wurde jedoch bald von der klimatisierten, künstlichen Luft im Hotel ersetzt. Dem Rezeptionisten mittleren alters zeigte ich meine Reservierung für ein kleines Einzelzimmer. Er gab kurz etwas in seinen Computer ein.

<Dann noch viel Spaß, Ms. Smith.>

Ich nickte ihm zu, dann lief ich die Treppe hinauf. In meinem Zimmer angekommen ließ ich meine Tasche auf den Boden fallen. Dann zog ich meine Schuhe aus, entledigte mich meiner Jacke und fiel ins Bett. Überraschend schnell schlief ich ein.

Als ich um 8 Uhr am selben morgen erwachte, spürte ich Sprichwörtlich jeden Knochen in meinem Körper. Ich rappelte mich aus dem Bett und ging danach Duschen. Das heiße Wasser half mir dabei, mich zu entspannen. Viel zu schnell verließ ich die Dusche, um mich fertig zu machen. Aus meiner Notfalltasche zog ich eine schwarze Jeans, ein schwarzes Top und ein dunkelrotes, kariertes Hemd. Schnell zog ich mich an und kämmte meine Haare. Dann zog ich meinen Laptop, mein Heiligtum, aus der Tasche. In der Tasche befanden sich ebenfalls eine Reihe falscher Pässe, die bezeugten, dass ich Keira Smith hieß und 18 Jahre alt war. Dazu noch eine Bankkarte, mit einem kleinen Vermögen darauf und noch ein zweiter Satz Wechselkleidung. Nachdem ich den Laptop hochgefahren hatte, begann ich die Nachrichten zu durchsuchen. Wie befürchtet fand ich dort auch eine Vermisstenanzeige für mich, glücklicherweise ohne Bild. Sobald ich die Lage vor Ort gecheckt hatte und sicher war, dass niemandem etwas passiert war, hackte ich mich in die Computersysteme der Schule, des Waisenhauses, des Hotels und zur Sicherheit auch in die der Polizei und die der lokalen Zeitungs- und Nachrichtendienste. Dort löschte ich alle Bilder von mir, man konnte ja nie wissen. Sobald ich damit fertig war fuhr ich meinen Laptop runter und machte mich Abmarsch bereit. Unten an der Rezeption bezahlte ich, dann lief ich los, ein festes Ziel vor Augen.

Cole

Verwirrt blickte ich Charlie entgegen, die soeben mein Zimmer betrat. Ihr folgte, zu meinem erstaunen, Jonathan. Meine Schwester blieb vor mir stehen und bedeutete Jonathan, die Tür zu schließen. Sobald dies geschehen war begann sie aufgeregt zu sprechen.

<Oh mein Gott, ich hätte nicht erwartet, dass wir das hinbekommen. Ich meine, ich hab zwar die passenden Gene aber, wow... Und du erst Jonathan, wie du den Typen abgelenkt hast. Das hättest fu sehen müssen, Bruderherz. Das war...>

<Was macht ihr hier? Wovon redest du?>

Charlie grinste mich an, sie schien gar nicht bemerkt zu haben, dass ich ihr ins Wort gefallen war. Dann reichte sie mir ein zerknittertes, gefaltenes Papier.

Zögernd nahm ich das Blatt entgegen und faltete es auseinander.

Lieber Leser,
Ich hoffe das du entweder Charlotte Black, Cole Black oder Jonathan Ghost bist. Wenn nicht, gib diesen Brief samt Anhang an die oben aufgezählten Personen weiter. Vielen Dank.
Kyla

Als ich nun noch verwirrter zu meiner triumphierend blickenden Schwester hinauf sah, zog diese ihren Laptop, den sie bisher hinter ihrem Rücken versteckt hatte, hervor. Während sie ihn mir hinhielt erklärte sie:

<Die aufgerufene Datei ist das, was auf dem Stick, der ebenfalls in dem Päckchen lag, war. Kyla hatte als Passworthilfe, sie hat das Ding nämlich verschlüsselt, angegeben, dass das Passwort etwas mit dem Club unseres Onkels zu tun hat. Ich bin da ziemlich schnell drauf gekommen. Du solltest lesen was da steht. Das ist, glaube ich, ziemlich wichtig für uns.>

Stirnrunzelnd wandte ich mich dem Laptop zu.

Hey Leute,
gut das ihr das hier gefunden habt. Ich möchte euch erklären, weshalb ich verschwunden bin. Ich mache es kurz: Vor etwa einem Jahr habe ich einen Mafioso beklaut und seit dem jagen seine Leute mich. Ich bitte euch, mich zu verstehen, wenn ich sage, dass es besser für uns alle ist, wenn ihr euch von mir und ich mich von euch fernhalte. Deshalb bitte ich euch, mich nicht zu suchen.

Kyla

PS.: Bitte zerstört den Stick und löscht die Datei, wenn ihr sie auf euren Laptop runtergeladen habt.

PPS.: Bitte kümmert euch um meine Bücher, CDs und Filme. Ich will nicht das sie in einem Karton im schimmligen Keller oder bei der Sperrmüll landen.

Ich las den Teil, in dem es um Kylas Verbrechen ging nochmal, um sicher zu gehen, dass ich mich nicht verlesen hatte. Dann drehte ich mich langsam zu meiner Schwester und Jonathan.

<Verdammte Scheiße.>

<Das kannst du laut sagen.>

Das Schweigen der Gebrochenen *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt